Stockachs Ehrenbürger Heinrich Wagner nach längerem Leiden verstorben
Das Gewissen der Stadt ist verstummt

Heinrich Wagner  | Foto: Stockach trauert um seinen Ehrenbürger Heinrich Wagner. swb-Bild: sw
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Stockach. Er war ein großzügiger, ein sozial verantwortungsbewusster, ein gesellschaftlich engagierter Mann gewesen. Aber Heinrich Wagner war auch ein Mensch der klaren Worte, der eindeutigen Positionen, der festen Wahrheiten, der es schnörkellos aussprach, wenn ihm etwas nicht passte. Nun ist der Stockacher Ehrenbürger und Ehrenringträger, der Ehrengerichtsnarr und Mitbegründer der Bürgerstiftung, der ehemalige Unternehmer und Kommunalpolitiker im Alter von 87 Jahren nach längerem Leiden verstorben. Im Oktober 2016 hatte Heinrich Wagner seine umfangreiche Kunstsammlung in vorausschauender Weitsicht der Stadt Stockach als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt, die damit Ausstellungen im Stadtmuseum bestückt. Nun trauert die Hans-Kuony-Stadt um einen ihrer verdientesten Mitbürger: »In meinem Alter muss man bereit sein, zu gehen und loszulassen«, hatte er bei einem seiner weniger werdenden Auftritte in der Öffentlichkeit in einem Gespräch gesagt.

Er hatte Stockach Ehre gemacht - und war dafür im August 2015 zum Ehrenbürger ernannt worden. Den Ehrenring der Stadt hatte Heinrich Wagner bereits zuvor erhalten. Von seinen unzähligen Ehrenämtern hatte der sozial Engagierte vor allem drei als für ihn besonders wichtig in einem Interview mit dem WOCHENBLATT hervorgehoben: Von 1965 bis 1989 war der am 11. September 1931 Geborene Mitglied des Gemeinderats Stockach gewesen und hatte 21 Jahre lang den Fraktionsvorsitz der CDU im Stadtparlament inne gehabt. Mit seiner Arbeit als Fürsprech im Narrengericht von 1962 bis 1999 hatte Heinrich Wagner das in seiner Heimatstadt so wichtige närrische Brauchtum bereichert, und er selbst hob seinen Einsatz als Präsident des Verbands der Bauwirtschaft Südbaden hervor. Es war ein arbeitsreiches Leben, hatte Heinrich Wagner damals erklärt. Aber wenn er so zurückblicke, würde er alles noch einmal ganz genauso machen.

Zu seiner eigenen Lebensphilosophie gehörte es auch, dass er persönliche Wünsche zurückstellte, wenn es die Situation erforderte. Heinrich Wagner war Pragmatiker, Realist, Tatmensch. Als junger Mann hätte er gerne für ein internationales Bauunternehmen gearbeitet, doch als sein Vater sich zur Ruhe setzen wollte, übernahm er pflichtschuldig den väterlichen Betrieb. Dafür brachte er das nötige Knowhow mit: Nach dem Besuch der Grundschule in Stockach und der mittleren Reife in Radolfzell machte er sein Abitur in Konstanz. Natürlich mit guten Noten. Die ermöglichten ihm ein Studium an der Technischen Hochschule in Stuttgart, damals noch in der Stadtmitte der Landeshauptstadt, heute in Vaihingen angesiedelt. Der frisch gebackene Bau-Ingenieur stieg in das elterliche Bauunternehmen ein, das er bis 2006 leitete. Dass keines seiner vier Kinder in den Betrieb einsteigen wollte, musste er akzeptieren: Sie hätten halt gesehen, wie viel Arbeit damit verbunden gewesen sei, meinte er. Als sein Lebenswerk nicht in seinem Sinne weitergeführt wurde, traf ihn das schwer - ein biographischer Nackenschlag, von dem sich der tatkräftige Mann nie ganz erholte.

