Sommerinterview mit Bürgermeister Benjamin Mors
Voller Tatendrang: Gemeinde richtet sich neu aus

Bürgermeister Benjamin Mors | Foto: Benjamin Mors auf seinem konventionellen Rad. Für die Mitarbeiter wurde eine beispielhafte E-Bike-Förderung in diesem Frühjahr gestartet. swb-Bild: pr
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Steißlingen. Steißlingen ist in Bewegung. Spürbar richtet sich die Gemeinde neu aus, mit neuer Ordnung für den Ortskern mit Blick auf den Erhalt gewachsener historischer Strukturen wie einer verträglichen Nachverdichtung durch die Nutzung von Freiflächen. Der Tatendrang im Rathaus ist ungebrochen, trotz Corona-Delle, wie Bürgermeister Benjamin Mors im WOCHENBLATT-Interview deutlich machte.

WOCHENBLATT: Der Corona-Lockdown hat zu einem wirtschaftlichen Absturz geführt, wie sich die Erholung vollzieht, wird fast täglich neu bewertet. Wie stark ist die Delle für die Gemeinde Steißlingen, wie lange könnte sich eine Schleifspur hinziehen. Wie nimmt die Gemeinde ihre Aufgabe als Konjunkturstütze wahr?
Benjamin Mors: »Die Delle wird für uns stark spürbar sein. Das geplante Haushaltsergebnis werden wir sicher nicht erreichen können. Das Beziffern eines neuen Ergebnisses ist im Moment noch schwer, denn keiner weiß, ob und wie sich eine zweite Welle auswirkt. Auch wissen wir noch nicht, wie genau die Hilfen von Land und Bund verteilt werden. Auch wenn ich glaube, dass sich viele Bereiche der Wirtschaft schon bald erholen, werden die Folgen in den öffentlichen Haushalten noch lange spürbar sein. Dennoch haben wir mit einigen Aufträgen ganz konkret vor Ort dazu beigetragen, dass die ausführenden Firmen nicht in Kurzarbeit gehen mussten. Wir wollten mit antizyklischem Handeln die Konjunktur stützen«.

WOCHENBLATT: Ein Zeichen wurde ja mit der Umsetzung des zweiten Abschnitts des Gewerbegebiets »Vor Eichen« gesetzt, wo die Erschließung gerade angelaufen ist. Ist die Nachfrage weiter ungebrochen, wird Steißlingen hier als Ausweichstandort angesichts des Flächenmangels in der Region genutzt?
Benjamin Mors: »Wenn ich mir den Wirtschaftsstandort Steißlingen mit seiner hervorragenden Lage und Infrastruktur anschaue, glaube ich, dass viele Unternehmen ganz bewusst nach Steißlingen wollen. Der Begriff Ausweichstandort ist daher sicher nicht treffend, die große Nachfrage bestätigt dies. Der sorgsame Umgang mit Flächen ist für alle Kommunen eine Pflicht. Daher haben wir darauf verzichtet, die Möglichkeiten bezüglich der Ausdehnung des Gewerbegebiets auszureizen und wir achten bei anfragenden Unternehmen auf eine hohe Auslastung der Flächen«.

WOCHENBLATT: Auch in der Wohnbebauung ist die Entwicklung ja weiter sehr dynamisch. Für das Baugebiet Tal-Erweiterung mussten die Vergabekriterien überarbeitet werden, was den Bewerbern Geduld abverlangt. Wann können nun weitere Bauplätze vergeben werden. Wie lange wird der Vorrat (an Bauland) reichen?
Benjamin Mors: Ja, in der letzten Gemeinderatssitzung wurden die Vergabekriterien nochmals neu gefasst, damit möglichst große Rechtssicherheit für die Bewerber besteht. Leider grenzen die EU und die Gerichte die kommunale Selbstverwaltung immer mehr ein, aber das ist ein anderes Thema. Es ist geplant, dass im September die nächste Tranche mit etwa zehn Bauplätzen vergeben wird. Wir gehen davon aus, dass bei diesem Tempo das Gebiet 2022 bebaut sein wird«.

WOCHENBLATT: Parallel wurde ja nach der Klausur im letzten Herbst das Thema Innenentwicklung neu gesetzt. Kommt das an, oder ist hier eine Förderung nötig?
Benjamin Mors: »Richtig. Für den Gemeinderat war klar, dass es neben Außenentwicklung auch einen Schwerpunkt bei der Innenentwicklung braucht. Vor diesem Hintergrund haben wir uns im letzten Jahr auf das Städtebauförderprogramm des Landes beworben. Da das Programm dreifach überzeichnet war, sind wir leider nicht zum Zug gekommen, wir werden es aber auch dieses Jahr wieder versuchen. Einen bemerkenswerten Beschluss hat der Gemeinderat mit der Förderung der Sanierung historischer Fachwerkgebäude gefasst. Dies ist in der Region einzigartig und wir wollen damit dazu beitragen, dass auch in solchen Gebäuden Wohnraum bestehen bleibt. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt bleibt weiterhin sehr hoch«.

WOCHENBLATT: Der visionierte Bürgerpark Niederwiesen wurde im Februar als Beteiligungsprozess angestoßen, dann kam schnell der Lockdown dazwischen. Wie kann die Spur hier wieder aufgenommen werden?
Benjamin Mors: »Wir sind dazu im Moment in Abstimmungsgesprächen. Vermutlich wird es sinnvoll sein, das Projekt komplett auf 2021 zu verschieben, damit es dort in einem Schwung erledigt werden kann«.

WOCHENBLATT: Wie waren bislang die Reaktionen aus der Gemeinde zur Absicht des Gemeinderats ganztags Tempo 30 auf der Durchgangsstraße einzuführen, was ja auch ein Beteiligungsprozess ist?
Benjamin Mors: Das ist ja noch nicht beschlossen. Tempo 30 ist eine vorgeschlagene Maßnahme im Lärmaktionsplan, bei dem wir im Moment mitten im Verfahren sind. Ich sehe es so, dass die enorme Belastung der Anwohner unbedingt reduziert werden muss. Die Anwohner sehen das auch so. Zur Zeit scheint es so, dass hierzu Tempo 30 die einzige für die Gemeinde umsetzbare Maßnahme ist. Die Verbesserung des baulichen Zustands durch Flüsterasphalt können wir als Gemeinde nicht beeinflussen. Und obwohl der Straßenbelag stark sanierungsbedürftig, teilweise sogar unsicher besonders für Radfahrer im Randbereich ist, teilt uns das Land mit, dass eine Sanierung nicht geplant ist. Daher werden wir wohl kurzfristig nicht um eine Temporeduzierung herum kommen. Wenn das Land dann seinen Aufgaben nachgekommen ist, ist eine Abschaffung von Tempo 30 durchaus denkbar. Ein weiterer Punkt, der viele Anwohner stört, sind hochmotorisierte PKW’s und Motorräder mit Auspuffanlagen. Diese können wir mit Tempo 30 nur bedingt in den Griff bekommen. Es ist für mich auf kommunaler Ebene absolut unverständlich, weshalb die zuständigen Behörden auf Bundesebene solche Fahrzeuge immer noch zulassen, obwohl deren Wirkung auf die Gesundheit und Lebensqualität überall bekannt ist.

- Graziella Verchio

Autor:

Redaktion aus Singen

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