Bene Müller (Solarcomplex) und Markus Bihler (Forum Hegau Bodensee) mit ihren Argumenten
Kontrovers: Windkraft - Ja oder Nein?

Bene Müller | Foto: Bene Müller ist Vorstand von solarcomplex und setzt sich seit über 20 Jahren für einen Umstieg von fossilen und atomaren auf erneuerbare Energien ein. swb-Bild: Solarcomplex
2Bilder
  • Bene Müller
  • Foto: Bene Müller ist Vorstand von solarcomplex und setzt sich seit über 20 Jahren für einen Umstieg von fossilen und atomaren auf erneuerbare Energien ein. swb-Bild: Solarcomplex
  • hochgeladen von Oliver Fiedler

Bergwind und Gegenwind

Manchmal weht ein rauer Wind über den Hegau, wenn zum Beispiel über Windkraftanlagen hitzig diskutiert wird. Drei von ihnen stehen in Wiechs am Randen, weitere drei bis vier sollen bei Stetten entstehen.
Mit Bene Müller vom Singener Energieunternehmen solarcomplex zeigt ein überzeugter Windkraft-Befürworter und -Unternehmer seine Argumente auf und Markus Bihler als leidenschaftlicher Gegner von Windkraftanlagen will die Landschaft nicht verspargelt sehen.

Bene Müller: »Ohne Windkraft werden wir dieses Paradies verlieren«

Die Klimaerwärmung findet real statt. Die globale Mitteltemperatur ist gegenüber dem vorindustriellen Wert bereits um etwa 1 Grad angestiegen. Über Landflächen, auch bei uns in Süddeutschland, werden sogar schon 1,5 – 2 Grad erreicht. Dennoch sind Politik und Wirtschaft trotz zahlreicher Bekenntnisse zu den Klimaschutzzielen (insbesondere dem Pariser 1,5-Grad-Ziel für 2050) weit von einem entschlossenen und vorbeugenden Handeln entfernt. Auch vielen Bürgern ist die Dringlichkeit, die Klimaerwärmung in Grenzen zu halten, nicht bewusst. Gelingt die Eindämmung der Klimaerwärmung nicht innerhalb der bekannten Zeitschiene bis spätestens 2050, ist mit katastrophalen Auswirkungen auch in unserer – bisher nur glimpflich betroffenen – Region zu rechnen.
Innerhalb dieses Gesamtbildes macht weder der Landkreis Konstanz noch das Bundesland Baden-Württemberg eine gute Figur. Beim Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor liegt der Landkreis bei ca. 20 Prozent, BW bei ca. 26 Prozent. Deutschland gesamt hat immerhin rd. die Hälfte erreicht. Hinzu kommt, dass der Strombedarf steigen wird, weil elektrische Energie zunehmend im Mobilitäts- und Wärmesektor eingesetzt wird und zusätzlich die Industrie
(z.B. Chemie und Stahlerzeugung) grünen Wasserstoff einsetzen will. Dabei ist es unerheblich, ob e-Fahrzeuge Batterien oder Wasserstoff als Speicher nutzen, da auch Wasserstoff erst hergestellt werden muss und dafür grüner Strom als Ausgangsenergie benötigt wird. Für die Energiewende benötigen wir sehr viel Strom aus sauberen Quellen.
Wind- und Solarstrom sind in großen Mengen und zu geringen Kosten verfügbar und benötigen relativ wenig Fläche. So kann ein Windrad heutiger Bauart an einem Standort in Süddeutschland bis zu 10 Mio. kWh pro Jahr erzeugen, die Aufstellfläche inkl. Zuwegung hierfür beträgt knapp 1 Hektar. Wind und Sonne sind die Arbeitspferde einer zukünftigen regenerativen Energieversorgung.
Im zukünftigen Energiemix wird beim Wind der größere Teil der installierten Leistung nördlich der Mainlinie sein, bei der Sonne umgekehrt. Das ergibt sich aus der Topographie und den Potentialen. Es macht aber ausdrücklich keinen Sinn, im Süden ausschließlich auf die
Sonne zu setzen, weil diese ihre Energie nur tagsüber und überwiegend im Sommer anbietet. Beim Wind ist es umgekehrt: tags und nachts und überwiegend im Winterhalbjahr. Daher ist für eine funktionierende klimafreundliche Stromversorgung auch in Baden-Württemberg ein gewisser Anteil an Windstrom unerlässlich. Alle Energieszenarien für ein klimaneutrales Deutschland kommen zu diesem Ergebnis. Wir sollten auf die Wissenschaft hören.
Gegen die Windkraft werden viele Argumente angeführt, die ganz überwiegend einem Faktencheck nicht standhalten. Übrig bleibt am Ende das Landschaftsbild, dieses wird sich durch den Anblick von 200 m hohen Windrädern tatsächlich ändern. Wir sollten uns in dieser Debatte aber vor Augen halten, dass sich unsere Landschaft immer und in den letzten 100 Jahren massiv verändert hat. Durch Straßen- und Schienenwege, Industriegebiete und Hochspannungstrassen, Kraftwerke und Tagebaue, etc. Dieser »ewige Wandel« setzt sich aktuell durch Treibhäuser, Apfelplantagen mit Hagelnetzen und eben Windräder fort. Es ist vernünftig und moralisch geboten, die geeigneten Windkraftstandorte auch in unserer Region zu identifizieren und diese mit modernen Anlagen zu nutzen. Idealerweise durch Stadtwerke und Bürgerenergieunternehmen von hier mit einer hohen regionalen Wertschöpfung. Wenn wir den Bau von Windkraftanlagen ablehnen, werden wir dieses Paradies verlieren.
Mehr unter www.solarcomplex.de
Bene Müller

