Teilgenehmigung würde deutschem Luft gesenkte Mindestflughöhe bescheren
Landräte prüfen Klageweg gegen neue Flughafen-Genehmigung

Flughafen Zürich | Foto: Neuer Streit droht am Hochrhein wegen der neuen Teilgenehmigung für den Flughafen Zürich. swb-Bild: Jun Flughafen Zürich
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Konstanz / Waldshut. Die Flughafen Zürich AG beantragte im Oktober 2014 beim Schweizer Bundesamt für die Zivilluftfahrt (BAZL) die Änderung des Betriebsreglements für den Flughafen, die sog. Entflechtung des Ostflugkonzeptes (BR 2014). Nach diesem Konzept soll während der abendlichen Sperrzeiten und tagsüber bei besonderen Wetterlagen aus Osten auf die Piste 28 des Flughafens Zürich angeflogen werden, der Endanflug erfolgt dabei zwar über den Osten, die „Reihung“ der Flugzeuge geschieht aber weiterhin über Südbaden an der Landesgrenze Deutschland/Schweiz, bevor sie über den Kanton Schaffhausen hinweg in den Endanflug geführt werden.

Hierzu sollen aus dem Osten und Süden kommende Flugzeuge zunächst über den Landkreis Konstanz entlang der Staatsgrenze nach Norden an den Anflugpunkt über Blumberg im Schwarzwald-Baar-Kreis geleitet werden, aus Westen kommende Flugzeuge sollen über Hohentengen und das Wutachtal zum selben Anflugpunkt im Schwarzwald-Baar-Kreis geführt werden. Diese Zwischenanflüge führen in der süddeutschen Region zu einer Mehrbelastung von bis zu 10.000 Flugbewegungen im Jahr, was bei der Lärmbelastung gerade während der Schutzzeiten der 220. Durchführungsverordnung zum Luftverkehrs-Ordnung (220. DVO) zu einer signifikanten Erhöhung führen würde.

Die Landräte der Kreise Konstanz, Frank Hämmerle, des Schwarzwald-Baar-Kreises, Sven Hinterseh, und Waldshut, Dr. Martin Kistler, hatten sich mit Unterstützung von Landrätin Marion Dammann, Landkreis Lörrach, im Januar 2015 vehement gegen das BR 2014 gewandt. Da die vollständige Umsetzung des BR 2014 nur bei einer Inanspruchnahme des deutschen Luftraums möglich ist, hatte das BAZL beim deutschen Bundesamt für Luftsicherheit (BAF) eine entsprechende Änderung der 220. DVO beantragt.

Mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg hatten die Landkreise Waldshut, Schwarzwald-Baar-Kreis und Konstanz bei der Gesellschaft für Luftverkehrsforschung (GfL) ein Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem die Mehrbelastung bei den Flugbewegungen durch das BR 2014 und Alternativen zu diesem Konzept aufgezeigt wurden. Aufgrund des Widerstands der Landesregierung, der Landkreise und Kommunen, der Bürgerinitiativen sowie der sehr erfolgreichen politischen Unterstützung der Mandatsträgerinnen und -träger der Region konnte die vollständige Umsetzung des BR 2014 verhindert werden, da die jeweiligen Bundesverkehrsminister ihre Zustimmung zu einer Änderung der 220. DVO durch das BAF nicht erteilt haben. Nachdem auch intensive politische Bemühungen der Schweiz in Deutschland erfolglos geblieben waren, beantragte die Flughafen Zürich AG, die Teilgenehmigung des BR 2014, das jetzt nur noch Maßnahmen umfasst, die über Schweizer Staatsgebiet umgesetzt werden können.

