Viele LeserInnen bewegt der Brand der Scheffelhalle
Erinnerungen für die Zukunft

Schildbach | Foto: Ein Bild vom Fastnachtsball 1952 von Wolfgang Schildbach, der oben übrigens Klavier spielte - und sich heute noch fraft wie es möglich war, das schwere Instrument in so luftige Höhen zu bekommen. swb-Bild: pr
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Singen. Eine Woche nach dem verheerenden Brand der Singener Scheffelhalle melden sich nach unserem Aufruf immer mehr Menschen aus der Region mit ihren Erinnerungen. Als Fingerzeit in die Zukunft, dass die Stadt die Halle einfach braucht. Es sind so viele Erinnerungen, dass es in der kommenden Woche nochmals eine Seite dazu im Wochenblatt geben wird.

»Kinderball, Lumpeball – alles in der Scheffelhall‘« Wafrö

de Kultur nicht nur ›vorgesetzt‹, sondern ›selbst gemacht‹ oder zumindest sehr oft ›selbst gelebt‹ und ›erlebt‹. Hier wurde zum ersten Mal »geknutscht« und »gehardrockt« – und nicht zum ersten Mal gehört, dass man Bach und Brecht, Schiller und Schorlemmer erst lernen muss, bevor man sie versteht ... Das unterscheidet sie von allen anderen ›höheren Kulturstätten‹ die wir so haben. Hier wurde nicht ›von oben nach unten‹ gegeigt, sondern ›auf einer Ebene‹ herumgetollt, herum-gepoppelet und gesungen (manchmal auch falsch) – deshalb muss sie wieder hergerichtet werden – kein Palast, einfach so wie sie war – und wie sie »jeder Hasenverein« wieder nutzen könnte. Ärmel aufkrempeln, und losgehts! Die Feuerversicherung müsste das doch auch so sehen und gerne was dazu geben, oder wa monned ihr?!?!« Klaus Michael Peter Singen/ Bonn

In einem Atemzug

»Mein Handy stand am 17. November nicht mehr still«, erinnert sich Gino Napoletano, ehemaliger Vorsitzender des Boxclubs Singen, an den Tag, als die Singener Scheffelhalle in Flammen aufging: »Ich war geschockt und mein Herz schmerzt über diesen Verlust«. Obwohl er seine Heimatstadt schon 2004 verlassen hat und heute mit seiner Familie in Stuttgart lebt und arbeitet, verbindet Napoletano viele Erinnerungen an die Zeit als BCS-Chef und an die heißen Boxnächte mit zahlreichen Erfolgen.
»Die Scheffelhalle war das Zuhause des Boxclubs. Ganz Singen hat die Scheffelhalle und den Boxclub in einem Atemzug genannt«, so Napoletano. Gino Napoletano, Singen/ Stuttgart

