1923 Jahre nach Christus
Als die Geldwirtschaft zusammenbrach

Die Inflation kam nicht über Nacht, wie viele meinen. Schon in Zeiten des Weltkreigs wurde die Versorgung der Bevölkerung immer problematischer. Eine gewaltige Preissteigerung setzte ein, die erst mal auf die "schlechten Zeiten" geschoben wurde. Doch die Spirale begann sich immer stärker zu drehen. Im Jahr 1920 lag der Milchpreis bei 1,20 bis 1,40 Mark pro Liter, im Dezember 1922 musste man bereits bis zu 125 Mark auf den Ladentisch legen, um einen Liter Milch zu bekommen.

Jetzt war das Chaos nicht mehr zu bremsen. In Kommunen wie in den Fabriken waren ganze Stäbe nur noch damit beschäftigt, die Preise täglich neu anzuspassen. Ab August 1923 wurde nur noch in Millionen gerechnet. Es entstanden kuriose "Preisbindungen": In Gottmadingen wurde der Milchpreis zum Beispiel an die Gebühr für den "Sprung" eines Ziegenbocks gekoppelt. Ein Sprung entsprach einem Liter Milch. Und der Kostete im Agust 23 schon 45 Millionen Mark. Viele Dörfer mussten mit Sondereinschlägen ihre Wälder plündern, nur noch die Naturalie hatte an sich einen stabilen Gegenwert, auch der Franken wurde besonders für die hiesige Industrie zur eigentlichen Währung, nachdem bald nicht mehr in Millionen, sondern in Milliarden gerechnet werden musste, und bald schon in Billionen. Die berühmte Billionenbrücke an der Schaffhauser Strasse ist eines der besten Beispiele, welche unvorstellbaren Zahlenwerte da im Frühjahr 1923 entstanden, deren Gegenwart dadurch völlig abstrakt wird.

Info:
Schon die Geldbeschaffungen des Kaiserreichs für die finanzierung des Weltkriegs, bei der der Staat bei seinen Bürgern Schulden machte, legte die Grundlage für wirtschaftliche Engpässe, die durch die riesigen Reparationsverpflichtungen gegenüber den Kriegsgegnern zu totalen Debakel führen mussten.

Eine moderne Gesellschaft hatte eigentlich kein Geld mehr. Im Oktober muste die Naturalienwirtschaft wieder eingeführt werden. Nur wer über Devisen verfügte, konnte sich noch etwas "kaufen". Als die Zahlen auf den oft über Nach gedruckten billigen Geldscheinen ins absolut Unvorstellbare anwuchsen, gingen viele Unternehmen dazu über, ihren Mitarbeitern Gutscheine zu geben. Erst im November kann wieder Normalität einkehren, eine Währungsumstellung sorgte wieder für Preise, die überbaubar blieben. Nach dem Chaos kam nun die Republik auch im Hegau und am Bodensee zu Tragen. Freilich auch nur für eine kurze Phase in der Geschichte. Der Schwarze Freitag, an dem in New York die Börsen zusammenbrachen, lies nicht mehr allzulange auf sich Warten....

Oliver Fiedler

Autor:

Redaktion aus Singen

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