Wirtschaftskammer kritisiert die zögerliche Erleichterung des Grenzverkehrs trotz »Grenzöffnung«
IHK: noch kein Licht am Ende des Tunnels

Grenzzaun Klein Venedig | Foto: Der Grenzzaun auf Klein Venedig soll zwar am Wochenende wieder abgebaut werden, leichter über die Grenze kommt man deswegen aber noch nicht, kritisiert die IHK. swb-Bild: of
  • Grenzzaun Klein Venedig
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Kreis Konstanz. Die Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee ist alles andere als zufrieden mit der Entscheidung von Bundesinnenminister Horst Seehofer am Mittwoch, die Öffnung der Grenzen zu den Benelux-Ländern schon am Samstag zu vollziehen, zur Schweiz und zu Österreich aber gerade einmal für Mitte Juni in Aussicht zu stellen.
„Wir freuen uns über das Licht am Ende des Tunnels, können unsere Enttäuschung über die Länge dieses Tunnels aber nicht verbergen“, sagt Prof. Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftskammer. „Der Innenminister hat mit keinem Wort erwähnt, geschweige denn begründet, warum wir an der Grenze zur Schweiz, anders als an der zu Luxemburg oder zu den Niederlanden, weitere vier Wochen zuwarten sollten.“

„Die Voraussetzungen für eine vollständige Rückkehr zum freien Reiseverkehr waren und sind nach unserer Überzeugung zur Schweiz und zu Österreich bereits jetzt gegeben. Wenn nun bis zum 15. Juni lediglich einzelne Erleichterungen für spezifische Personengruppen verhandelt werden sollen, bleibt das hinter unseren Erwartungen deutlich zurück. Für unsere Grenzregion, aber auch für die Nordschweiz ist jeder Tag, an dem wir ohne Not die Rückkehr zur wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Normalität versäumen, ein verlorener Tag und ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Schaden.“
Es nütze der Region wenig, wenn zwar alle Grenzübergänge wieder geöffnet würden, aber weiterhin nicht frei genutzt werden dürften. Nach wie vor soll es dafür eines „triftigen“ Grundes bedürfen, nach wie vor gibt es absurde Anforderungen an Verwandtschaftsbeziehungen und „durch Urlaubsfotos nachzuweisende“ Freundschaftsintensitäten, die von den Grenzbeamten als Voraussetzung des Grenzübertritts geprüft werden müssen. Dass die Kontrollen jetzt nur mehr stichprobenartig erfolgen sollen, wirft dabei weit mehr Fragen auf, als es beantwortet.

„Der Eingriff in die Persönlichkeits– und Freiheitsrechte der Bürger und in die Beschränkung der allgemeinen Dienstleistungsfreiheit ist erheblich. Entsprechend hoch müssen die Voraussetzungen dafür sein und entsprechend streng muss die Prüfung ausfallen, ob sie gegeben sind“, ist Marx überzeugt. Die epidemiologische Situation rechtfertige die Versagung der im Schengenraum verbrieften Freizügigkeit nicht mehr. Alle relevanten Parameter seien dies und jenseits der Grenze vergleichbar. Dann aber sei nicht einzusehen, warum die Grenzregion am Hochrhein weiter hingehalten werde.

„Wir fordern deshalb mit Nachdruck, schon jetzt auf das Bestehen und Prüfen eines ‚triftigen‘ Grundes für den Grenzübertritt ersatzlos zu verzichten. Jeder Bürger, der von Konstanz nach Kreuzlingen fährt oder in Laufenburg über die Brücke geht, hat dafür einen Grund. Weder ihm, noch den Grenzbeamten ist es weiter zuzumuten, diesen Grund einer wertenden Betrachtung zu unterziehen und davon abhängig zu machen, ob das europäische Grundrecht der Personenfreizügigkeit versagt wird oder nicht.“

„Diese Praxis ist nicht nur beschämend und bedroht die so wichtige Solidarität der Bevölkerung in der Corona-Krise, sie ist auch rechtlich mehr als fragwürdig. Der Schengen-Kodex erlaubt Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nur als „letztes Mittel“ zur Abwendung einer Gefahr für die innere Sicherheit oder öffentliche Ordnung. Daran fehlt es an der deutsch-schweizerischen Grenze augenscheinlich. Erst recht kann eine solche Gefahr nicht davon abhängen, ob und wie sehr sich zwei Menschen verbunden fühlen“, betont Marx. Zudem müssten die Lockerungen im Inneren kohärent zu denen an der Außengrenze ausfallen. „Es kann nicht sein, dass ich im Inland nach Belieben von Friedrichshafen nach Flensburg fahren kann, ohne dass darin eine epidemiologische Gefahr gesehen wird, nicht aber von Konstanz nach Kreuzlingen.“

Die Industrie- und Handelskammer hatte sich im Vorfeld der Entscheidung gemeinsam mit zehn Wirtschaftsorganisationen rund um den Bodensee für eine vollständige Grenzöffnung stark gemacht, darunter auch die Wirtschaftskammern in Vorarlberg, St. Gallen, dem Thurgau, Zürich und Basel.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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