Das nunmehr vom BAZL genehmigte Teilgesuch

(https://www.bazl.admin.ch/bazl/de/home/sicherheit/infrastruktur/flugplaetze/landesflughaefen/flughafen-zuerich/verfuegungen-2018---flughafen-zuerich.html)

beinhaltet im Wesentlichen die Absenkung der Minimumhöhe bei Starts von vierstrahligen Flugzeugen von Piste 32. Schwere viermotorige Langstreckenflugzeuge – insbesondere die Airbusse A340 der Swiss – können diese Höhe oftmals nicht erreichen, weshalb für diese Flugzeuge auf der Piste 34 eine Ausnahmeregelung mit einer Minimumhöhe von 2500 ft gilt. Diese Ausnahmeregelung soll jetzt auch für die Piste 32 gelten. Des Weiteren die Anpassung der FL80-Regel beantragt, damit in der Nacht weniger dicht besiedeltes Gebiet überflogen werden kann. Heute wird nach 22.00 Uhr der Anflugsektor auf die Piste 28 großräumig umflogen, da bei sich anbahnenden Konflikten bis 8000 ft ü.M. keine Flexibilität mehr gegeben ist. Als Folge davon werden seit der Einführung der FL80-Regel vor rund sechs Jahren im flughafennahen Gebiet dichter besiedelte Gebiete überflogen. Mit der beantragten Änderung des Betriebsreglements sollen diese negativen Auswirkungen der FL80-Regel rückgängig gemacht werden.

Die Genehmigung des Teilgesuchs wird insbesondere im Bereich der Gemeinde Hohentengen a. H. nach den Lärmberechnungen der EMPA zu höheren Belastungen gerade in den Nachstunden gegenüber dem heutigen Zustand führen. Die bisher in der Schweiz liegende 43 dB(A)-Linie wird sich in der ersten Nachtstunde erstmals nach Deutschland erstrecken. Bei einem Hintergrundpegel in Hohentengen unter 35 dB(A) in der Nacht wird diese Mehrbelastung deutlich wahrnehmbar sein. Die Landkreise haben im Juli 2017 auch gegen das Gesuch auf Teilgenehmigung Einsprache erhoben.

„Die Genehmigung des Antrags der Flughafen Zürich AG zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Beitrag zur Lösung der Auseinandersetzung um die Flugverkehrsbelastung in Südbaden“, betonen die Landräte Dr. Martin Kistler, Waldshut, Frank Hämmerle, Konstanz und Sven Hinterseh, Schwarzwald-Baar-Kreis sowie Bürgermeister Martin Benz, Gemeinde Hohentengen a. H.

„Wir Landräte haben schon mehrfach unsere Bereitschaft bekundet, den Fluglärmstreit nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung auch im Hinblick auf die ansonsten sehr guten grenzüberschreitenden Beziehungen zu den Nachbarkantonen in der Schweiz dauerhaft zu befrieden. Die bisherigen Erfahrungen haben aber gezeigt, dass die Auseinandersetzung in Verhandlungen auf Bundesebene zwischen den beiden Staaten nicht gelöst werden kann.“ Die regionalen Vertreter diesseits wie auch jenseits des Rheins sind der festen Überzeugung, dass eine Lösung allenfalls bei einem „Bottom-up-Ansatz“ gelingen kann, bei dem die Regionen mit den kommunalen Vertretern und den Vertretern der Bürgerinitiativen gleichberechtigt zusammen mit Bund, Land und Kantonen am Verhandlungstisch sitzen. Der Prozess sollte dabei von zwei unabhängigen Persönlichkeiten aus der Schweiz und Deutschland moderiert werden. „Hierzu reichen wir die Hand“, unterstrichen Martin Kistler, Frank Hämmerle und Sven Hinterseh. Auch aus Sicht von Martin Benz wäre dies ein vernünftiger Lösungsansatz.

Da das BAZL in der Genehmigungsentscheidung des BR 2014 die Gründe der deutschen Einsprachen nur kursorisch und abweisend behandelt hat, prüfen die drei Landkreise und die Gemeinde Hohentengen, ob sie gegen die Entscheidung Verwaltungsbeschwerde an das Schweizer Bundesverwaltungsgericht erheben werden.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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