Neue Leiterin des Hesse-Museums im Interview
„Die Institution Museum kann nicht ersetzt werden“

Möchte in Zukunft auch mehr SchülerInnen in das Hesse-Museum locken: Dr. Yvonne Istas, seit Oktober 2022 die neue Leiterin in Gaienhofen. | Foto: Philipp Findling
  • Möchte in Zukunft auch mehr SchülerInnen in das Hesse-Museum locken: Dr. Yvonne Istas, seit Oktober 2022 die neue Leiterin in Gaienhofen.
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Gaienhofen. Seit Oktober 2022 hat Dr. Yvonne Istas die Leitung des Hesse-Museums in Gaienhofen inne. Zuvor übernahm sie 2001 den Aufbau und die Leitung des Stadtmuseums Stockach, ehe die promovierte Kunsthistorikerin 2017 in das Museum Rosenegg in die Schweiz wechselte. Das WOCHENBLATT sprach mit ihr im Vorfeld der nächsten Sonderausstellung zu Erich Heckel über ihre Beweggründe sowie ihre Ziele und Projekte im Hesse-Museum.

Was hat Sie dazu bewegt, die Leitung des Museums zu übernehmen, nachdem Sie sich bereits unter anderem als Leiterin des Stadtmuseums in Stockach einen Namen gemacht haben?
Nach meiner Zeit im Stadtmuseum Stockach war es im Museum Rosenegg mit den Menschen und den Strukturen eine ganz neue Herausforderung für mich, so hatte ich Verantwortung für die betrieblichen Abläufe, die einem in einer Kommune abgenommen wird, und kam seltener zum eigenen Kuratieren. Es gab zwar ehrenamtliche Mitarbeiter, jedoch fehlte mir die administrative Unterstützung. Hier im Hesse-Museum habe ich ein Angestelltenteam, von dem ich aufgefangen werde. Mir war wichtig, von der Schweiz auf eine 80-Prozent-Stelle zurückzukehren, da ich mehr Zeit für private Dinge benötigte. Ich bin sehr froh, hier ein bisschen mehr Struktur und Unterstützung zu haben. Zudem kommt noch dazu, dass ich mich während meines Studiums mit den Synergien der Malerei auseinandergesetzt, mich bei meiner Promotion mit Musik und Literatur beschäftigt habe und mir der ländliche Aspekt des Hesse-Museums mit dem Haus Otto Dix und dem Mia-und-Hermann-Hesse-Haus als Leuchttürme auf der Höri sehr gefällt.

Wie haben Sie die ersten sechs Monate als Leiterin hier erlebt?
Es hat Vor- und Nachteile, wenn man in der Nachsaison mit seiner Arbeit beginnt. Viele Menschen denken oft, dass in den Wintermonaten nichts zu tun sei. Für mich war es jedoch eine ideale Einarbeitungsphase, um in Ruhe in die Dinge einzutauchen, die hier zu tun sind. Es gab aufgrund des Abschieds meiner Vorgängerin im Juni keine gemeinsame Übergangsphase, wo man zu zweit den Nachfolger einarbeiten kann. Somit musste ich mich selbst reinfuchsen und den Status quo sowie die Abläufe kennenlernen. Dann kam ich auf die Idee, in Frau Dr. Hübners Einverständnis mit der Heckel-Ausstellung ein Projekt aufzugreifen und umzusetzen, welches sie bereits 2022 angestoßen hatte. Ich fand es schön, dadurch zu zeigen, dass es eine Kontinuität in der Leitung gibt. Zudem galt es auch, das ganze Innerbetriebliche rund um den Bürgermeisterwechsel zu klären und zu sehen, was dort angestoßen wurde oder fortgesetzt werden könnte. Gleich an meinem ersten Wochenende fanden die Hesse-Tage statt, die insofern hier eine Bedeutung haben, da sie ein überregionales Publikum anlocken. Ich habe mit Hesse begonnen und das wird auch in den nächsten Jahren immer Thema sein.