Arbeit war ein Teil von Heinrich Wagners Persönlichkeit gewesen. Viel Zeit für Hobbys hat er nicht gehabt. Aber sein geliebter Porsche war eines seiner Steckenpferde gewesen. Erst im hohen Alter hat er sich von dem schnittigen fahrbaren Untersatz getrennt und ein Fahrzeug mit bequemeren Einstiegsmöglichkeiten gewählt. Und das Sammeln von Kunstwerken hat ihm Freude gemacht.

Sein Engagement erlahmte nie. Es war mit dem Einsatz von Heinrich Wagner zu verdanken, dass 2008 zum 725-jährigen Jubiläum der Stadt die Bürgerstiftung ins Leben gerufen wurde, in deren Vorstand er lange aktiv mitwirtkte und deren Geschicke er stets begleitete. Auch den »Schweizer Feiertag«, das Stockacher Stadt- und Heimatfest, hat er mit aus der Taufe gehoben. Er trat als Mäzen in Stockach auf, brachte sich ein, war präsent, blieb der Stadt immer verbunden. Dafür hat ihm Stockach in vielfacher Weise gedankt: »Mit einem einstimmigen Votum würdigt der Gemeinderat das Lebenswerk eines Menschen, der sich in herausragender Weise um das Wohl seiner Heimatstadt verdient gemacht hat», hatte Bürgermeister Rainer Stolz im Vorfeld der Verleihung der Ehrenbürgerwürde 2015 erklärt.

Die Fasnet war eine der vielen Lebensadern und Leidenschaften von Heinrich Wagner gewesen. 2016 hatte er seine Erinnerungen an seine langjährige Tätigkeit im Dienste des närrischen Brauchtums in seinem fundierten Buch »Politik-Prominenz und sonstige Demokratie-Adlige vor dem Stockacher Narrengericht. Spitzfindiges, Hintergründiges, Alefänziges« zusammengefasst, das vom WOCHENBLATT Singen herausgegeben wurde. Auf 352 Seiten hatte er ein Stück Stockacher Fasnetgeschichte festgehalten, und es spricht für ihn, dass er ein Belegexemplar nicht einfach vor die Tür legte. Er brachte es persönlich mit einer eigenhändigen, Widmung und einem »kräftigen Narro« vorbei. Zu erzählen hatte er viel über die Fasnet. »35 Jahre lebte er die Rolle des Fürsprechs vor Gericht. Er schrieb sowohl die Texte der Anklage als auch für seine Verteidigung«, erklärt Narrenrichter Jürgen Koterzyna in einem Nachruf.

Der Respekt, mit dem Heinrich Wagner anderen begegnete und den er auch für sich selbst in Anspruch nahm, beinhaltete auch, dass er die Dinge beim Namen nannte. Ein vergessenes Jubiläum, nicht eingehaltene Formalia, ein Kommentar, der nicht seinen Wertvorstellungen entsprach, wurden deutlich zur Sprache gebracht und dem Verursacher erläutert. Im Wissen um seine Verdienste für Stadt, Bevölkerung und Allgemeinwohl nahm sich der Ehrenbürger zu Recht heraus, eine Art Gewissen der Stadt zu sein und seine eigene Lebensphilosophie zur Grundlage seiner kritischen Beurteilungen zu machen. Seine fundierte Kritik bereicherte, aber sein ehrlich gespendetes Lob war umso wertvoller. Mit Heinrich Wagner verliert die Stadt Stockach einen Mitbürger, der aktiv in ihrer Mitte gelebt und sich eingebracht hat und der für ein Leben in der Passivität nicht geschaffen war. Veranstaltungen, bei denen Heinrich Wagner nicht in der ersten Reihe sitzt und sich bei Bedarf einbringt, sind nur schwer vorstellbar. Er war Teil des Stockacher Herzschlags und immer mit dabei am Puls der Stadtentwicklung - nun muss die Stadt ohne ihn auskommen. Er wird ihr fehlen und eine Lücke hinterlassen, die nicht zu schließen ist.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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