WOCHENBLATT-Inteview mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann
Lieber mit dem Bus

Winfried Hermann  | Foto: Viel gefragter und befragter Gast in Stockach: der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (mit der »Grünen«-Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger (links) und Katja Stolz, der Ehefrau von Bürgermeister Rainer Stolz). swb-Bild: sw
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Stockach. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann von den »Grünen« machte im Rahmen der ENCW-Schwarzwald-E-Rallye, an der auch die lokalen Stadtwerke beteiligt waren, in Stockach Station und stand dem WOCHENBLATT Rede und Antwort.


WOCHENBLATT: Die B 14, die Ortsumfahrung Stockach, ist eine unendliche Geschichte. Bleibt das so?

Winfried Hermann: Diese Maßnahme wurde im Dezember in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen. Aber es ist eines von sehr vielen Projekten. Das Land Baden-Württemberg hat vom Bund ein sehr großes Paket an Verkehrsmaßnahmen im vordringlichen Bedarf mit einem Volumen von über sechs Milliarden Euro bekommen. Das ist sehr viel. Wir können das nicht auf einmal umsetzen. Deswegen haben wir die Grundsatzentscheidung getroffen, dass wir zunächst alle Projekte, die bereits begonnen wurden, mit Nachdruck und Hochdruck fertigmachen. Dann bringen wir die Projekte, die in der Planung weit fortgeschritten sind, zu Baureife und Baubeginn. Diese beiden Punkte gelten etwa für die Hälfte aller Maßnahmen. Und die zweite Gruppe, zu der auch die Ortsumfahrung Stockach zählt, ist irgendwann angedacht, aber nie richtig geplant worden. Hier werden wir bis Herbst einen Katalog mit transparenten Kriterien wie Verkehrsaufkommen, Lärmbelastung, Umweltfragen oder Unfallschwerpunkten ermitteln, das in ein Punktesystem umgewandelt wird und nach dem wir den Dringlichkeitsgrad einer Maßnahme ermitteln. Daher kann ich dazu heute noch nichts sagen. In den allernächsten Jahren sind wir vor allem damit beschäftigt, am Bodensee die B31 weiterzubauen und das Stück von Friedrichshafen nach Überlingen hinzubekommen. Stockach ist ja immerhin von der einen Seite gut bedient.


WOCHENBLATT: Wird es mögliche Fortschritte bei der Ortsumfahrung Espasingen geben?

Winfried Hermann: Da die Maßnahme die Beseitigung des schienengleichen Bahnübergangs der DB-Linie Radolfzell – Überlingen südwestlich von Espasingen beinhaltet, wird sie mittlerweile als EKrG-Maßnahme verfolgt und wurde nicht zur Fortschreibung des BVWP 2015 angemeldet. Derzeit werden die Kostenberechnungen für die unterschiedlichen Varianten (Ortsnahe und ortsferne Trasse und jeweils Talbrücke oder Bodenaustausch) aufgestellt. Ergebnisse hierzu sollen im Juli vorliegen.

WOCHENBLATT: Kommt denn Bewegung in den ZG-Kreisel in Stockach, einem starken Verkehrsknotenpunkt?

Winfried Hermann: Wir haben mit der Stadt vereinbart, dass sie ein Gesamtverkehrsgutachten erstellt, um eine Gesamtkonzeption zu entwickeln, und wir dann über Lösungen nachdenken. Zum bisherigen Stand kann ich nur sagen, dass die Kreisverkehre und die Kreuzung, aber nicht der Bahnübergang funktioniert. Da stellt sich eher die Frage, wie man den Bahnübergang so gelöst bekommt, dass er nicht zum Stauproblem wird.

WOCHENBLATT: Wie könnte man angesichts dieser langen Zeiträume die Stockacher Verkehrsprobleme in den Griff bekommen?

Winfried Hermann: Mit öffentlichem Personennahverkehr. Für Mittelzentren, die schlecht an die Schiene angebunden sind, bietet das Land regionale Schnellbusverkehre an. Hochwertige Busse, die schnell durch die Gegend fahren, nur an den wichtigsten Stationen halten und größere Orte miteinander verbinden, die keine Schienenverbindung haben. Das ist ein Ersatzschienenverkehr auf hohem Niveau. Für Stockach könnten die Linien Stockach-Tuttlingen, Stockach–Meßkirch-Sigmaringen oder Stockach–Bodman–Ludwigshafen interessant sein. Das Land bietet hier eine Übernahme von 50 Prozent des Defizits an, aber der Landkreis muss den Antrag stellen. Wir haben eine Linie von Überlingen nach Sigmaringen, die im ersten Jahr 500.000 Nutzer hatte. Es ist ein klimatisierter Bus mit WLan und hohen Sitzqualitäten, der im Stundentakt von früh morgens bis Mitternacht verkehrt. Das könnte doch eine Alternative sein, denn alle Straßenbauprojekte dauern lange. Wir haben viel vorangebracht, doch die Verfahren sind sehr langwierig. Eine ökologische Prüfung dauert etwa zwei Jahre. Das kann ich nicht ändern. Oder wenn europäische artenschutzrechtliche Belange berührt sind, kann ich nicht sagen, das interessiert mich nicht.

WOCHENBLATT: Auch die Bodenseegürtelbahn ist für die Raumschaft ein Thema.

Winfried Hermann: Wir müssen sie elektrifizieren und partiell zweigleisig machen. Im Moment fahren wir nur im Stundentakt, und das ist ein Witz, wenn man sieht, was da im Sommer an Verkehr abgeht. Wir brauchen den Halb-Stunden-Takt. Den können wir aber nicht fahren, weil die Strecke eingleisig ist. Daher muss der Landkreis planen und einen Förderantrag stellen. Wir haben die Gürtelbahn beim Bundesverkehrswegeplan als überregional bedeutsame Achse angemeldet. Der Bund hat gesagt, dass ihn das nicht interessiert, da es ein Lokalverkehr ist. Die Konsequenz ist, dass wir jetzt 15 Jahre schimpfen können bis zum nächsten Verkehrswegeplan, doch der andere Weg heißt Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Und das bedeutet, dass der Bund dann 60 Prozent übernehmen müsste und das Land und die kommunale Seite je 20 Prozent. Und diesen Weg werden wir beschreiten. Wir werden innerhalb des nächsten Jahres mit der Elektrifizierung der Südbahn beginnen, die nach Friedrichshafen und weiter in Richtung Lindau fährt. Dann werden wir noch in diesem Jahr die Hochrheinbahn elektrifizieren. Und dazwischen werden wir die Bodenseegürtelbahn anpacken – und darum müssen wir jetzt planen.

WOCHENBLATT: Und wie sind die Perspektiven bei der Gäubahn?

Winfried Hermann: Da haben wir eine gute Sache hinbekommen, weil die Ausbaumaßnahmen ja nicht funktioniert haben und der Bund gewackelt hat. Hier haben wir mit der deutschen Bahn einen Übergangsvertrag über zehn Jahre gemacht, in dem sich die Bahn verpflichtet, Zürich im Stundentakt mit Stuttgart zu verbinden und umgekehrt. Das Land beteiligt sich an den Kosten, obwohl es das im Fernverkehr nicht tun müsste. Jetzt haben wir bis 2025 Zeit, die Ausbaumaßnahmen zu planen und zu realisieren. Da gibt es einen Streit zwischen Politik und Bahn wegen der Neigetechnik. Da werden wir ein bisschen verhandeln

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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