»Krieg kennt keine Sieger«: Gedenken an 100 Jahre Kriegsende
Der gelebte Geist der Gemeinschaft

Stolz Maurie | Foto: Fahnentausch im Geiste gegenseitiger Verbundenheit: Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz mit der französischen Fahne und Sébastien Maure, der Bürgermeister der französischen Partnerstadt La Roche sur Foron, mit der deutschen Fahne. Gemeinsam begingen sie
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Stockach/La Roche sur Furon. Symbolkraft in Noten. Zuerst die Marseillaise, dann die deutsche und die italienische Nationalhymne - und zum Schluss die heimliche Europahymne, Beethovens Neunte Sinfonie, mit Texten von Friedrich Schiller: »Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.« Der Bruderschaftsgedanke aller Nationen, als »Fraternité« ein ursprüngliches Ideal aus den Anfangszeiten der französischen Revolution, war mehr als eine lyrisch-überhöhte Worthülse - die Idee der Freundschaft unter den Nationen und unter ehemaligen Kriegsgegnern wurde gelebt. Etwa durch die Teilnahme einer mehr als 80-köpfigen Delegation aus Stockach an den Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs in der französischen Partnerstadt La Roche sur Foron. Zwei Tage lang wurde des verheerenden Waffengangs mit fast 20 Millionen Toten gedacht - zusammen mit Vertretern aus Candelo, der italienischen Partnerstadt von La Roche.

Im Rahmen der gemeinsamen Kranzniederlegung am Samstagnachmittag, 10. November, an der Gedenktafel vor dem Rathaus in La Roche erklärte Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz, dass es nicht um Gewinnen oder Niederlage gehe: »Der Krieg kennt keine Sieger.« Und in einer sehr sinnhaften, zum Nachdenken anregenden Rede stellte er die Frage, wie mit Menschen umzugehen sei, die die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht teilen würden. Sicher nicht mit Gewalt. Denn: »Gewalt beendet die Spirale der Gewalt nicht.« Auch nicht durch das Hinnehmen oder Erdulden von Ungerechtigkeiten, sondern durch den Geist der Gemeinschaft, durch Vertrauen, durch übereineinstimmende Positionen, durch den Willen zur Zusammenarbeit und die Erkenntnis, dass »wir alle Bürger eines Europas sind«. Diese und die anderen Reden wurden, übersetzt auf Italienisch und Französisch, auf einer Leinwand wiedergegeben. Schade war aber, dass es nur eine Leinwand gab und die Zuschauer auf der anderen Seite Schwierigkeiten hatten, den komplexen Sachverhalten der in der jeweiligen Muttersprache gehaltenen Beiträge zu folgen.

Ein weiteres Zeichen der Verbundenheit war ein gemeinsames Konzert am Samstagabend mit Ensembles aus La Roche und Candelo sowie der Stadtmusik Stockach. Mutig war es von Helmut Hubov aus Anlass des Kriegsendes »Preußens Gloria« zu spielen. Doch es ging, so der Stadtmusikdirektor, um eine Darstellung der zeitgenössischen Verhältnisse zur Zeit des Ersten Weltkriegs, um geschichtliche Authentizität und eine musikalische Wiedergabe der historischen Ereignisse jener Tage. Preußischer Militarismus als einer der Kriegsgründe gehörte zweifellos zum Gesamtbild. Und gespielt von einem internationalen Ensemble und eingebettet in andere musikalische Werke wie »Crimson Tide«, »Saving Private Ryan« oder »I‘m dreaming of Home« wurde die Wucht des Marsches gebändigt. Wiederum von starker Symbolkraft war die Zugabe des Konzerts dreier Nationen - eben nicht die Marseillaise als Ausdruck französischen Nationalgefühls und Selbstbewusstseins, sondern die Eurohymne als klares Bekenntnis zu Europa.

Von Europa ging es auf die kommunale Ebene: Am Sonntag wurden bei einer Stadtführung Ergebnisse La Rocher Kommunal- und Regionalpolitik wie die Mediathek und eine psychiatrische Klinik besichtigt. Informationen, Geselligkeit und Reden rundeten das Wochenende ebenso ab wie das unablässige Spielen von »When the Saints go marching in« durch das italienische Orchester. Die Botschaft beider Tage: Menschen, die miteinander gedenken, musizieren, reden und feiern, schießen nicht aufeinander.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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