Hallo und guten Tag
Verlockende Bauzäune

Bei unserer täglichen Morgenrunde kommen wir an vielen Baustellen vorbei. Bei uns im Ort sprießen die Mehrfamilienhäuser aus dem Boden, wie im Herbst die Pilze. Auf meinen Schnüffelwiesen sind auf einmal überall neongelbe oder rote Stöckchen eingehauen und zeigen die Außengrenzen eines neuen Hauses auf. Der Bauzaun, mit der Werbung des Bauträgers, stellt momentan noch kein großes Hindernis dar, allerdings kann ich jetzt schon nicht mehr so unbeschwert über die Wiese tollen oder mit meinen vierbeinigen Freunden fangen spielen. Auch vor einigen älteren Häusern, die das Dorfbild charakterisieren, steht solch ein Bauzaun und deutet an, dass die Abrissbirne bald anrückt. Überall entstehen neue, große Wohnkomplexe. Die Wohnungen verkauft und vermietet noch lange bevor die Handwerker überhaupt mit ihrer Arbeit fertig sind. Demonstrativ hebe ich momentan gerne an jedem dieser Bauzäune mein Beinchen. Irgendwie scheint der zuständige Architekt für jedes neue Gebäude einfach nur den Kopierer an zu schmeißen. Phantasielos und ohne Charme – aber wer braucht schon Phantasie und Charme wenn es um Wohnraum geht? Meine Zweibeiner lieben alte Städte, und dem Liebreiz manch einer mittelalterlichen Innenstadt bin selbst ich als Vierbeiner schon erlegen.   Wo ist denn der Stolz der Menschen hin, beim Bau der  schuh-  schachtelähnlichen Gebäude, welche nach ein paar Jahren mit eindringendem Wasser auf den großen Flachdächern zu kämpfen haben. Nun, die zweckmäßige Schaffung von Wohnraum scheint notwendig zu sein, wenn man die immer wiederkehrenden Meldungen von »Wohnungsnot« hört und liest. Wir Vierbeiner würden am liebsten in großen Rudeln wohnen, die Zweibeiner tendieren zum Leben alleine. Werden aber durch die Situation zur Rudelbildung in einer WG gezwungen. Denn bezahlbaren Wohnraum in Städten zu finden, gestaltet sich mancherorts als ein unmögliches Unterfangen. Wohnungen mit einer sogenannten »Sozialbindung«, welche jede Stadt und Gemeinde vorweisen muss, lassen die Auswahl bezahlbaren Wohnraums schrumpfen. Andere werden durch steigende Mieten zum Wohlstandsobjekt und stehen für einen Normalverdiener oder geschweige denn eine Familie überhaupt nicht mehr zur Disposition.Bei alten Objekten, welche durch aufwändige Sanierungsmaßnahmen eine Aufwertung erhalten, steigt die Miete und manch ein Bewohner kann sich nach jahrelangem Mietverhältnis seine Wohnung schlichtweg nicht mehr leisten und muss im schlimmsten Falle seiner gewohnten Umgebung den Rücken kehren. Wenn ich das so überlege, vielleicht sollte ich das Beinchen dann doch nicht mehr an jedem Bauzaun heben. Also nicht mehr aus Protest. Vielmehr zur Information der neuen Kollegen, die vielleicht irgendwann hier in mein Revier ziehen. Denn vielleicht sind deren Herrchen oder Frauchen einfach nur glücklich, dass sie an einem schönen Ort wie diesem ein neues Zuhause finden, dass sie sich leisten können. Ihr Struppi.

Autor:

Redaktion aus Singen

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