„Engagiert im Dreiländereck“ im Milchwerk / Landrat pessimistisch
Integration geht nur in drei Dimensionen

Engagiert im Dreiländereck | Foto: Dr. Misun Han-Broich unterstrich im Eröffnungsreferat der Ehrenamtskonferenz für Flüchtlingshelfer im Radolfzeller Milchwerk die große Bedeutung emotionaler Integration. swb-Bild: of
  • Engagiert im Dreiländereck
  • Foto: Dr. Misun Han-Broich unterstrich im Eröffnungsreferat der Ehrenamtskonferenz für Flüchtlingshelfer im Radolfzeller Milchwerk die große Bedeutung emotionaler Integration. swb-Bild: of
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Radolfzell. Erstmals hat es am Samstag im Radolfzeller Milchwerk eine Regionalkonferenz für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe rund um den See gegeben. Anja Kurz, Ehrenamtsbeauftrage im Landratsamt, war eine der maßgeblichen Orgnisatoren dafür. Dort waren auch Vertreter von Helferkreisen von den anderen Seeseite wie auch aus der benachbarten Schweiz und Vorarlberg zum Austausch eingeladen. Sie konnten die Möglichkeit gemeinsamer Workshops nutzen zu den verschiedensten Themen wie der Hilfen auf dem Weg ins Arbeitsleben, der Entgegnung rechtsorientierter Tendenzen, wie mit abgelehnten Asylbewerbern umgegangen werden kann oder auch den oft traumatischen Erfahrungen der Flüchtlinge. Zudem bot ein „Markt der Möglichkeiten“, bei dem sich verschiedene Helferkreise präsentierten auch die Chance, über den Tellerrand der eigenen Arbeit hinauszublicken.

Landrat Frank Hämmerle dankte den Mitgliedern der Helferkreise in seiner Begrüßung für ihre Arbeit, denn der Landkreis könne so etwas niemals bezahlen. Er zeigte sich zu weitere Bewältigung der großen Flüchtlingswelle von 2015 allerdings auch pessimistisch, ob das zu schaffen sei. Zu einen sagte er, dass die Realitäten nach der Euphorie der Willkommenskultur nun eben auch in den Helferkreisen angekommen sein. Und bei der anstehenden Anschlussunterbringung für anerkannte Asylanten würden für 2018 alleine 1.000 Wohnungen fehlen, die die Gemeinden und Städte stellen müssten. Weiterhin rechnet Hämmerle damit dass der Sozialetat des Landkreises durch Leistungen für Flüchtlinge und Asylanten im kommenden Jahr um bis zu 15 Millionen belasten könnten. Der Sozialetat beträgt im Kreishaushalt aktuell rund 160 Millionen Euro. Das Land komme für diese Mehrkosten nicht auf, so dass das letztlich an eine Erhöhung der Kreisumlage gehe. Das Thema war dann auch Gegenstand der Sitzung des Kreistag-Sozialausschuss, wo ein Plus von vier Prozent Kreisumlage prognostiziert wurde. Landrat Frank Hämmerle sieht hier freilich das Land weiter in der Pflicht, da der Kreis wie die Gemeinden die Flüchtlingshilfe schließlich nicht bestellt hätten.

Auf der Regionalkonferenz sollte es aber um viele andere Themen gehen. In einem Eingangsreferat für die rund 100 Teilnehmer der Konferenz machte Dr. Misun Han-Broich deutlich, dass Integration nur in drei Dimensionen gelingen könne. Während sie die ganzen administrativen Dinge wie den Umgang mit Behörden und ähnlichem in den Beinen Verordnet, und das Thema Sprache natürlich im Kopf, spielt für sie Bauch, beziehungsweise die emotionale Ebene eine sehr zentrale Rolle. Denn letztlich spielten Genehmigungen oder auch die Sprache und selbst ein Arbeitsplatz weniger ein Rolle, wenn sich die Personen ausgegrenzt fühlen, minderwertig, oder auch noch manches Trauma bewältigen müssten. In einer großen Studie, zu der auch Interviews mit Flüchtlingen gehörten, sei sie auf einige Menschen gestoßen, die zwar schon die Sprache recht gut beherrschte, aber sich trotzdem unwohl oder ungebeten fühlten. Und das würde letztlich eine emotionale Integration blockieren. Das betreffe nicht nur Flüchtlinge. Sie hat diese „Integrationsunwilligkeit« auch bei Menschen mit Migrationshintergrund erlebt, die sogar hier geboren sind. Und nicht selten sei ein verstärktes Festhalten an die bisherige ethnische, religiöse oder kulturelle Identität die Antwort. Und gerade hier sieht Misun Han Broich den wichtigen Part der ehrenamtlichen Helferkeise, die aus einen ES ein DU machten, die selbst auch bereit seien, in solchen Beziehungen den eigenen Horizont zu erweitern. Und das sei nötig: die Helfer – die meist einer Mittel- oder Oberschicht angehören, würden den Flüchtlingen sonst nie im Leben begegnen wenn diese nicht hier gelandet wären. Aus ihrer Sicht kann die Engagementpolitik eine Arbeit leisten, zu welcher der Staat nie imstande sei. Deshalb sollten die Helfer in ihrem Selbstbewusstsein nie als Lückenbüßer fühlen sondern als Assistenten und sich klar sein, dass etwas tun, was sonst niemand anderes kann. Beispiele dafür gab es in den folgenden Runden eine ganze Menge, denn engagierte Flüchtlingsarbeit kennt um den See offensichtlich keine Grenzen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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