21. Jahrhundert IV
Diktatoren, Umweltschmutz oder die heile Welt von morgen?

Ist die Umwelt gerettet?

Wenn der Durchschnitts-Chinese ähnlich motorisiert wäre wie der Durchschnitts-Europäer, wäre das unser Ende, sagt Prof. Erhard Roy Wiehn (Jahrgang 1937), Soziologie-Professor an der Konstanzer Universität und Bundesverdienstkreuzträger. Die Umweltverschmutzung als Problem auch der Zukunft? Insbesondere durch den Eigennutz der Nationen sei der Schutz der Umwelt immer noch nicht im Griff. Ein positives Zeichen sieht Wiehn: Das Bewusstsein setze sich durch, dass die Erde unser eigener Planet ist, für den wir Verantwortung tragen. Prof. Jürgen Mlynek, Physik-Professor der Universität Konstanz, sagt, dass die Wissenschaft vor allem nie im Griff habe, ob eine technische Entwicklung zum Schaden der Menschheit genutzt werde. Derzeit müsse man damit rechnen, dass das getan werde, was technisch möglich sei. Fazit für Mlynek: Man muss die Chancen von neuen Entwicklungen (auch der Gentechnologie) darstellen und gleichzeitig die Ängste der Menschen ernst nehmen.

Wieviele sollen Arbeit haben?

Sie mag einem zur Zeit schon fast als selbstproduzierte Geißel der Menschheit scheinen: Die Arbeitslosigkeit. Die Frage für Wiehn lautet, ob es gelingt, durch neue Tätigkeitsfelder den Menschen wieder Aufgaben zu geben. Lebenssinn durch Arbeitslosigkeit, das ist für Wiehn ein Prinzip, das bislang nirgends funktioniert hat. Weitsicht müsse trotzdem sein: Bislang sei Arbeitslosigkeit immer durch die Entwicklung neuer Produkte wieder aufgefangen worden - durch Produkte, die man nicht voraussehen konnte.

Info:
Zu welcher Zeit hätte Prof. Wiehn leben wollen? "Heute", sagt er. Noch nie habe es so viele interessante positive Möglichkeiten gegeben. "Ich gehe davon aus, dass wir uns nicht vorstellen dürfen, von heute auf morgen in einer heilen Welt zu landen", so Wiehn. "Wir müsen lernen, mit Konflikten umzugehen, die wird es nämlich immer geben." Nehme der Mensch diese Chance wahr, habe er den Weg in Richtung bessere Welt eingeschlagen.

Werden wir einsamer?

Unsere Eltern gehen ins Altersheim, sagt Prof. Erich Bohl, Mathematik-Professor an der Konstanzer Universität, dessen Fachgebiet die Mathematik in den Wissenschaften ist. Die Pflege werde zur Dienstleistung und die jüngere Generation brauche sich dann um gar nichts mehr kümmern: Es gebe ja die Pflegeversicherung. Und der Computer komme der Vereinzelung entgegen. Jeder wolle sich in den Rechnerwelten verwirklichen, Gemeinsamkeiten kämen so keine mehr zustande. Ergebnis in den Chat-Räumen: Man kenne sich weniger, duze sich aber. Ohne Verpflichtung. Und für Bohl überraschend: Die Biologie funktioniere weiter. Also stellt sich für den Logiker die Frage, ob das System vernünftig oder unvernünftig ist. Ergebnis: Eine Population ist - biologisch gesehen - vernünftig, wenn sie wächst. An die Fortschreitung der Vereinzelung indes glaubt Bohl nicht: Ich denke, dass wir wieder natürlicher leben. In kleinen Gemeinden gibt es eine sehr enge Kommunikation. Das komme wieder.

Werden wir zu viele?

7 Milliarden Menschen leben derzeit auf unserem blauen Planeten. Das Bevölkerungswachstum gehört zu den großen ungelösten Fragen der Zukunft.

Tyrannen

Wie groß ist die Gefahr, dass wieder Diktatoren das politische Gleichgewicht auf der Welt in Gefahr bringen oder sich sogar auf Dauer Diktaturen bilden. »Eher gering«, sagt der Soziologe Prof. Wiehn. Keine Diktatur habe bislang allzu lange überlebt. Und Diktaturen seien Demokratien letztlich unterlegen. »Alle Diktatoren müssen letztlich davon ausgehen, dass sie die Wahrheit gepachtet haben.« Ein Diktator irre sich nicht, und wenn, dann dürfe er es nicht zugeben. Das sei der Grund, warum Diktaturen auf Dauer nicht überlebensfähig seien.

Um die Welt in Sekunden

Die Globalisierung ist das Stichwort dieser Tage: Das spürt man vor Ort schmerzhaft, wenn ein Betrieb wie Alusingen ein ums andere Mal einen neuen Mehrheitseigner bekommt und der Standort an sich überhaupt keine Bedeutung mehr hat. Doch Prof. Wiehn sieht auch Vorteile der Globalisierung: Der städtische Geist ziehe durch die Medien in den ländlichen Raum und erfasse die lokalen Strukturen. Ein Problem der Globalisierung sei, dass die Menschen durch immer schnellere Medien auch verschreckt würden: »Viele haben den Eindruck, dass alles immer chaotischer wird.«

Anatol Hennig

Autor:

Redaktion aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.