Radolfzeller demonstrieren für bezahlbaren Wohnraum / Bürgerforum Bauen kritisiert Stadt
Lebendigkeit statt exklusiver »Schuhschachtelbauten«

Deutliche Kritik an der Radolfzeller Baupolitik gab es am Freitag Nachmittag bei einem Demonstrationszug. | Foto: Deutliche Kritik an der Radolfzeller Baupolitik gab es am Freitag Nachmittag bei einem Demonstrationszug. Peter Schubkegel vom Bürgerforum Bauen mahnt an, dass zwar rege gebaut werde, aber dabei »kaum bezahlbarer Wohnraum entsteht, sondern Luxuswohnungen.
  • Deutliche Kritik an der Radolfzeller Baupolitik gab es am Freitag Nachmittag bei einem Demonstrationszug.
  • Foto: Deutliche Kritik an der Radolfzeller Baupolitik gab es am Freitag Nachmittag bei einem Demonstrationszug. Peter Schubkegel vom Bürgerforum Bauen mahnt an, dass zwar rege gebaut werde, aber dabei »kaum bezahlbarer Wohnraum entsteht, sondern Luxuswohnungen.
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Radolfzell (rab). Das Lied hat das Zeug zum absoluten Ohrwurm – doch nicht nur deshalb hallt es noch lange nach. Denn das, worüber Sören Hild bei der von Marcus Greineder organisierten Demonstration für mehr Raum für Kultur, Kleingewerbe und bezahlbares Wohnen in Radolfzell sang, war zu tiefgründig, um eine oberflächliche Eintagsfliege zu sein. »City full of gold« hieß sein Song, der von einer Stadt erzählte, die zwar reich ist, aber dennoch arm – da sie dem Geld einen höheren Stellenwert einräumt als den Menschen, die in ihr leben und sie lebendig machen. In weniger als 24 Stunden hat Hild den Song geschrieben – was natürlich eine Talentsache ist, aber auch von einer ungeheuren Leidenschaft zeugt, die das Thema »Bezahlbares Wohnen« hervorruft. Und genau diese Energie legten auch die Bürger an den Tag, die sich an der Demonstration beteiligten. Es war deutlich zu spüren: Dieses Thema brennt den Leuten auf der Seele. Zahlreiche Teilnehmer meldeten sich bei der abschließenden Kundgebung auf dem Marktplatz zu Wort.

Dabei wurde deutlich: In Radolfzell wächst der Frust darüber, dass zwar eifrig gebaut wird – aber gleichzeitig immer mehr Menschen händeringend ein Dach über dem Kopf suchen, das sie sich noch leisten können. Darüber hinaus kam der bevorstehende Abriss der Kultkneipe »Tanke« auf dem Schützenareal zu Wort, auf dem neue Wohnungen entstehen sollen. Kritisiert wurden zudem die Pläne der Stadt für den Kapuzinerweg sowie das Projekt »See-Villen« auf dem ehemaligen Aldi-Areal in der Friedrich-Werber-Straße.»Es wird ein wahnsinniges Bauvolumen realisiert«, verdeutlicht Peter Schubkegel von der Initiative »Bürgerforum Bauen Radolfzell (BBR)«, »aber es entsteht kaum bezahlbarer Wohnraum, sondern Luxuswohnungen.« Der ehemalige Unternehmensberater befürchtet, dass sich die Stadt auf lange Sicht hin verzockt, »wenn sie aus Geldmangel ihre Filetgrundstücke an vermögende Investoren verkauft«. Überhaupt, dieses Wort »Investoren«: »Das kann ich nicht mehr hören«, meint Schubkegel. »Für mich sind das Händler. Die sind nicht langfristig an etwas interessiert, sondern kaufen und verkaufen lediglich.« Dabei bleibe das Wohl der Bürger auf der Strecke.

Wohnungsmangel durch Luxuswohnungen

Die hochpreisigen Wohnungen, die auf den Arealen in der Stadt entstehen, hätten zudem einen Sogeffekt auf die umliegenden Gebäude, erklärt Peter Schubkegel: »In dem Moment, wenn eine Luxuswohnung an einem Ort entsteht, steigen auch die Preise der Wohnungen links und rechts davon, da das Viertel aufgewertet wird. Es klingt absurd, aber: Dadurch, dass so viel gebaut wird, entsteht Wohnungsmangel«, erklärt er. »Die bezahlbaren Wohnungen werden zur Mangelware.« Hinzu komme, dass sich die Stadt seiner Meinung nach dem Risiko einer Immobilienblase aussetze: »Wenn etwa die Zinsen plötzlich steigen, verkaufen die Anleger ihre Immobilie schnell wieder, was zu Preisverfall und Leerständen führt. Das habe ich im Rhein-Main-Gebiet erlebt«, berichtet Schubkegel. Deshalb benötige die Stadt seiner Meinung nach dringend ein umfassendes Gesamtkonzept, um den Ausverkauf ihrer baulichen Schätze und »billige Schuhschachtelbauten« zu verhindern.

Stadt arbeitet an Lösung

Ein Schritt in diese Richtung sind die »baulandpolitischen Grundsätze für Planungsinteressenten«, die die Stadt auf den Weg bringen will. Dabei handelt es sich um grundsätzliche Vereinbarungen zwischen der Stadt, Bauherren und Investoren. Festlegen will die Verwaltung unter anderem, dass die Käufer von Grundstücken künftig 30 Prozent der Fläche für sozialen Wohnungsbau freihalten müssen. Dies sei ein Weg in die richtige Richtung, meint Schubkegel – doch die derzeitigen Ziele seien nicht weitreichend genug. Ihm geht es auch um das Ortsbild von Radolfzell, die keine »Allerweltstadt mit lauter Schuhschachtelbauten« werden soll. Die Stadt solle deshalb seiner Meinung nach die Chance nutzen und auch eine Grünflächenquote festlegen. »Grünflächen sind extrem wichtig«, betont er. »Die platt zu machen, ist altbacken«. Darüber hinaus solle die Stadt über eine Erweiterung der Altstadtsatzung nachdenken. Als Beispiel führt Schubkegel die Gestaltungssatzung der Gemeinde Bad Zwischenahn in Niedersachsen an: Dort werden Investoren sogar die Form der Dachpfannen vorgeschrieben. »Das macht erst einmal Mühe, aber es lohnt sich«, betont er: »Langfristig macht das alles einfacher.«

- Nicole Rabanser

Autor:

Redaktion aus Singen

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