Eine »Heimat« für den Politischen Aschermittwoch

»Sie war ein 95-jähriges Provisorium. Sie war Treffpunkt und Heimat vieler Vereine. In ihr fanden Konzerte aller Musikrichtungen statt und aus vielen Bekanntschaften, die hier geschlossen wurden, wurden Ehen und Freundschaften, die oft ein Leben dauerten.
Und in der Scheffelhalle fand in diesem Jahr zum 10. Mal der »Politische Aschermittwoch« des Wochenblatts als Podiumsdiskussion statt. Aus der Taufe gehoben – auch als Provisorium – im Jahr 2011. Eine Landtagswahl stand bevor und wir wollten »alle zugelassenen Kandidaten« auf der Bühne der Scheffelhalle präsentieren.
Es sollte nicht sein, weil das Demokratieverständnis verschiedener Leute nicht übereinstimmte. Aber die Podiums-diskussion fand statt, in abgespeckter Version und sie war der Beginn einer zehnjährigen Erfolgsgeschichte, dem »Politischen Aschermittwoch« in der Scheffelhalle. Hans-Paul Lichtwald moderierte den ersten Politischen Aschermittwoch souverän und es folgten fünf weitere Veranstaltungen mit ihm als Moderator. Für Hans-Paul Lichtwald war der sechste politische Aschermittwoch des Wochenblatts krankheitsbedingt sein letzter. Als Moderatoren folgte 2017 Wolfgang Messner, 2018 der Schweizer Journalist Walter Studer, 2019 das Duo Walter Studer und Oliver Fiedler und 2020 moderierte Oliver Fiedler alleine. Die Brandruine der Scheffelhalle weckt Erinnerungen. Die Scheffelhalle glänzte nicht durch Technik, sondern sie hatte Atmosphäre. Dies wurde zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass sie am Aschermittwoch noch immer fastnächtlich und eindrücklich mit Bildern von Gero Hellmuth geschmückt war. Das Feedback unserer Podiumsgäste – egal ob Schriftsteller Wolfgang Schorlau oder Klaus Schramm, ehemaliger Leiter des Singener Arbeitsamtes, Klaus Moldenhauer, damals stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DAK, unsere politisch hochkarätigen Gäste aus der Schweiz, Oberbürgermeister, Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte sowohl auf dem Podium wie auch im Publikum – das Feedback war einhellig: die Scheffelhalle vermittelt Geborgenheit, sie war wie ein Zuhause. Egal welchen Standes man hier war: Hier war man Mensch – hier durfte man es sein. Und auch das, oder vielleicht gerade das, war wichtig für den Erfolg von zehn Jahren »Politischer Aschermittwoch« in der Scheffelhalle. »Du fehlst«, so endet Herbert Grönemeyers »Mensch« – dem ist nichts hinzu zu fügen und mir bleibt nur Danke zu sagen für all die schönen Erinnerungen mit tollen Menschen.
Peter Peschka, Singen

Ein bleibendes Erlebnis

»In der Scheffelhalle, der einstigen »guten Stube« meiner Heimatstadt, durfte ich 1949 als 14-jähriges Mädchen mein erstes, »richtiges Klassik-Konzert« erleben. Elly Ney, die damals berühmte Pianistin, spielte Beethovens Klavierkonzert es-Dur mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam geleitet von dem Dirigenten Willem van Hoogstraten. Was gab es denn zu feiern? 50 Jahre Stadternennung. Interessant wäre zu erfahren, wer welche Kontakte bewerkstellen konnte, dass ein so berühmtes Orchester ein Engagement für den »Festsaal Scheffelhalle« angenommen hat – gut, es war 1949, und nicht schon alles etabliert.
Bürgermeister Theopont Dietz und der Organisator des 50er Jubiläumsfestes, Ludwig Tiefenbrunner, Regisseur und Schauspieler, ein Singener und später »Sachbearbeiter des Kulturrates« im neu eingerichteten Kulturamt, waren damals vermutlich die »Kulturlenker«. Berta Mattes-Stoffel, Singen

Südafrika und bürgerschaftliches Engagement

Frühjahr 1986: Es war wenige Tage nach meinem Arbeitsbeginn im Kulturamt, als ein aufgeweckter Zivildiensleistender in mein Sekretariat kam und sagte, die aktiven jungen Leute wollen etwas gegen das seinerzeit rassistische Apartheidregime in Südafrika unternehmen. Wo wollten sie ihre Aktion starten? Natürlich in der Scheffelhalle, die damit zum ersten Mal in meinen aktiven Horizont trat. Der aktive Zivildiensleister hieß übrigens Oliver Fiedler, jetzt Chefredakteur des Singener Wochenblatts.
Dabei hatte es die Scheffelhalle bereits in dieser Zeit schwer. Die damalige Verwaltungsspitze wollte die Halle loshaben, man hatte auf die überdimensionierte Stadthalle gesetzt, die Anfang der 80er Jahre aber ein Bürgerentscheid abgelehnt hatte. Treue Befürworter waren die Mitglieder der Poppele-Zunft, die den Narrenspiegel und andere Veranstaltungen dort durchführten. Zwar goss der nicht enden wollende Narrenspiegel Ende der 80er Jahre viel Häme über neue Ansätze in der Stadtplanung und in der Kulturarbeit, aber junge aufgeklärte Poppele-Mitglieder ergriffen mit anderen kulturell Aktiven die Initiative und gründeten den Förderverein für die Scheffelhalle – eine Selbstverständlichkeit, dass ich diese Initiative unterstützte.
Die Scheffelhalle erlebte Kulturfeste zum 1. Mai, kurdische Neujahrsfeiern, Kabarettveranstaltungen der G.E.M.S, beispielsweise mit Gerhard Polt, eine von Carin von Plehwe moderierte Präsentation zum Tourismus in Slowenien und in der Singener Partnerstadt Celje oder die von der ganzen Stadt diskutierte Uraufführung des modernen Musiktheaters »Vomitorio«.
Die MusikerInnen der Südwestdeutschen Philharmonie aus Konstanz, die ein Jahr während des Umbaus der Aula des Hegau-Gymnasiums in der Scheffelhalle gastierten, wollten gar nicht mehr aus der Scheffelhalle herausgehen.
Die Scheffelhalle lebte immer vom kulturellen und bürgerschaftlichen Engagement, seit dem Sängerfest, das sie erbaut hat. Dieses Engagement überdauert auch Brandkatastrophen. So haben Peter Adrian Gäng und die Freunde der Scheffelhalle eine Petition für den Wiederaufbau der Scheffelhalle auf den Weg gebracht. Das ist genau der richtige Weg. Genauso wie sich Singen nach mehreren kompletten Zerstörungen und Bränden in seiner über 1200-jährigen Geschichte immer wieder aufrappelte, so wird es auch die Scheffelhalle schaffen: bürgerschaftliches Engagement erbaut die neue, schönere und brandsichere Scheffelhalle.

