WOCHENBLATT-Interview mit Landesinnenminister Thomas Strobl
»Die Koalition als Ganzes ist nicht in Gefahr«

Landesinnenminister Thomas Strobl  | Foto: Ein Mann mit klaren Positionen: Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU).swb-Bild: Laurence Chaperon
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Stockach/Stuttgart. Thomas Strobl (CDU) ist der Beklagte 2018 vor dem Stockacher Narrengericht, dem er im Rahmen der Verhandlung am »Schmotzigen Dunschdig«, Donnerstag, 8. Februar, Rede und Antwort stehen muss. Doch der baden-württembergische Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration und stellvertretende Ministerpräsident äußerte sich im WOCHENBLATT-Interview auch zu ernsten politischen, nicht-närrischen Fragen.

WOCHENBLATT: Bedroht der Streit um die Wahlrechtsreform die grün-schwarze Koalition?

Thomas Strobl: Die Landesregierung arbeitet verlässlich, vertrauensvoll und erfolgreich zusammen: So war es, so ist es und so bleibt es. Wir haben schon mehrfach, auch bei schwierigen, umstrittenen Themen, immer eine gute gemeinsame Lösung gefunden. So wird es auch bei diesem Thema sein. Kurzum: Ja, die Koalitionsfraktionen hatten freilich ein Problem miteinander, nein: die Koalition als Ganzes ist garantiert nicht in Gefahr.


WOCHENBLATT: Wie könnte der Streit in der Landesregierung Ihrer Meinung nach gelöst werden?

Thomas Strobl: Wir haben im Koalitionsausschuss gemeinsam verabredet, dass wir eine Arbeitsgruppe bilden, in der wir über alle Fragen des Koalitionsvertrages, auch über das Wahlrecht, sprechen. Wir wollen dazu dann mit den anderen Fraktionen, die im Landtag in der Opposition sind, ins Gespräch kommen – so wie es im Koalitionsvertrag steht. Das ist doch jetzt der richtige Weg, um über Lösungen zu sprechen.

WOCHENBLATT: Die Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen CDU/CSU und der SPD laufen. Sie haben aber klar gestellt: »Mein Platz ist in Baden-Württemberg«. Hat Sie ein Ministerposten in Berlin wirklich nicht gereizt?

Thomas Strobl: Nein, das habe ich vor knapp zwei Jahren definitiv entschieden. Ich habe eine wichtige Aufgabe in Baden-Württemberg, und die erfülle ich mit vollem Einsatz, gerne und mit ganzer Leidenschaft.

WOCHENBLATT: Sie waren CDU-Verhandlungsführer für die Themen Wirtschaft und Verkehr bei den Jamaika-Sondierungen in Berlin. Woran sind die Gespräche aus Ihrer Sicht gescheitert?

Thomas Strobl: Statt mit Vergangenem beschäftige ich mich lieber mit dem, was in der Zukunft liegt. Kurz gefasst, wird man wohl sagen müssen: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. An uns als CDU ist Jamaika jedenfalls nicht gescheitert – und ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir mit Jamaika viel für das Land hätten erreichen können. An den Grünen hat es übrigens auch nicht gelegen. Jetzt arbeiten wir intensiv und mit aller Kraft dafür, zusammen mit der SPD eine gute, stabile Regierung zu bilden.

WOCHENBLATT: Sie sind auch Minister für Digitalisierung. Es gibt mit Blick auf den Breitbandausbau noch viele »weiße Punkte« auf der Landkarte in der Region. Was wird zur Förderung der Digitalisierung im ländlichen Raum getan?

Thomas Strobl: Wir als Land investieren kräftig in die digitale Infrastruktur. Vor allem beim Breitbandausbau geben wir richtig Gas. Die flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet ist das Zukunftsthema und Voraussetzung für das Gelingen der Digitalisierung. Wir werden in dieser Legislaturperiode deshalb eine halbe Milliarde Euro in das superschnelle Internet für Baden-Württemberg investieren, insgesamt fließt eine Milliarde in die Digitalisierung. Wir nehmen also richtig viel Geld in die Hand – gut investiertes Geld in die Zukunft des Landes.

WOCHENBLATT: Zum Thema innere Sicherheit. Baden-Württemberg hat zu Jahresende eines der schärfsten Polizeigesetze Deutschlands verabschiedet, das auch das Abhören von Telefongesprächen und das Mitlesen von Nachrichten erlaubt. Sind das wirksame Mittel, um den Terrorismus zu bekämpfen, oder werden dadurch nicht grundlegende Rechte der Bürger verletzt?

Thomas Strobl: Deutschland steht im Fokus des islamistischen Terrors, wir haben es auch mit schwerer und schwerster Kriminalität zu tun. Als Staat ist unsere erste Aufgabe und Pflicht, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen. Darauf ist unser Handeln ausgerichtet. Nur eine sichere Gesellschaft ist auch eine freie Gesellschaft – Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit. Deshalb haben wir den Rechtsstaat gestärkt und unsere Sicherheitsbehörden konsequent mit mehr rechtlichen Möglichkeiten ausgestattet.