Was verbinden Sie mit Hermann Hesse und was macht ihn sowie sein Schaffenswerk für Sie so besonders?
Ich bin wie viele andere in meiner Generation in der Schule das erste Mal mit Hesse konfrontiert worden. In der Studienzeit habe ich es dann im jungen Erwachsenenalter mit viel mehr Leidenschaft gelesen und das Werk war mir viel präsenter als in der Zeit, in der ich mich hier beworben habe. Durch die Kontakte zur Internationalen Hesse-Gesellschaft und meine Aufgabe hier bin ich wieder mehr in die Thematik eingetaucht. Ich finde, dass Hesse nach wie vor ein wichtiger Bestandteil für die Bildung ist. Wenn man SchülerInnen die wichtigsten Dinge über die deutsche Literatur mit auf den Weg gibt, ist er weiterhin einer der wichtigsten Vertreter. Er ist über viele Generationen hinweg bis heute noch ein wichtiger Bestandteil des Lebens, das merken wir tagtäglich, wenn hier geöffnet ist.

Welches Buch von Hermann Hesse hat Sie am meisten beeindruckt?
Ich mochte unheimlich gerne „Narziss und Goldmund“ aufgrund der beiden Hauptfiguren mit ihren unterschiedlichen Lebensschwerpunkten. Narziss, der blieb, um den geistigen Aspekt zu vertiefen und Goldmund, der in die Welt hinauszog und somit beide damit ihre Erfahrungen machen. Das und die Ansiedlung der Handlung im Mittelalter hat mich damals wahnsinnig beeindruckt. Auch das Thema Männerfreundschaften und die neue Welt, die ich durch dieses Buch kennenlernte, fand ich unheimlich spannend.


Welche Schwerpunkte haben Sie sich im Hesse-Museum damals zu Beginn ihrer Leitung gesetzt und welche haben Sie für die kommenden Jahre?

Ich habe mir bereits die Frage gestellt, wie man die Künstler- und Literaturlandschaft Höri besser bespielen kann, da die Dauerausstellungen seit 1994 und 2004 nicht mehr erneuert wurden. Dies ist und bleibt einer meiner wichtigsten Schwerpunkte hier. Mir ist es wichtig, dort die anstehenden Vermittlungsaufgaben vorzubereiten. Die meisten sind zu Recht beeindruckt von Hesses erstem Wohnort, bei der Künstler- und Literaturlandschaft wird jedoch nur mal ein Blick reingeworfen, zudem fehlt es an didaktischen Feinheiten. Daher möchte ich den musealen Arbeitsapparat auf dieses Gebäude konzentrieren. Zudem habe ich weiterhin Kontakt mit dem Hesse-Museum in Calw, mit dem wir außerhalb der Hesse-Tage die ein oder andere Veranstaltung machen wollen. Auch Newsletter würde ich sehr gerne hier einführen, um ein noch breiteres Publikum zu erreichen. In Kooperation mit dem Forum Allmende ist in diesem Jahr ein literarisches Thema als Ausstellung geplant. Ich bestrebe auch, in Zukunft die Hauptsaison im Sommer wieder mit einer Sonderausstellung zu planen, da dies im letzten Jahr gefehlt hat. Bezüglich einer Winteröffnung möchte ich bis zum Herbst Vorschläge sammeln, da Ausstellungen zu dieser Jahreszeit ihren Reiz haben und damit auch mehr Touristen zu uns locken könnten.

