1500 Jahre nach Christus
Das nützlichste Getränk, die schmackhaftetes Medizin und das angenehmste Nahrungsmittel

Um 1500 war der Bodenseeraum eines der größten Weinbaugebiete Deutschlands. Die Insel Reichenau z.B. glich um jene Zeit einem einzigen großen Weingarten und war noch um 1700 zu 75 % mit Reben bedeckt. Ähnliches gilt für die Mainau, die noch 1813 vorwiegend mit Reben bepflanzt war. Die frühesten urkundlichen Erwähnungen des Weinbaus im Gebiet des heutigen Landkreises Konstanz stammen aus dem 8. Jahrhundert. Um das Jahr 900 lassen sich hier schon in über 20 Dörfern Weingärten nachweisen. In Bodman soll gar Kaiser Karl der Dicke höchstpersönlich im Jahr 884 die Burgunderrebe eingeführt haben. Träger und Förderer der Weinbaukultur und Nutznießer des Rebbaus waren die Klöster und der Adel sowie die Städte und städtische Einrichtungen wie z.B. die Spitäler. Der Bodensee- und Hegau-Wein wurde aber nicht nur von den Herren, sonder auch von den Untertanen getrunken, in Trinkstuben und Tavernen und in den Strauß- oder Besenwirtschaften, in denen zu gewissen Zeiten die Rebleute ihren eigenen Wein ausschenken durften. Darüber hinaus erhielten zahlreiche Leute bei allen möglichen Anlässen und für vielerlei Dienstleistungen Wein spendiert.

Info:
Wie Bodenfunde belegen, gab es im Bodenseegebiet zwar schon in vorrömischer Zeit Trauben, doch in großem Stil wurde der Weinbau hierzulande erst von den Römern betrieben. Später übernahmen die Alemannen den Weinbau und viele damit verbundene, heute noch gebräuchliche Bezeichnungen: Wein (von vinum), Winzer (von vinetor), wimmeln (von vindemiare, Faß (von vas), Kelter (von calcatorium oder calcatura), Torkel (Drehpresse, von torculum, torquere = drehen, das auch in unserem Wort torkeln weiterlebt) und manche andere Ausdrücke mehr. Im Mittelalter wurde nach und nach die Rebfläche am Bodensee erheblich ausgedehnt.

Da man aber trotzdem nicht allen Wein selber trinken konnte, wurde der Überschuß exportiert. Im Mittelalter galt der Seewein durchaus als geschätztes Getränk, das man vorwiegend in Oberschwaben, in Vorarlberg und in der Schweiz absetzte. Das Quantum an Wein, das die Bevölkerung früher in Weinbaugebieten zu sich nahm, war viel größer als heutzutage. Das mitunter recht üppige Zechen hatte bei den Alemannen und bei den Franken eine lange Tradition, und es mangelte nicht an frommen Männern, die immer wieder gegen allzu üppigen Weinkonsum wetterten, darunter auch der erste Abt der Reichenau, der heiligen Pirmin, in seinem Missions- büchlein. Darin lesen wir: "Keiner zwinge den andern oder bitte jemanden ungestüm, mehr zu trinken als nötig. Denn der Herr sagt durch den Propheten: Wehe, die ihr früh aufsteht, euch dem Rausch zu ergeben und bis zum Abend zu trinken, daß ihr vom Wein glüht. Wehe euch, die ihr Helden seid im Weintrinken und tapfere Männer im Mischen berauschnder Getränke!" Doch auch vor dem mäßigen Weingenuß standen und stehen immer Arbeit und Mühsal der Rebleute, vor den frohen Festen gab es saure Tage und Wochen. All die vielen, z.T. beschwerlichen Tätigkeiten der Rebleute wurden in Rebordnungen genau geregelt und von Rebschauern überwacht. Waren die Trauben geerntet, konnte der Rebensaft auf dreierlei Weise gewonnen werden: durch Stampfen, Treten oder Pressen.

Die verbreitetste Form der Weingewinnung war das Pressen oder Keltern. Die Keltern bestanden aus dem mächtigen Baum, der Spindel und dem Bett, in das die vorgestampften Trauben gelegt wurden. Auf dem Bodanrück und auf der Höri hießen die Keltern meist Torkeln, im Hegau dagegen Trotten. Ein Torkelmeister bediente mit mehreren Knechten die schweren Pressen. Früher gab es in den Weinbaugemeinden oft mehrere Keltern, im Gebiet des heutigen Landrkeises Konstanz zusammen etwa 250! Trottengebäude mit erhaltenen alten Keltern (Trotten) findet man im Hegau noch in Bodman und in Steißlingen, leere Trotten z.B. in Singen am Fuß des Hohentwiel und in Gailingen. Außenstehende, die einen Weinkeller besuchten, mußten sich an eine bestimmte Ordnung halten. Es war verboten, an die Fässer zu klopfen. Damit wollte man den Besucher über den Weinvorrat im Unklaren zu lassen. Ebenso lag Strafe auf Schreien, Singen, Johlen und Fluchen, da man sich vor dem Wein als Gottesgabe ehrfürchtig zu benehmen hatte. Verstöße gegen das Kellerrecht ahndete man dras- tisch. Der Delinquent wurde über ein Faß gelegt und bekam mit dem Bandmesser, einem Stab, mit dem man sonst die Faßbänder antrieb, eine Anzahl Hiebe auf seinen Hintern.

Schon im 16. Jahrhundert begann eine rückläufige Bewegung im hiesigen Weinbau, weil man die Verminderung der Ackerfläche fürchtete. Nach dem Dreißigjährigen Krieg lagen Rebflächen lange brach, weil die Arbeitskräfte fehlten. Schlechte Lagen wurden mit Obstbäumen bepflanzt. Trotzdem gab es noch im 19. Jahrhundert umfangreiche Rebflächen in unserem Gebiet. Als dann aber nach 1900 Rebkrank-heiten die Eträge minderten, im kalten Winter 1928/29 viele Reben erfroren sind und 1936-38 die widerstandsfähigen Amerikanerreben wegen Gefährdung des Edelweinbaus entfernt werden mußten, kam der Rebbau in den meisten Hegauge- meinden ganz zum Erliegen. Doch gibt es auch heute noch im Hegau, bzw. auf dem Gebiet des Landkreises Konstanz etliche Rebflächen, insgesamt 64 ha, auf denen Qualitätswein geerntet wird, in Konstanz, auf der Reichenau (58 Kleinbetriebe mit zusammen ca. 13 ha), in Bodman (der Königsweingarten der Gräflichen Familie von Bodman), in Gailingen (4 Betriebe mit zusammen ca. 16 ha) und am Hohentwiel (die Staatsdomäne Olgaberg mit 7 ha und das Weingut Vollmeyer = Elisabethenberg mit 14,6 ha). Kleine Rebflächen finden wir auch in Bohlingen, Gaienhofen und neuerdings auch wieder in Büsingen. Wie in den anrenzenden schweizerischen Weinbauorten Stein am Rhein, Dörflingen, Thayngen und Schaffhausen wird auf deutscher Seite ein vorzüglicher Wein von hoher Qualität produziert, wobei auch die große Sortenvielfalt, die angeboten wird, beeindruckt.

Dr. Franz Götz

Autor:

Redaktion aus Singen

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