Prof Dr. Alfred G. Frei (em), ehemaliger Kulturamtsleiter in Singen, jetzt in Merseburg

Drei Generationen Scheffelhalle

m Zunftball 1950 lernten sich unsere Eltern Werner und Gisela kennen und lieben.
1951 bekamen sie bei der berühmten Maskenprämierung der Poppelezunft den 2. Preis als junges und frohes Gärtnerpaar. 1953 kamen die beiden auf Platz 1 als Jägerpaar. Sie waren voller Stolz und haben uns Kindern oft davon erzählt.
Wenige Jahre danach folgte der Nachwuchs. Erst Bettina und dann ich Diane , zwei närrische Töchter. Bettina ist bis heute treues Rebwieb und ich habe mit meinen Mädelsgruppen über viele Jahre mit tollen Kostümen Freude und Spaß in der Scheffelhalle gehabt. Wir hatten über 40 Jahre traumhafte Bälle im »Stall der Ställe«, die wir nie vergessen werden.
Drei Jungs folgen in der 3. Generation und genossen als Zunftgesellen und Hansele bis heute so wie ihre Großeltern und Eltern geniale Zeiten in der guten alten Halle die sie heute schon vermissen. Die Scheffelhalle hat unseren drei Generationen wunderbare Zeiten geschenkt. Wir hoffen das das gute Stück in ähnlicher Form wieder aufgebaut wird. Diane Bölle, Singen

Goldene Zeiten des Rock

In seinen Schubladen hat da ganz plötzlich auch der Singener Werner Gohl als Mitglied des Scheffenhallen-Fördervereins gekramt. Er hatte nämlich von einem anderen Mitglied eine Sammlung alter Eintrittskarten überlassen bekommen, damit diese einmal auf der Homepage des Vereins präsentiert werden sollten. Doch wie es manchmal passiert, gerieten diese erst mal in Vergessenheit. Erst jetzt kamen sie schlagartig wieder in die Erinnerung. Und tatsächlich: die Sammlung umfasst doch eine ganze Reihe großer Namen, die dank der Halle unter dem Hohentwiel Station machten. Vielen unvergessen ist da zum Beispiel der Auftritt einer Band Namens »AC/DC« zu einer Zeit, da die Australier aus Perth noch ein Geheimtipp waren. Am 30. September 1977 waren sie in Singen zu Gast. Aber auch andere große Namen sind auf den Eintrittskarten zu finden. Zum Beispiel das Projekt »Birth Control« am 24. April 1977, die Band »Golden Earring« am 3. März 1985. Das Deep-Purple Nachfolgeprojekt »Whitesnake« mit John Lord persönlich gastierte ebenfalls unter dem Hohentwiel, »Nazareth« war 1983 zu Gast gewesen. Und das sind nur einige Beispiele.

Werner Gohl, Singen

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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