Markus Bihler: Windräder im Hegau sind uneffektiv und nicht klimarelevant

Windkraft im Hegau kann fast nichts zum Klimaschutz beitragen, denn in dieser Region liegt der Anteil erneuerbarer Stromerzeugung durch Wasserkraft vom Rhein schon heute bei herausragenden 58 Prozent und der Anteil fossiler, klimaschädlicher Stromerzeugung bei nur 6 Prozent. Das CO2-Einsparpotenzial ist also minimal.
Aus gutem Grund wird diese Tatsache von der lokalen Windindustrie-Lobby und politischen Aktivisten totgeschwiegen. Hinzu kommt, dass im Hegau, dem bundesweit schwächsten Windgebiet, die Wechselhaftigkeit der Windkraft («Flatterstrom») bereits jetzt zu einer Kannibalisierung der Wasserkraft führt: Bei starkem Wind reduziert nämlich das Wasserkraftwerk in Rheinfelden zum Ausgleich seine Leistung »um bis zu 50 Prozent« (Zitat Energiedienst der EnBW) – das Rheinwasser fließt also ungenutzt ab, konstant verfügbare Wasserkraft wird durch wechselhafte Windkraft kannibalisiert. Diese Unzuverlässigkeit bedeutet auch, dass mit Windstrom kein einziger Haushalt sicher versorgt werden kann. Die beliebte Behauptung der Windindustrie-Lobby, dass die Windräder in Tengen etwa 20.000 Menschen (alle Bürger von Tengen, Engen und Hilzingen) mit Strom versorgen könnten, ist irreführend. Was sollen stromlose Bürger tun, wenn der Wind gerade nicht weht? Der Stromertrag der Windräder bei Tengen liegt über die ersten drei vollen Betriebs-
jahre 7 Prozent unter der Prognose, obwohl die Windmessungen der Meteo Swiss sogar 8 Prozent über dem 34-jährigen Mittelwert lagen. Das Minus dürfte bei den geplanten Anlagen am Hegaublick noch grösser ausfallen, denn dort sind die Ertragsprognosen noch übertriebener, obwohl  Tengen im Windatlas der Landesregierung als «geeignet» und der Hegaublick als «ungeeignet» eingestuft wurde. Das Umweltministerium Baden-Württemberg sieht aufgrund niedriger Windgeschwindigkeiten nur eingeschränktes Potential für Windkraft im Kreis Konstanz (Offizielle Antwort des Umwelt-
ministeriums zur Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Jürgen Keck).

Dass Windkraft in unserer Schwachwindregion von finanziell interessierter Seite forciert wird, liegt an den üppigen Subventionen auf Kosten aller Stromkunden und am Missbrauch des Themas Klimawandel durch opportunistische Politiker. Windkraft im Hegau ist nicht nur überflüssig, sondern auf vielfache Weise schädlich. Da moderne Windräder dreimal so hoch sind wie der Turm des Radolfzeller Münsters, verändern sie das einmalige Hegauer Landschaftsbild drastisch. Immobilien verlieren im Umfeld von Windrädern an Wert. Besonders beeinträchtigt werden Tourismus und Naherholung, was offensichtlich ist und in Studien aus anderen Regionen nachgewiesen wurde. Die Region und ihre Infrastruktur lebt wesentlich von Bewirtung und Beherbergung, inklusive Bäckern, Metzgern, Baufirmen und vielen anderen Zulieferfirmen, welche Umsätze, Löhne und Steuern generieren. Dies wegen eines ministerial als gering bestätigten Potentials für Windräder aufs Spiel zu setzen, ist politisch unzulässig.

Die drehenden Rotoren töten Vögel, Fledermäuse und laut DLR-Institut für Technische Thermodynamik bundesweit bis zu 5–6 Milliarden Insekten pro Tag. Waldrodungen für Windräder setzen viel CO2 frei, ebenso wie ihr Bau und Rückbau (allein die Fundamente verschlingen Tausende Tonnen Stahl und Beton). Die gigantischen Rotoren aus untrennbaren Verbundstoffen lassen sich nicht recyclen, sondern werden als Sondermüll «entsorgt».

Tatsächlich zählen Hegau und Bodensee zu den sonnenreichsten Regionen in Deutschland. Die sinnvollste Alternative zur Windkraft ist daher die Photovoltaik. Diese Technologie ist – auf gleichen Stromertrag bezogen – wesentlich preisgünstiger als Windkraft und regional geeignet. Das Forum Hegau-Bodensee unterstützt den Ausbau speicherbarer Photovoltaik und sinnvoller Technologien, als nachhaltige Alternative zur schädlichen und überflüssigen Windkraft.
Ausführliche Informationen gibt es unter: www.forum-hegau-bodensee.de
Markus Bihler

Bene Müller | Foto: Bene Müller ist Vorstand von solarcomplex und setzt sich seit über 20 Jahren für einen Umstieg von fossilen und atomaren auf erneuerbare Energien ein. swb-Bild: Solarcomplex
Markus Bihler | Foto: Markus Bihler, ist Gründer und ehrenamtlicher Sprecher des Forums Erneuerbare Energien Hegau-Bodensee. Beruflich ist er international tätig mit der Entwicklung und Produktion umweltfreundlicher Kaffeeverpackungen und nachhaltigen Alternativen zu umweltbel
Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

8 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.