3.900 Jahre vor Christus
Pfahlbauten - von der Jungsteinzeit bis zur Bronzezeit

Die Ausgrabungen des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg in Hornstaad, Bodman und Sipplingen erbrachten große Mengen angekohlter Getreide, sogar vollständig erhaltene Ähren, die noch unversehrt im Schutt abgebrannter Pfahlhäuser lagen. Haustiere dürften hingegen in Viehkralen oder Ställen am festen Land untergebracht gewesen sein.

Dort befanden sich auch die Feldflächen, deren Bestellung anfangs wohl noch im Hackbau, ab der späten Jungsteinzeit vermehrt mit einfachen Hakenpflügen vor sich ging. Botanische und bodenkundliche Untersuchungen legen nahe, daß wir uns im Umkreis von 2-3 km um eine Siedlung die natürliche Waldlandschaft durch Rodung, Feldbau und Viehweidebetrieb weitgehend ausgelichtet vorstellen müssen. Auf diesen Lichtungen sammelte man vor allem auch Haselnüsse, Wildobst und Beeren. Jagd und Fischfang ergänzten die Ernährung. Die Siedler pflegten eine aus verschiedenen Quellen schöpfende und damit in gewissem Umfang kriesenunabhängige Mischwirtschaft. Erst in der Bronzezeit mehren sich die Anzeichen dafür, daß man vom wildbeuterischen Zubrot vermehrt abkam und sich weitgehend auf die Produkte von Landwirtschaft und Tierhaltung stützte.

Info:
Ab 3900 v. Chr. entwickelten die bäuerlichen Siedler der Jungsteinzeit am Bodensee eine neue Siedelweise. Man errichtete nun Pfahlbausiedlungen in der Flachwasserzone. In Dörfern eng zusammengebaute, auf Pfählen hochwassersicher vom Grund abgehobene Häuser aus Holz und Lehm beherbergten nun alles, was zum Wohnen und Kochen, zur Aufbewahrung von Landwirtschafts-, Jagd- und Fischfanggeräten und zur Vorratshaltung notwendig war. Auf 20-40 Quadratmetern Grundfläche lebte eine Familieneinheit mit all diesen Dingen unter einem Dach, vor allem auch mit umfangreichen Erntevorräten. Die optimalen Erhaltungsbedingungen im Seeschlamm haben Geflechte und Gewebe über die Jahrtausende überdauern lassen. So wissen wir, daß Familie Feuerstein leichte, regenabweisende Umhänge, kleine Spitzhüte und Sandalen aus Lindenbast getragen hat. Man kleidete sich also ähnlich wie "Ötzi", der ein Zeitgenosse der Pfahlbausiedler war.

Mit Intensivierung der Landwirtschaft und steigenden Bevölkerungszahlen kam es aber in der Landschaft zu einer starken Abspülung der Humusdecke und zu einer Nährstoffverarmung der Böden. Durch neue archäologisch-bodenkundliche Untersuchungen ist nachgewiesen, daß die Oberböden im Hegau ab der Bronzezeit in einem bisher nicht gekannten Ausmaß erodierten. Die Siedler gerieten also bereits damals in selbstverschuldete ökologische Katastrophen Etwa 300 Pfahlbausiedlungen haben die Archäologen bereits am deutschen und schweizerischen Bodenseeufer entdeckt. Durch moderne, sehr präzise Datierungen mit der Methode der Dendrochronologie, ist heute nachgewiesen, daß zeitweise eine große Siedlungsdichte am Seeufer bestand und zeitgleiche Dorfanlagen in Abständen von 2-5 km die Ufer säumten. Die einzelnen Siedlungen hatten jedoch nur kurzen Bestand, währten höchstens einige Jahrzehnte und wurden vielfach verlagert. Mehrfach kehrte man mit Unterbrechungen in die gleichen, siedlungsgünstigen Buchten zurück, so daß die Archäologen in einigen Fällen mehr als 10 Kulturschichten übereinander vorfinden. An diesen Schichtabfolgen läßt sich der Gang der Entwicklung bis an das Ende der Pfahlbausiedlungen in der Spätbronzezeit um 850 v. Chr. nachvollziehen. Die Siedlungen am Seeufer waren Teil eines ausgedehnten Siedelnetzes. Die Besiedlung der Feuchtgebiete und Gewässer hatte im gesamten Raum um die Alpen Tradition. Sie umfaßt zahlreiche Kulturen unterschiedlicher Kulturkreise, die miteinander in Kontakt traten.

