Branche sucht nach Recylingmöglichkeiten
Immer mehr Mikroplastik bei der Landwirtschaft am See

Erntefolien nach ihrer Verwendung auf den Feldern. | Foto: RIGK GmbH
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  • Erntefolien nach ihrer Verwendung auf den Feldern.
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Kreis Konstanz. Zu den Sorgen von VerbraucherInnen zählt Mikroplastik in Lebensmittel. Im Verbrauchermonitor des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu gesundheitlichen Verbraucherschutzthemen, der 2022 veröffentlicht wurde, beunruhigte VerbraucherInnen die Belastungen besonders. Nach Untersuchungen der Fischereiforschungsstelle in Langenargen ist auch in Fischen im Bodensee inzwischen Mikroplastik nachgewiesen worden.

Mikroplastik landete mit 64 Prozent als (sehr) beunruhigend auf Platz 1, gefolgt von Antibiotikaresistenzen mit 56 Prozent und Reste von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln mit 54 Prozent an erster Stelle in der Umfrage. Das Thema von Mikroplastik ist brandaktuell und wird aber dennoch nur stiefmütterlich behandelt. In der allgemeinen Wahrnehmung wird das Problem weit weg vom Bodensee verortet. Es wird zwar gesagt, dass es in den Ozeanen angekommen ist und bereits in der Nahrungskette angekommen sei. Aber wen das beunruhigt, verzichtet einfach auf Fisch aus dem Meer. Doch das Problem besteht auch hier. Die Belastung in Fischen und auch die Menge an aufgenommenem Plastik fallen bisher vergleichsweise gering aus. Bleibt trotzdem festzuhalten, dass Mikroplastik seinen Weg in den Bodensee gefunden hat und in Fischen nachgewiesen ist.

Woher stammt das Mikroplastik? Und was kann getan werden, um den Eintrag von Mikroplastik zu reduzieren? Diesen Fragen und speziell wie Mikroplastik in Gewässern gelangt, beleuchtet die Bodensee-Stiftung im Rahmen des EU-Projektes Blue Lakes. Die Mikroplastikreise fängt dabei direkt vor der Haustür an. Mikroplastikverunreinigungen entstehen hauptsächlich, wenn liegengebliebener Plastikmüll, mechanisch zerkleinert wird und Wettereinflüsse diesen spröde machen und weiter zersetzen. Reifenabrieb zählt zu den größten Mikroplastikverursachern. Weitere bekannte Quellen sind zugesetzte Mikroplastikpartikel in Kosmetika oder Mikroplastik, das beim Waschen von synthetischer Kleidung entstehen kann. Im Vergleich jedoch spielen die letztgenannten Quellen eine untergeordnete Rolle.

Mikroplastik in der Fläche

Eine Ursache für Mikroplastik, die weitgehend unbekannt ist, hat ihren Ursprung in den Kunststoffemissionen in der Landwirtschaft. Plastik gelangt über direkte und indirekte Wege auf Felder und Äcker. Alleine in Deutschland sind es knapp 20.000 Tonnen, die jährlich auf landwirtschaftlichen Flächen landen. 5.800 Tonnen davon stammen von Plastikabfall, der zum Beispiel aus Siedlungsbereichen anfällt, sich entlang von Straßen sammelt und dann auf die landwirtschaftlichen Flächen verweht wird.

Wird der Müll nicht aufgesammelt, gelangt dieser bei Mäharbeiten oder Bodenbearbeitung ins Erdreich. Den Umwelteinflüssen ausgesetzt, zerkleinert sich der Kunststoff immer weiter und wird irgendwann zu Mikroplastik. Einmal im Ökosystem ist es nahezu unmöglich, Mikroplastik wieder daraus zu entfernen. Von da wird er verfrachtet und gelangt über Auswaschung in Flüsse und Seen und landet schlussendlich in den Meeren.

Seenpapier für Bodensee hat Lösungen

Hier ist die Landwirtschaft machtlos und kann nur an die Vernunft der BürgerInnen appellieren, Müll nicht einfach in die Umwelt zu schmeißen. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei die Kommune ein. Sie kann Maßnahmen ergreifen und mit gutem Beispiel vorangehen und als Daueraufgabe ihre BürgerInnen aufklären. Die Bodensee-Stiftung hat für Kommunen das Seenpapier ausgearbeitet und stellt ein Bündel an Lösungen vor was Kommunen speziell hier am Bodensee gegen die Mikroplastikgefahr unternehmen können. Die aufgezählten Beispiele reichen von der plastikfreien Umsetzung von Stadtfesten bis hin zur plastikfreien Verwaltung.

