Knappe Mehrheit der Gegner in der Rhyhalle am Donnerstagabend
Rheinufer-Renaturierung spaltet Orientierungsveranstaltung

Rheinufer Diessenhofen | Foto: Mehr als die Hälfte des Thurgauer Rheinufers sind mit einer Mauer aus den 1930er Jahren gesichert. Über die Renaturierung wird seit vielen Jahren diskutiert. swb-Bild: Ritter
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Diessenhofen. Die Diessenhofer sprachen sich am Donnerstag bei einer Orientierungsversammlung mit 84 Nein zu 82 Ja knapp gegen eine Neugestaltung des Rheinufers aus. Es war allerdings eine Konsultativ-Abstimmung ohne rechtliche Folgen. Etwa 190 Leute kamen in die Rhyhalle, darunter viele Fachleute und auswärtige Gäste. Der Grossaufmarsch und eine lebhafte Diskussion sind Beweis dafür, wie sehr das Thema die Gemüter bewegt.

Claudia Eisenring vom Kantonalen Amt für Umwelt erklärte, sechzig Prozent des 16,6 Kilometer langen Thurgauer Rheinufers seien hart verbaut. Ziel sei die ökologische Aufwertung des Ufers. Sie zeigte Bilder vor und nach der Ufer-Revitalisierung bei der alten Badi St. Katharinental. Dieser Pilotabschnitt wurde im Winter 2011/2012 realisiert und gibt Aufschluss darüber, wie das Rheinufer künftig aussehen könnte. Der Kanton habe das Ingenieurbüro Hunziker, Zarn und Partner aus Aarau beauftragt, einen Maßnahmenplan zu erarbeiten.

Ein Mitarbeiter dieses Büros, Umwelt-Ingenieur Sammy Mirjan, erklärte das Vorhaben. In einer ersten Bauetappe würde auf einer Strecke von 900 Metern dem Rhein das natürliche Ufer zurückgegeben. Unterhalb der Bleichi östlich von Diessenhofen müsste der Uferschutz aus Beton entfernt und durch eine Kiesaufschüttung ersetzt werden. Als weitere Befestigung ist die Pflanzung von Weiden vorgesehen. Der heutige Uferweg soll grösstenteils erhalten bleiben. An exponierten Stellen würden Holzstege von total 300 Metern Länge gebaut. Vorgesehen sind Sitzgelegenheiten, Feuerstellen und Badeplätze, um diesen Uferabschnitt zu einem attraktiven Erholungsraum zu machen. »Zwischen Wanderweg und Wasser werden wir keine Weidenstecklinge platzieren, damit weiterhin getreidelt (Boote vom Ufer aus ziehen) werden kann«, versprach Mirjan.

Für Diessenhofen würden keine Kosten entstehen. Der fragliche Uferabschnitt liegt im Konzessions-Gebiet des Kraftwerkes Schaffhausen. Es finanziert die Ufergestaltung und den Unterhalt mit dem Aufpreis auf Ökostrom von 1 Rappen pro Kilowattstunde. „Wir haben genügend Mittel“ versprach Peter Hunziker auf Anfrage. Er ist Forstingenieur und realisiert Projekte für die Abteilung Uferschutz des Energieverbundes SH Power.

„Der Stadtrat befürwortet das Projekt zu hundert Prozent“ erklärte Walter Sommer, Stadtpräsident von Diessenhofen. Er gab je einem Befürworter und einem Gegner das Wort. Gerold Brütsch sprach gegen das Vorhaben. »Die Auswirkungen können wir nicht abschätzen und Treideln wäre nicht mehr möglich, da man auf Kies laufen müsste«, sagte er. Er habe beobachtet, dass die Kiesbänke in Gailingen (D) unterspült würden. »Wir brocken uns eine Dauerbaustelle ein« bemängelte er. Günter Rieker ist vom Projekt begeistert. Kinder könnten gefahrlos ans Wasser und für die Jung-Äschen sei flaches Ufer ideal. »Die lebensfeindliche Mauer ist für viele Tiere eine Falle, zum Beispiel für Ringelnattern«, sage er.

Sommer eröffnete die Diskussion. Die Meinungen lagen weit auseinander. Fische würden auf die Kiesbank gespült und dort verenden sagten die Einen, während andere das Projekt als gut für die Fische betrachten. Mirko Müller, kantonaler Fischereiaufseher, erklärte, dass Kies-Ufer für Äschen-Larven gut sind. Das sei durch Zählungen bewiesen, erklärte er. Problematisch sei die Anfahrt mit den riesigen Kiesmengen an den Rhein, wurde moniert. Das Aufschütten würde den Pegel steigen lassen, befürchtete ein Votant. Mirjan beruhigte. Abklärungen hätten ergeben, dass der Wasserspiegel höchstens um vier Zentimeter steigen würde. Eine Geröllhalde am Ufer sei hässlich und es vergehe einem die Lust, ins Wasser zu laufen, hiess es. „Die Mauer soll man nicht kaputt machen, sondern unter Denkmalschutz stellen“ wurde empfohlen. Trotz den mehrheitlich negativen Voten ergab die Schlussabstimmung nur zwei Stimmen mehr gegen das Projekt.

Zum Zeitplan erklärte Sommer, im Herbst dieses Jahres könnte die Projektierung abgeschlossen sein. Baubeginn wäre voraussichtlich im Winter 2018/2019.

Rheinufer, ein Dauerbrenner

Vor zwanzig Jahren erarbeitete Peter Hunziker ein Pilotprojekt für die Revitalisierung des Rheinufers oberhalb Diessenhofen. Er ist Mitarbeiter der Kraftwerke Schaffhausen, Abteilung Uferschutz, „Der damalige Pächter des betroffenen Ufers sorgte dafür, dass das Projekt auf Eis gelegt wurde“ erklärte er. Im Jahr 2010 entwarf er auf Initiative von Stadtpräsident Walter Sommer ein neues Projekt. Es sah den Abriss der in den 30er Jahren gebauten Ufermauer oberhalb der Badi Diessenhofen vor. Sie sollte durch eine Kies-Aufschüttung ersetzt werden. Damals lud der Verein „Pro Rheinlandschaft“ zu einer Diskussion über das Vorhaben ein. Förster Hans Weber, Gründungsmitglied dieses Vereins, unterstützte das Projekt.

Für eine Beibehaltung der Mauer sprachen Gerold Brütsch als Vertreter der Pontoniere und Markus Birk, Fischerzunft. Es entbrannte eine lebhafte Diskussion. Sommer beruhigte die Gemüter. Er sagte, die Neugestaltung der siebzehn Kilometer Thurgauer Rheinufer sei eine Generationenaufgabe und es bestehe kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Vor drei Jahren brach eine Platte der Uferbefestigung. Das veranlasste das Amt für Umwelt, das Pilotprojekt in Auftrag zu geben, über das am Donnerstag orientiert wurde. Die Federführung für die Rheinufergestaltung liegt beim Kanton. „Nach meinen Erfahrungen mit vergleichbaren Projekten könnte Baubeginn etwa in zwei Jahren sein“ erklärte Hunziker.

(Dieter Ritter).

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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