Importierte Rohmaterialien zur Herstellung von Steinbeilen, wie Schwarzschiefer aus den Vogesen, Jade aus den Westalpen, Edelserpentin aus den Zentralalpen und Feuersteine aus Bergwerken an der Maas und im Fränkischen Jura sowie Schmuckschnecken aus dem Mittelmeer belegen, daß weitreichende Kontakte bestanden und das Leben im Bodenseegebiet sich nicht isoliert abspielte. Die Pfahlbausiedler hatten vor allem auch Nachbarn in regulären, auf festem Grund errichteten Dörfern. Für die ausgehende Jungsteinzeit sind solche Siedlungen mehrfach auf den Hegauvulkanen, z.B. am Mägdeberg und Hohenkrähen nachgewiesen. Ab der Bronzezeit übersteigen die archäologischen Siedelnachweise im Hegau die Zahl der Pfahlbauten sogar beträchtlich. Es ist von daher nicht sicher und eine noch ungelöste Forschungsfrage, ob die Pfahlbauten Siedlungszentren oder nur eine Randerscheinung der ansonsten regulär besiedelten Voralpenlandschaft darstellen. Innovationen: Bronze, Rad und Wagen In die Zeit der nahezu drei Jahrtausende umfassenden Pfahlbausiedlungen fallen entscheidende, das Leben revolutionierende Etappen der kulturellen und technischen Entwicklung. So begegnen uns bereits in der Pfahlbausiedlung Hornstaad Kupferobjekte, die zu den ältesten Metallfunden in Süddeutschland zu zählen sind. Als sich das neue Werkmaterial am Beginn der Frühbronzezeit durchzusetzen begann und erste Zinnlegierungen eine Verbesserung der Materialeigenschaften bewirkte, war Singen ein bedeutender Umschlageplatz des in den Alpen gewonnenen und über verschiedene Zentren verbreiteten Kupfers. Zahlreiche in der Nordstadt ausgegrabene, mit Metallbeigaben versehene Gräber lassen dies erkennen. Der Hohentwiel als wichtige Land- und Wegmarke ist wahrscheinlich der Grund, daß Singen in dieser Zeit zu einem wichtigen Handels- und Siedlungszentrum wurde. Bereits in die ausgehende Jungsteinzeit um 3000 v. Chr. fällt eine weitere, folgenschwere Neuerung, nämlich die Erfindung des Rades und des rindergezogenen Transportwagens. Neue Ausgrabungen des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg brachten in den letzten Jahren mehrere hölzerne Radscheiben im Federseemoor bei Bad Buchau zum Vorschein.

Sie gehören zu den ältesten Funden dieser Art auf der Welt und zeigen, daß bedeutende technische Erfindungen auch weitab von den frühen Hochkulturen gemacht wurden, beziehungsweise für die Ausbreitung entsprechender Erfindungen aus dem Vorderen Orient bis nach Süddeutschland kaum Zeit beansprucht wurde. Ohne Zweifel rollten die ersten Räder auch bald in Singen und erleichterten den Waren- und Überlandtransport. Mit der aufkommenden Metallurgie war Arbeitsteilung verbunden. Das Bronzehandwerk erforderte Spezialisten: Bergleute, Schmiede und Händler. Die Entwicklung brachte aber auch Probleme. Die neuen Möglichkeiten des Metalls führten zur Erfindung neuer Waffen. Nicht nur in der hochentwickelten minoischen und mykenischen Palastkultur des östlichen Mittelmeers, sondern auch hierzulande kam es mit Dolchen, Schwertern und bronzenen Lanzenspitzen zu neuen Kampftechniken. Die seit der Jungsteinzeit zunehmende Umschließung der Pfahlbausiedlungen mit Zäunen und Palisaden, am Ende gar mit stabilen Holzwehrmauern zeigt, daß kriegerische Bedrohung den Menschen in zunehmendem Maße zu schaffen machte.. Es ist zu vermuten, daß sich in der Bronzezeit erste stark befestigte, mit Stein- und Holz-Erde-Mauern umgebene Siedlungen auch auf den Hegaubergen befanden, deren Spuren durch den mittelalterlichen Burgenbau aber überdeckt und verwischt wurden. Singen blieb in dieser Zeit ein bedeutender Siedlungsschwerpunkt; mehr als 16 Siedlungsstellen der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur sind alleine im Umfeld des Hohentwiels, im Bereich der heutigen Stadt entdeckt worden.

Dr. Helmut Schlichtherle

Autor:

Redaktion aus Singen

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