Sie betonten bei Ihrem Amtsantritt, dass Sie das Leben und Wirken von Hermann Hesse vielseitig würdigen und dabei auch junge Menschen erreichen wollen. Was ist in dieser Hinsicht Ihrerseits geplant?
Wir haben nach wie vor das museumspädagogische Programm, um Schulen mit Modulen und Workshops anzulocken. Wir möchten im Bereich Schule etwas mehr vorstoßen, andere Themen, die abiturrelevant sind, mit Hesse verknüpfen und dahingehend mit den Schulen in Kontakt treten. Hierzu werden wir mit dem Mia-und-Hermann-Hesse-Haus und den SchulleiterInnen Strategien entwickeln. Des Weiteren gibt es das Projekt, über Sonderausstellungen die SchülerInnen zu erreichen. So haben wir für die Ausstellung zu Erich Heckel dessen Druckpresse erhalten und wollen dahingehend im Sommerferienprogramm einen Workshop anbieten, um die vom Künstler angewandten Techniken selbst zu erlernen.

Das Hesse-Museum ist mit dem Haus Otto Dix eines der bedeutendsten und bekanntesten Museen am Bodensee. Inwiefern könnten Sie sich eine Zusammenarbeit in Zukunft vorstellen, zumal man in einem Ausstellungsraum auch Werke von Dix zeigt?
Ich habe diesbezüglich bereits mit der neuen Verwalterin ein Gespräch angesetzt. Es gibt schon das Kombi-Ticket im Verbund mit dem Dix-Haus. Ob die beiden Grundkonzepte sich vereinen lassen, weiß ich noch nicht, da es ein anderes Konstrukt ist, was dort im Hintergrund steht. Da es auch zu Gaienhofen gehört, liegt eine Kooperation sehr nahe. Vielleicht wird es ein Ausstellungsprojekt geben, wo ich mit Begleitprogramm gezielt Otto Dix zeigen werde – das hätte schon seinen Reiz.

Museen haben während der Pandemie mit am stärksten gelitten. Was muss Ihrer Ansicht nach getan werden, um diese Jahrhunderte alte Institution auch in Zukunft erhalten zu können?

Das wird jedes Museum individuell für sich aufgrund seines Sammlungsschwerpunktes und seiner Ausrichtung versuchen. Fakt ist, dass der klassische Museumsbesuch mit digitalen Reproduktionen im Netz nicht zu vergleichen ist. Auch die persönliche Vermittlung finde ich nach wie vor lebendiger als mit einem Audioguide, die ich trotzdem gut finde, da sie mir eine gewisse Hilfestellung bietet. Wenn ich mich zu Hause auf einen Museumsbesuch visuell mit 360-Grad-Rundgängen durch Ausstellungen vorbereiten kann, ist es auch toll, ersetzt aber nicht das tatsächliche Erlebnis. Um die Neuen Medien kommen wir nicht drumherum, sie bieten unheimlich viele Chancen und werden dennoch nicht die Institution Museum ersetzen. Ich habe keine Angst davor, dass es irgendwann einmal keine Museen mehr gibt, weil ich glaube, dass die Menschen den Unterschied sehen. Deshalb sind die jungen Leute auch so wichtig, da sie bereits in ihren jungen Jahren erlebt haben, was ein Museumsbesuch bedeutet. Viele haben als Berufsanfänger nicht die Zeit, um sich regelmäßig ehrenamtlich in Museen zu engagieren, haben dann aber aufgrund möglicher Erlebnisse in der Vergangenheit eine gewisse Affinität dazu oder planen mit ihren Kindern einen Besuch, weil etwas geboten wird. Es muss eine Interaktion möglich sein, egal ob durch Vermittlungen im Vorfeld oder Führungen sowie Stationen in der Ausstellung. Ich finde, dass man trotz der Pandemie auf einem guten Weg und dicht dran ist, wieder Besucherzahlen zu vorherigen Zeiten zu erreichen.

Ab Sonntag, den 26. März kann im Hesse-Museum Gaienhofen die Sonderausstellung „Erich Heckel. Holzschnitte 1905 – 1965“ besucht werden. Die Vernissage hierzu findet am selben Tag um 11 Uhr statt und wird gleichzeitig die erste des neuen Bürgermeisters Jürgen Maas sein. Die Ausstellung selbst kann bis zum 27. August bewundert werden. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite des Museums unter www.hesse-museum-gaienhofen.de.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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