Bettina Widmer aus Diessenhofen schrieb eine Maturaarbeit zu diesem Thema
Mehr Sicherheit auf dem Rhein

Widmer Rhein | Foto: Die Kantischülerin Bettina Widmer in der Wohnstube bei ihren Eltern in Diessenhofen. Sie schrieb eine Maturaarbeit über die Sicherheit am und auf dem Rhein. swb-Bild: Ritter
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  • Foto: Die Kantischülerin Bettina Widmer in der Wohnstube bei ihren Eltern in Diessenhofen. Sie schrieb eine Maturaarbeit über die Sicherheit am und auf dem Rhein. swb-Bild: Ritter
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Diessenhofen (ri). Bettina Widmer aus Diessenhofen schrieb eine Maturaarbeit, 142 Seiten lang. Sie trägt den Titel "Prävention von Ertrinkungsunfällen - am Beispiel des Rheins".

Kürzlich durfte unser Korrespondent darin schmökern. Es ist eine spannende Geschichte. Sie basiert auf zahlreichen Befragungen, auf eigenen Kindheits-Erfahrungen (sie wuchs am Rhein auf) und auf ihrer Ausbildung zur Leiterin Jugend-Rettungsschwimmen bei der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG. Informationen holte sie sich auch bei der AXA Versicherung und der schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung. Mehrere Seiten ihrer Arbeit widmet Widmer dem Einsatz von Anna Biermann. Sie ist Leiterin für Integration beim Jugendrotkreuz Schaffhausen und bietet den Kurs "Life!skills" für Migrantinnen und Migranten an. Er soll den Teilnehmern die Angst vor dem Wasser nehmen und lehrt das richtige Verhalten bei Notfällen am Wasser.

Bei ihren Recherchen stellte Widmer fest, dass sich viel Unglück mit einfachen Strategien vermeiden liesse. In einer übersichtlichen Tabelle am Schluss der Maturaarbeit fasst sie ihre Vorschläge zusammen. Es sind Ideen, die sich mit wenig finanziellem Aufwand umsetzen liessen.

Sie empfiehlt einen Online-Test über die Gefahren des Rheins mit einer kleinen Belohnung. So einen Test mache die SLRG über die Gefahren beim Schwimmen, die Kampagne "Save your friends". Für die richtigen Antworten gibt es von der SLRG einen Schlüsselanhänger. Widmer schlägt auch vor, Unfall-Videos der Polizei als Abschreckung zu veröffentlichen. Für Migrantinnen und Migranten seien die Warnhinweise nicht verständlich, sie sollten in viele Sprachen übersetzt werden. Wer den QR-Code auf den Plakaten mit Verhaltensregeln einliest, findet nur deutschen Text. Eine Ausnahme sind die Baderegeln der SLRG. Die gibt es in vielen Sprachen.

Der Schutz der Kinder ist in Widmers Arbeit ein zentrales Thema. Erstmals im Lehrplan 21 sei ein Kapitel über Wasser-Sicherheit enthalten. "Ein Schritt in die richtige Richtung" meint sie. Die Umsetzung in der Praxis werde den Lehrpersonen überlassen. Widmer moniert, dass es in diesem Kapitel zu wenig stufengerechte Hinweise auf Gefahren im Zusammenhang mit Gewässern gebe. Es sei wichtiger, Risiken richtig einzuschätzen als perfekt schwimmen zu können. Der Umgang mit Gefahren ist gemäss Unfallstatistik von Geschlecht und Alter abhängig. "80 bis 90 Prozent aller Ertrinkungsopfer sind männlich, 70 Prozent sind 20 bis 25 Jahre alt" schreibt Widmer.

Die Vorbereitung für ihre Arbeit war für Widmer eine spannende Zeit. "Im Sommer 2020 wurde ich von Urs Thaler zu einer Schifffahrt auf dem Rhein eingeladen" erzählt sie. Thaler ist Kapitän der Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein. Dabei erfuhr sie Vieles, was den Passagieren verborgen bleibt. Die Freizeitkapitäne seien mit der Situation auf dem Rhein oft überfordert. Sie sollten auf dem See üben, bevor sie sich in fliessendes Gewässer wagen, empfiehlt Thaler. Er erzählt von einer Frau, die in Panik aus ihrem Gummiboot sprang und von der Schiffsschraube unter das Schiff gezogen wurde. Thaler hörte Warnrufe, steuerte so, dass sich die Propeller in die Gegenrichtung drehten, die Frau wurde nach oben gespült und gerettet. Es gebe immer mehr Boote und andere schwimmende Objekte auf dem Rhein, immer mehr kritische Situationen, habe Thaler erzählt, und "Manchmal sehen wir mehr Gummi als Wasser".

Widmer befragte auch Martin Tanner, Chef der Schaffhauser Verkehrs- und Wasserpolizei. Tanner erlaubte ihr, eine Polizei-Patrouille auf einem der beiden Einsatzboote zu begleiten. Sie fuhr mit den Polizisten Beni Steinegger und Dani Russenberger auf dem Rhein. Sie begegneten zwei Stand-Up-Paddlern, die den Fluss überquerten. Die Polizisten hielten sie an und erklärten freundlich, dass ihr Manöver höchst riskant sei. Man soll immer in Ufernähe bleiben, besonders wenn ein Kursschiff in Sicht sei, auch wenn man sich auf der grünen Seite der Wiffe befinde. Die grüne Seite markiert die Fahrrinne, die den Kursschiffen vorbehalten ist.

Brandaktuelles Thema

Mit dem tödlichen Taucherunfall vor Diessenhofen am Ostersonntag bekam das Thema Sicherheit auf dem Rhein zusätzlich bittere Aktualität. Eine Erklärung hat Widmer nicht. "Ich will nicht spekulieren. Die Ursache für die Tragödie ist meines Wissens noch nicht geklärt" meint Widmer. Sie weiss, dass Tauchen in fliessendem Gewässer tückisch ist und doppelt gefährlich, wenn man unter ein Kursschiff gerät.

Gefährliche Wiffen

Die Sicherheit auf dem Rhein ist ein Dauerbrenner. Vor einem Jahr schrieben die Schaffhauser Nachrichten, aktueller Schwerpunkt in der Unfallbekämpfung sei die Gefahr, die von Wiffen ausgeht. Das sind starre Seezeichen auf Eichenpfählen, welche den Verlauf der Fahrrinne anzeigen. Sie sind Ursache vieler, zum Teil schwerer Unfälle. Widmer zitiert zu diesem Thema Kapitän Thaler. "Es braucht Wiffen. Radargeräte und GPS genügen nicht, sie sind nur auf 2 bis 3 Meter genau", das sei für die schmalen Fahrrinnen mit Untiefen und Felsen zu wenig. Die Polizei sucht nach Lösungen, um Wiffen weniger gefährlich zu machen. Derzeit laufen Tests mit speziellen Bojen. Drehkörper an starren Konstruktionen erwiesen sich bei früheren Tests als ungeeignet.

Maximalnote für Widmer

Die Prämierungsfeier für die Maturaarbeiten findet am 25. Mai in der Aula der Kanti Schaffhausen statt. Widmer kennt ihre Note bereits. Sie wurde in allen Teilen mit der Maximalnote bewertet. Die Schulleitung schlug ihre Arbeit zur Prämierung vor. Das wäre ein Diplom und ein Preisgeld. Im Juni tritt Widmer zu den Abschlussprüfungen an. Wenn alles gut geht, macht sie dann einige Praktika, das erste in der Rehabilitations-Klinik St. Katharinental in Diessenhofen. Dann studiert sie Ergotherapie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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