Kunststoff ist auch Teil der Landwirtschaft

Kunststoff in der Landwirtschaft ist allerdings auch weit verbreitet. Der Eintrag von Mikroplastik in den Boden hat verschiedene Ursachen: Die Verwendung von Klärschlamm aus Kläranlagen als Düngemittel, der Einsatz von Folien wie beim Anbau von Spargel oder Erdbeeren, Silagefolien für Futtermittel und Biogas.
Viele Sonderkulturen auch am Bodensee sind auf die Verwendung von landwirtschaftlichen Folien angewiesen. Im Gemüseanbau oder bei bodennahen Kulturen wird der Kunststoff verwendet. Unsachgemäße Arbeit mit Folien hinterlässt Rückstände in den Böden. Folien werden nach dem Einsatz nicht vollständig entfernt, abgerissen und bei der nächsten Bodenbearbeitung zerkleinert und in die Erde maschinell eingearbeitet. Setzlinghülsen sind aus nicht verrottbarem Material und verbleiben im Boden, Vliese die zur Abdeckung oder Schnüre, die für die Ernte oder im Obstbau benötigt werden, werden unsachgemäß entsorgt und bleiben auf der Fläche. Jeder dieser Kunststoffe, ob versehentlich oder aus Eile, der im Erdreich landet, wird wenn er nicht nachträglich entsorgt wird, über kurz oder lang zu Mikroplastik und beginnt genau da seine Reise ins Meer.

Zudem sind die VerbraucherInnen mitverantwortlich. Hohe Kunststoffanteile landen immer wieder in der Biotonne und so im Kompost. In den Kompostwerken kann dies jedoch noch nicht komplett entfernt werden. Alle Kunststoffemissionen zusammen, summieren sich auf über 13.000 Tonnen, die pro Jahr in der Landwirtschaft und im Gartenbau durch den Einsatz der verschiedenen Betriebsmittel in die Böden eingebracht werden.

Landwirtschaft hat Lösungen

Für einige der Quellen hat die Branche das Problem erkannt und speziell für Agrarfolien, Garne, Netze und Vliese die Initiative ERDE gegründet. Diese hat zum Ziel, das Erntekunststoff Recycling in Deutschland flächendeckend zu etablieren und die Kunststoffe im Kreislauf zu führen. Auch am Bodensee könnte die Recyclingquote erhöht werden.

Kommunen können das unterstützen. Die Bodensee-Stiftung und die ERDE-Initiative möchte den Eintrag von Kunststoff in Böden vermindern und setzt sich für ein einheitliches Rücknahmesystem von Erntekunststoffen ein. Durch die Bereitstellung von Recyclingmaterial aus den gebrauchten Folien als Alternative zu Kunststoffneuware trägt dies dazu bei, CO₂-Emissionen aus der Landwirtschaft einzusparen.

Letztlich soll das Bewusstsein für die dringende Notwendigkeit eines sorgsamen Umgangs mit Kunststoffen in der Landwirtschaft geschärft werden. Jedoch beträgt der Anteil von Folien mit 556 t/a nur 4,2 Prozent des gesamten Aufkommens in der Landwirtschaft. Die Bodensee-Stiftung fordert daher, dass auch die anderen Kunststoff-Emissionen in der Landwirtschaft signifikant reduziert und vermieden werden. Kommunen können mit der Unterzeichnung des Seenpapiers ein Zeichen setzen und ihre Bürger*innen mit den vorgeschlagenen Maßnahmen unterstützen und mit dazu beitragen, dass weniger Müll auf den landwirtschaftlichen Flächen landet. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Reinhaltung von Böden, Gewässern und Ozeanen. So ließe sich die Sorge von Mikroplastik in Lebensmitteln ernsthaft bekämpfen und gleichzeitig das Engagement der Landwirtschaft honorieren.

Autor:

Presseinfo aus Singen

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