„Feuernder Mörser“ von Heinrich Richter-Berlin in der Sonderausstellung „Hölle & Paradies«
Ein Meisterwerk in Engen

Heinrich Richter-Berlin, Sonderausstellung Engen | Foto: Heinrich Richter-Berlin, Feuernder Mörser, um1917/18, Privatbesitz

swb-Bild: Bernhard Strauss
  • Heinrich Richter-Berlin, Sonderausstellung Engen
  • Foto: Heinrich Richter-Berlin, Feuernder Mörser, um1917/18, Privatbesitz

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Engen. Die Wiederentdeckung mancher Künstler, aber auch mancher Kunstwerke kann bisweilen ausgesprochen spannend sein, so wie im Fall des großformatigen Ölbildes „Feuernder Mörser“ von Heinrich Richter-Berlin.

Zuerst einmal zu dem Künstler selbst. Sein Name ist in Fachkreisen durchaus bekannt, war er doch Mitbegründer der revolutionären Berliner „Novembergruppe“ im Jahr 1918. Auch ist Richter-Berlin der Methusalem der Expressionisten, da er bis 1981 lebte und das stolze Alter von 97 Jahren erreichte. Trotzdem geriet er ziemlich in Vergessenheit, was vielleicht daran liegt, dass er, nach seinen kubofuturistischen und wahrlich revolutionären Anfängen, einen recht gemäßigten Stil entwickelte, als sähe man die Gegenstände durch ein Prisma, und diesen auch sein Leben lang beibehielt.

Im Zweifelsfall lässt sich ein Werk von 1970 kaum von einem aus dem Jahr 1940 unterscheiden. Darum war es eine große Überraschung, auf der Rückseite einer schönen „Leda“ aus dem Jahr 1928 das ein Jahrzehnt früher entstandene Motiv des kriegslüsternen Mars in Form eines behelmten Stierkopfes zu entdecken, wie er gerade aus der Tiefe bricht. Der Kriegsgott steigt direkt aus der Unterwelt, erkennbar an der ihn begleitenden Fledermaus. Um ihn herum eingestürzte Häuser und, so scheint es jedenfalls: Wolken von Pulverdampf. Doch schaut man genauer hin, entpuppen sich die Wolken als zwei Reihen Soldaten, die in Keilform auseinanderstreben. Sie werden oben links von einem MG-Schützen unter Beschuss genommen, und auch sonst fliegen ihnen die Granaten des Mörsers um die Ohren. Nicht unbedingt eine Situation zum Wohlfühlen.

In traditionellen Bildern ist das Licht, das von oben kommt, ein göttliches – hier sind es die Garben aus einem Granatwerfer. Eine offenbar ausweglose Situation. Wäre da nicht der beinahe unsichtbare Heilige Georg mitten unter ihnen. Im oberen rechten Teil ist ein behelmter Kopf zu sehen, der mit der rechten Hand dem Ungeheuer ins Auge sticht, während ihm der Arm durch den Helm abgetrennt wird. Und: Diese Figur sitzt auf einem Pferd, dessen Kopf mit gelber Mähne man sehen kann - wenn man es weiß. In diesem Kriegsbild versteckt sich also das traditionelle Bildmotiv des Heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen - in einem leider aussichtslosen Kampf ohne Ausweg und ohne Erlösung.

Im Ersten Weltkrieg haben Christentum und Humanismus abgedankt, was bleibt ist die blanke Zerstörung. Wie man sieht, fordert die Komplexität dieses Bildes die ganze Sehfähigkeit des Betrachters. Und nun wissen wir auch, warum Richter-Berlin um 1918 ganz vorne an der Spitze der revolutionären Avantgarde stand. Das Bild ist ein Meisterwerk. Und seit 100 Jahren in Engen zum ersten Mal zu sehen.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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