WOCHENBLATT: Nach ihrer Klausurtagung in Kloster Schöntal hat die CDU Baden-Württemberg mehr disziplinarische Durchgriffsmöglichkeiten für Lehrer und mehr Disziplin im Klassenzimmer gefordert. Wie können diese sehr theoretischen Forderungen in der Praxis umgesetzt werden?

Thomas Strobl: Die CDU Baden-Württemberg hat in Schöntal ihre sehr klaren bildungspolitischen Vorstellungen dargelegt. Selbstverständlich wird man in einer Koalition nicht alle eigenen Ideen und Vorstellungen eins zu eins umsetzen können. Das ist allen Beteiligten klar. Klar ist übrigens auch, dass unsere Kultusministerin Susanne Eisenmann eine ganz hervorragende Arbeit leistet.

WOCHENBLATT: Ein weiteres Anliegen ist die Stärkung des Frontalunterrichts. Ginge das nicht auf Kosten des selbstständigen Lernens?

Thomas Strobl: Meine Überzeugung ist, dass es beides braucht – in einer guten, ausgewogenen Balance.

WOCHENBLATT: Sie unterbieten Horst Seehofer und wollen »mit normalen Zugangszahlen« nur 65.000 Flüchtlinge pro Jahr ins Land lassen. Was machen Sie, wenn der 65.001. Flüchtling vor der Tür steht?

Thomas Strobl: Unser Ziel muss sein, die Flüchtlingszahlen deutlich nach unten zu entwickeln. Das hat die CDU 2015 auf ihrem Karlsruher Bundesparteitag versprochen – und wir haben Wort gehalten. Wir haben schon viel geschafft, wir sind aber noch nicht am Ziel. Ich mache mich dafür stark, dass wir wieder normale Zuzugszahlen bekommen. Es müssen nicht jedes Jahr 200.000 sein. 2012 kamen rund 65.000 Flüchtlinge. Diese Zahl hat uns nicht an Belastungsgrenzen gebracht, sie wurde von der Öffentlichkeit akzeptiert. Klar ist, wir geben denen Schutz, die tatsächlich schutzbedürftig sind. Aber auch wenn Deutschland ein starkes Land ist, gibt es eine Grenze der Aufnahmefähigkeit. Wir können denen, die unsere Hilfe brauchen, dauerhaft nur helfen, wenn wir nicht an die Belastungsgrenze in unserem Land gehen.

WOCHENBLATT: Sie haben eine ausgeglichene Verteilung sowie einheitliche Richtlinien und Leistungen für Asylbewerber im europäischen Vergleich gefordert. Wie soll das mit Mitstreitern wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Mihály Orbán machbar sein?

Thomas Strobl: Das Ziel ist klar: Die Zuzugszahlen deutlich und nachhaltig unten zu halten und weiter nach unten zu entwickeln. Dazu gehört ein funktionierender Außengrenzschutz, ohne wenn und aber, lieber gestern als morgen übrigens. Und freilich gehört eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa dazu, ebenso wie eine europaweite Vereinheitlichung der Asylverfahren einschließlich vergleichbarer sozialer Leistungen. Schwierige Aufgaben, klar, doch wenn alle in einer Großen Koalition für diese wichtigen Ziele die Ärmel hochkrempeln, dann werden wir unsere europäischen Partner gemeinsam überzeugen.

WOCHENBLATT: Sie treten für eine rigorose Abschiebepraxis ein – auch nach Afghanistan. Belastet diese Haltung nicht noch mehr den wackelnden Koalitionsfrieden in der grün-schwarzen Landesregierung?

Thomas Strobl: Unsere Landesregierung hat in dieser Frage eine klare und gemeinsame Haltung. Die Beurteilung der Sicherheitslage ist Sache des Bundes, namentlich des Auswärtigen Amtes. Diese Einschätzung war und ist für Baden-Württemberg maßgeblich. In jedem Einzelfall prüfen wir sorgfältig, ob ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder und Ausreisepflichtige, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern, nach Afghanistan zurückgeführt werden.

WOCHENBLATT: Wie stehen Sie zu einem Burka-Verbot?

Thomas Strobl: Natürlich ist das Tragen einer Burka abzulehnen – das passt nicht nach Baden-Württemberg, in unser weltoffenes Land. So wollen wir nicht leben. Wir wollen den Menschen ins Gesicht schauen können! Und beim Autofahren, vor Gericht und zu anderen Anlässen geht die Vollverschleierung aus nachvollziehbaren Gründen definitiv nicht!

WOCHENBLATT: Sie sind stellvertretender Ministerpräsident. Werden Sie bei den Landtagswahlen 2021 in Baden-Württemberg Ihrer Partei als möglicher Spitzenkandidat zur Verfügung stehen?

Thomas Strobl: Wir beantworten eine Frage nach der anderen, wann sie anstehen. Die Frage der Spitzenkandidatur 2021 steht jetzt noch nicht an. Ansonsten gilt, was ich eingangs sagte: Ich habe eine Aufgabe in Baden-Württemberg, und die erfülle ich mit hohem Arbeitseinsatz, leidenschaftlich, gerne.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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