Prozessauftakt zum Tötungsfall auf der Reichenau mit Unterbrechungen
Messerstiche mit langer Vorgeschichte

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Konstanz. Unter strengen Sicherheitsauflagen einschließlich Leibesvisitationen bei den zahlreichen Zuschauern als auch der Presse begann am Mittwochmorgen im Konstanzer Landgericht unter Leitung des Vorsitzenden Richters Hornstein die öffentliche Hauptverhandlung gegen einen 46-jährigen Erntehelfer, der seit 2018 auf der Reichenau lebte. Er wird des Totschlags an seiner damals 49-jährigen Ex-Lebensgefährtin und Kollegin verdächtigt, die ihn zuvor verlassen haben soll.

Laut Staatsanwältin Fritschi, die die Anklage vortrug, soll er gegenüber seiner Ex-Freundin am 13. Juli letzten Jahres Morddrohungen ausgesprochen und sie am frühen Morgen des 14. Juli nach einer verbalen Auseinandersetzung in deren Wohnung zunächst auf einem nahegelegenen Feldweg erstochen haben. Danach sei er mit ihrem Leichnam auf dem Rücksitz 40 Kilometer zur A 81-Ausfahrt Engen gefahren. Dort versuchte er auf der Standspur, sich selbst mit einem Messerschnitt in den Hals das Leben zu nehmen. Die Polizei fand ihn lebensgefährlich verletzt vor, die Geschädigte unrettbar leblos in einen Teppich eingewickelt.

Der nun Angeklagte kam als Notfall per Hubschrauber in eine Klinik, wurde gerettet und sitzt seither in Konstanz in Untersuchungshaft. Das 5-köpfige Schöffengericht der 4. Strafkammer wird nun in fünf Verhandlungstagen 25 Zeugen und drei Sachverständige hören, um zu einem Urteil zu gelangen, welches abschließend am 27. Januar verkündet werden soll.

Der aus Rumänien stammende Angeklagte, der im Gerichtsgebäude stetig Fußfesseln tragen muss, verfolgt die Verhandlung per Simultanübersetzung, oft mit gesenktem Kopf, seine Maske in den Händen windend. Vom leitenden Richter nach seinem Werdegang befragt, gab er an, nach achtjährigem Schulbesuch eine Mechaniker-Ausbildung absolviert, danach als Maler und Stuckateur gearbeitet zu haben, ebenso in einer Schuhfabrik. Eine 2004 geschlossene Ehe, aus der drei heute 21, 20 und 12 Jahre alte Kinder hervorgehen, endete 2015 mit einer Scheidung. Im gleichen Jahr wurde er wegen Totschlags eines Kollegen, der ihn zuvor im Gesicht verletzt habe, zu sechs Jahren Haft verurteilt, aber Ende 2017 nach hälftiger Strafverbüßung entlassen. Einen Antrag auf Haftreduzierung habe er nicht gestellt, „er habe keine Probleme gemacht“.

Der Angeklagte verließ Rumänien dauerhaft im Sommer 2018 und fand rasch Arbeit und Unterkunft als Erntehelfer auf der Reichenau. Mittels Internet habe er zu seinen Eltern und zwei Brüdern, welche in Deutschland, beziehungsweise Rumänien, leben, ebenso Kontakt wie zu seinen Kindern und der Ex-Ehefrau. Ihnen überweise er monatlich 300 Euro und im Bedarfsfall Geld, wie auch an seine Mutter. Er selbst spare bei einem Verdienst von 1.500 Euro auf ein Haus in Rumänien, besitze dort aber kein Vermögen. Er habe keine Probleme mit Alkohol oder Drogen, gehe seinem Tagewerk nach, arbeite mit anderen Nationalitäten und sitze danach auch mit Landsleuten zusammen. Sein Rechtsanwalt kündigte an, dass der Angeklagte zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen werde.

Vor Gericht traten dann mehrere Polizei- und Kriminalbeamte und ein Notarzt in den Zeugenstand, um über ihre jeweiligen Einsätze an verschiedenen Orten am Ereignistag zu berichten. Eingespielt wurde eine Handy-Aufnahme des Angeklagten vom 14. Juli, welche ihn selbst auf der A 81 zeigt. Er war Halter des Fahrzeugs, besitzt aber keinen Führerschein.

Mündlich berichtet wurde von einer zweiten Handy-Sequenz, welche die Polizei im Reichenau-Einsatz einsehen konnte und den Mann im Selbsttötungsversuch zeigt. Diese Aufnahmen sah zu seinem vollständigen Entsetzen auch sein Sohn, der zu diesem Zeitpunkt beim Vater weilte und unbekannterweise neben den Beamten stand. Es folgten im Gerichtsaal Aufnahmen der großen Blutlache am Feldweg, durch die P. gefahren sein soll, Reifenspuren hinterlassend. Polizeifotos zeigten dann Einzelheiten des Fahrzeugs, darunter auch ein blutiges Messer, welches auf der Reichenau üblicherweise zum friedlichen Einsatz kommt. Der Prozess wird am Dienstag, 18. Januar, fortgesetzt.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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