Doppelbelastung kann für Eltern Nervenaufreibend sein
Im Homeoffice: Aushilfslehrer im Nebenjob

Homeoffice | Foto: Kinderbetreuung im Homeoffice kann eine große Herausforderung darstellen. swb-Symbolbild: Adobe-Stock
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Landkreis Konstanz. Für viele Eltern stellt der dauerhafte Spagat zwischen Homeoffice und Homescooling eine enorme Belastung dar. Nach einem Aufruf des Wochenblatts meldeten sich mehrere Betroffene und erzählten der Redaktion ihre Leidensgeschichte. Eine von ihnen ist Simone Kerner, die aufgrund der Doppelbelastung am Ende sogar ihren Job kündigen musste.

Simone Kerner steht beispielhaft für viele Eltern, deren Kinder seit Monaten nicht in die Schule gehen konnten. Warum der Spagat zwischen Homeoffice und der Funktion als Aushilfslehrerin für ihre beiden Kinder am Ende dazu geführt hat, dass sie ihren Job aufgeben musste, berichtet sie im Gespräch mit dem Wochenblatt. Simone Kerner lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern im Alter von 14 und 16 Jahren im Wochenblatt-Land. Ihr Name wurde von der Redaktion geändert, da sie anonym bleiben möchte. Bis zum Februar dieses Jahres hatte sie eine sehr gut bezahlte Stelle in einem großen Pharmakonzern in der Schweiz, konnte vor Corona an zwei Tagen in der Woche von zu Hause aus arbeiten, den Rest im Büro nahe der Grenze.

Die beiden Kinder besuchen die Realschule und das Gymnasium vor Ort. »Unsere Tage vor der Pandemie waren strukturiert und es gab eine gute Mischung aus Schule und Arbeit, Familienzeit und Freizeit«, berichtet die Mutter. Doch schon während der ersten und zweiten Infektionswelle, dem Spagat zwischen einem 80 Prozent Job im Home-Office auf engstem Raum mit ihrem Mann, der ebenfalls in Vollzeit von zu Hause aus arbeiten musste, und der »Aushilslehrer-Tätigkeit« für die Kinder, sei sie an ihre Belastungsgrenze gekommen.

Schulen waren nicht gut vorbereitet

»Beide Schulen waren nicht gut auf das Homeschooling vorbereitet. Online-Konferenzen konnten sehr lange gar nicht stattfinden, erst waren es technische Probleme an den Schulen durch fehlendes Equipment, dann hieß es, es wäre auch aus Datenschutzgründen schwierig. Eines unserer Kinder bekommt teilweise heute noch nur Arbeitsblätter zugeschickt, es gibt nur von sehr wenigen Lehrern eine Überprüfung, ob diese Arbeitsblätter auch bearbeitet werden oder nicht. Einige Lehrer tauchen auch gar nicht online während einer Schulstunde auf oder es wird gesagt, dass der derzeitige Stoff sich nicht für das Homeschooling eignet. Dann entfallen diese Schulstunden komplett. Manchmal wird auch nur ein Link für ein kurzes YouTube Video geschickt, den Rest der Schulstunde können die Kinder sich dann anderweitig beschäftigen«, schildert Simone Kerner. die Situation.

Spagat zwischen Job und Homeschooling

Aus diesem Grund seien sie und ihr Mann immer zwischen der eigenen Arbeit und den Kinderzimmern hin und her gerissen, um den Überblick zu behalten, ob die Kinder arbeiten oder ihre Zeit am Laptop mit spielen oder chatten verbringen. Der Medienkonsum der Kinder habe sich während der Pandemie »gewaltig« erhöht, nicht zuletzt durch den zusätzlichen Konsum am Vormittag. »Das macht uns große Sorgen«, sagt Kerner.
Ausgleichsmöglichkeiten in der Freizeit wie Hundeschule, Tanzschule oder Fußballtraining fallen natürlich pandemiebedingt ebenfalls flach. »Sowohl wir Eltern als auch die Kinder haben dadurch nur noch wenige soziale Kontakte, das erhöht natürlich das Konfliktpotential«, betont Kerner.
Die Belastung durch den anspruchsvollen Job im Home-Office und die neue Verantwortung als Aushilfslehrer für unsere Kinder hat sie schließlich während der dritten Pandemiewelle veranlasst, ihre Arbeitsstelle zu kündigen, »bevor ich ganz zusammenbreche«, sagt Kerner und betont: »Nun bin ich eine Nummer mehr in unserer Arbeitslosenstatistik, leider wird das nicht als Coronafolge verbucht«.

Kinder haben keine Lobby

In »normalen« Zeiten hält Kerner das Homeoffice durchaus für ein gutes Modell, schließlich bringe es auch Vorteile wie eingesparte Zeit für Fahrten zur Arbeitsstelle und mehr zeitliche Flexibilität. Während der Pandemie allerdings mit Kindern im Home-Schooling werde es ganz schnell zur Belastung auch durch die soziale Distanzierung, die in der Freizeit nicht ausgeglichen werden kann, sagt Kerner.
Für sie sind insbesondere die Kinder und Jugendlichen die Leidtragenden dieser Pandemie. »Sie dürfen nicht zur Schule gehen, ihre Freunde nicht mehr sehen, haben keine Angebote von Vereinen mehr, selbst der Kommunions- und Konfirmandenunterricht findet online statt. Unsere Kinder haben keine Lobby, zahlen keine Steuern, gehen nicht zur Wahl, deshalb wird die Politik weiterhin wegsehen. Wir alle sollten uns einmal überlegen, welche Kollateralschäden durch die Maßnahmen entstehen und was es mit unseren Kindern macht«, so das plädoyer von Simone Kerner.

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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