Theater „tACTlos“ macht das Internet zur Bühne
„Digital.Zeit, Alter!“

Tactlos | Foto: Die Bühne zur Suchmaschine, die die Welt zum Reich von „GAFA“, kurz „ER“ genannt, machten die Spieler-Autoren von „tACTlos“ mit ihrem wirklich beachtlichen Stück „Digital.Zeit, Alter“ in fünf Aufführungen im Kulturzentrum Gems. swb-Bild: of
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Singen (of). „Was glaubst du wer mehr über dich weiß? Deine Familie oder Google?“ Eine der vielen spannenden Fragen, die im Trailer vor dem Stück „Digital. Zeit, Alter“ Passanten in der Singener Fußgängerzone gestellt wird. Man sieht, wie die Befragten erst mal ganz ruhig werden um zu sagen: „Ich glaube Google!“. Und schon geht im Saal das Internet an, das Publikum sitzt vor einer zweistöckigen Suchmaschine, deren beleuchtete Schränke dauernd von „Bits“ und „Bites“ ganz in Weiß und auch „0“ und „1“ (Jarina Maier und Josef Dischler) ihre Position verändern und wohl nur Mr. „Search“ (Pascal de Sombre) den vielen Fragen einen Platz zuweisen kann, wo die Antwort stehen könnte. Vier Nerds (Phillip Frederiksen, Sarina Vitillo, Lord Tom Albrecht, Leon Winterhalder) basteln an neuen Cyberspielen und kommen ins Grübeln über Algorithmen, über Filterblasen in den Suchmaschinen, die den Suchenden gar nicht alles zeigen, aber das, was sie zu suchen haben. Aus Google, Amazon, Facebook und Apple wurde die virtuelle Gestalt GAFA (Paul Pollmann/ Lukas Liebl) entworfen, die es nur auf der Leinwand gibt und die mit „Er“ angeredet wird, als wäre es ein Gott. Die Algorithmen (Shireen Lind, Satya Braun, Paul Pollmann, Lea Richrath, Lea Jäckle, Henry Huber, Mieke Sander, Nadine Angerer & Melissa) schwirren durch die Suchmaschine, scheinen auf der Bühne die ganze virtuelle Welt immer neu zu ordnen, damit „ER“ zufrieden ist. Was das Internet mit uns Menschen macht, führen die User (Noe Schwald, Lisa Büche, Rosalie Auer, Lea Große, Julia Kellermann) in zum Teil recht drastischen Szenen vor. Denn „IHM“ ist es egal ob die Wale gerettet werden, wer mit seiner Homepage nicht zahlt, der landet halt im hintersten Winkel und der Rettungsruf wird nicht gefunden. Das Netz und auch die anderen User kennen keine Gnade, wenn jemand Nacktfotos verschickt die ein Leben zerstören können. Und selbst die Flucht ins „Darknet“ lässt keine Geheimnisse zu, die die langen Ohren des Netzes eindrucksvoll vorführen. Wer weiß, wie oft das eigene Smartphone mithört? Zuweilen wird’s einem da im Publikum ganz schön mulmig, was „ER“ alles weiß, und wie er es einsetzen kann – und wie er Kunden zu seinem Produkt machen will. Nicht für die User, sondern für sich. „Ist das Internet gut für die Demokratie oder schlecht“, war da noch so eine Frage aus dem Trailer, die erst mal ratlose Blicke erzeugte. Das lässt das Stück offen….

Die Theatergruppe „tACTlos“ hat das Stück „Digital.Zeit, Alter!“ gemeinsam– trotz dem großen Abiturs-Generationswechsel - selbst entwickelt, schon das ist beachtlich – denn es legt den salzigen Finger in so manche Wunde. Und das nicht selten. Welches Potential in dieser Bühnen-Suchmaschine steckt, könnte das „Schultheaterfestival der Länder“ im September in Kiel aufzeigen, für das sich „tACTlos“ beworben hat, wie Regisseurin und Kreativitätscloud Nicola Fritsch dem Publikum nach dem langen Applaus erzählte. Nach den Pfingstferien wird darüber informiert, ob die Bewerbung erfolgreich war – das Motto für 2018 entspricht mit „Flagge zeigen“ schon mal dem, was man hier im Saal der Gems erleben und erfühlen konnte. Bereits in einer „Rohfassung“ war „tACTlos“ auf den „JustSEE-Theatertagen“ in Friedrichshafen, das gab den Schub für die gereifte Endfassung. Ein ausdrücklicher Dank ging von der Gruppe wie Nicola Fritsch an den Förderverein der Schule, der als Sponsor für die Sparkasse Hegau-Bodensee eingesprungen war, die ihre Schulförderung eingestellt hat. Bleibt die Quintessenz: „Wer die heutige Welt verstehen will, muss das Internet begreifen.“

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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