Große Unterschiede in Sachen Kinderbetreuung
Wie steht es um die Kitas in Stockach und Radolfzell?

„Wir sind dazu bereit, in diesem Bereich neue Wege zu gehen.“ (OB Simon Gröger, hier mit Mitgliedern des GEB Kita nach der Sondersitzung) | Foto: swb-Bild: Philipp Findling
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  • „Wir sind dazu bereit, in diesem Bereich neue Wege zu gehen.“ (OB Simon Gröger, hier mit Mitgliedern des GEB Kita nach der Sondersitzung)
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Stockach/Radolfzell. Die aktuelle Lage in Sachen Kinderbetreuung ist und bleibt auch im Landkreis ein Brennpunkt. Läuft es in Stockach gut in Sachen Fachkräfte, sieht es in Radolfzell ganz anders aus. Das WOCHENBLATT hat sich hierzu bei beiden Seiten erkundigt.

Die Situation in Stockach bezüglich der Kitas ist eine gänzlich andere als es der CDU-Stadtverband Radolfzell in seinem Impulspapier fordert, was auch Christoph Stetter so empfindet: „So extrem, dass eine Betreuung an allen Wochentagen nicht gewährleistet sein kann, ist es in Stockach nicht.“ Man hatte wie andere Gemeindegebiete auch während der Pandemie immer wieder krankheitsbedingte Ausfälle und Personalprobleme, jedoch sei es nach seiner Erläuterung kein Normalzustand mehr, wie er in Radolfzell beschrieben wird. Vor allem der Forderung von Bedarfsanalysen sehe er zumindest in Stockach kritisch entgegen: „Um so etwas bei uns durchzuführen, sind wir schlicht und einfach zu klein in diesem Bereich.“ Man müsse allgemein, so Stetter, beim Fachkräftemangel Möglichkeiten prüfen, die Ausbildung im Sinne einer besseren Vergütung attraktiver zu gestalten, wonach hier die Landesregierung und die Tarifpartner handeln müssen.

Warum in Stockach die Lage nicht so gravierend ist wie in Radolfzell, konnte auf Nachfrage des WOCHENBLATTs Sachgebietsleiterin Stefanie Lippelt mitteilen: „Wir haben hier unterschiedliche Rahmenbedingungen, die dazu beitragen. Eine davon ist die sehr gute Zusammenarbeit sowie die schnelle Entscheidungsfindung mit den Einrichtungsleitungen.“ Hierbei werden, so Lippelt, durch gute Kommunikation, einen sehr offenen Umgang und ein tolles Miteinander Entscheidungen vor allem im Sinne der Kinder und Eltern getroffen. „Zudem vermute ich, dass die Qualität der BewerberInnen auf einen Ausbildungsplatz ein weiterer wichtiger Faktor in diesem Bereich ist“, ergänzt sie. Diese füllen die Lücken, die bei einem Fachkräftemangel aufgehen sollten, schnell wieder auf. Des Weiteren müsse man nur in vereinzelten Fällen die Eltern während der Randzeiten benachrichtigen, dass die Kinder nicht kommen könnten, was ihr zufolge dazu führe, dass man keine Schichtarbeit durchführen müsse. Derzeit werden laut der Sachbearbeiterin für Kitas in Stockach, Christiane Küppers, 493 Kinder in den zehn städtischen Einrichtungen von 90 ErzieherInnen betreut. Hierzu kommen noch sieben Vertretungskräfte, die flexibel eingesetzt werden können.

Eltern sollen in Radolfzell mitentscheiden

Ganz anders sieht es in der Stadt Radolfzell aus. Hierzu wurde seitens der FDP und der Freien Wählern ein Antrag zu einer Sondersitzung vor der Haushaltsberatung eingebracht, worauf zwei Tage später ein weiterer der CDU folgte. Dabei wurde seitens der Stadtverwaltung unter anderem ein professionelles Personalmarketing eingebracht, welches von Annegret Allgaier vom Gesamtelternbeirat der Kindertageseinrichtungen Radolfzell (GEB Kita) auf Nachfrage des WOCHENBLATTs bemängelt wurde: „Auf wichtigen Jobseiten wie Indeed werden sehr wenige Stellen angeboten, meist nur nach dem PIA-Modell. Auf ‚Jobs am Bodensee‘ gibt es nicht eine einzige Anzeige der Stadt selbst. Das ist schlicht und einfach nicht ausreichend.“ Selbst was die Einstellung von ausländischen Fachkräften angehe, sei man gegenüber Konstanz im Hintertreffen: „Hier wurden bereits im letzten Jahr Stellen ausgeschrieben und besetzt. Die Fachkräfte bekommen seit einem halben Jahr zudem regelmäßig Deutschkurse geboten.“ In dieser Hinsicht habe die Stadt Radolfzell geschlafen. Die Eltern seien bereit, Kompromisse für eine mittel- und langfristige Lösung einzugehen. Hierbei darf sich laut Allgaier die Notbetreuung jedoch nicht etablieren.
Auch die CDU Radolfzell bekräftigte die Worte von Allgaier: „Die Eltern erwarten eine verlässliche Antwort, bei der die Sicherung der Arbeitsplätze garantiert werden kann“, erläuterte CDU-Gemeinderatsmitglied Bernhard Diehl. Man müsse alle Interessen, auch die der Eltern, unter einen Hut bringen, um Kitas als dauerhafte Baustelle zu vermeiden. „Wir erwarten, dass bis zur Informationsveranstaltung am 14. Februar eine Lösung gefunden wird“, ergänzte er. Zudem bestärkte er den Vorschlag, das Offenburger Modell, bei dem fachfremde Zusatzkräfte eingesetzt werden sollen, in die Maßnahmen der Stadtverwaltung miteinzubeziehen. Unter Berücksichtigung dessen sowie den von den Eltern kurzfristigen Lösungsvorschlägen in Kooperation mit dem GEB Kita wird die Stadtverwaltung nun ein „Radolfzeller Modell“ zur Aufrechterhaltung eines verlässlichen Ganztagsbetriebs erarbeiten und dem Ausschuss für Bildung, Soziales und Sicherheit (BSS) am 28. Februar ein Zwischenergebnis vorlegen: „Die Situation ist weder den Fachkräften noch den Eltern zumutbar, daher muss nun gehandelt werden“, fügte Laule hinzu. Man schlittere nahezu in eine Fachkraftkrise hinein. „Bis zur fertigen Ausarbeitung des Modells im Herbst wollen wir das ‚Modell Stuttgart‘, bei dem jede/r Auszubildende ein Taschengeld von 200 Euro erhält, umsetzen“, erklärte Bürgermeisterin Monika Laule.

Resolution an die Landes- und Bundesregierung geplant

Die Freie Grüne Liste (FGL) befürwortete diesen Schritt, bemängelte jedoch, dass die geplante Resolution, welche an den Städte- und Gemeindetag Baden-Württemberg sowie die Landes- und Bundesregierung verabschiedet werden soll und die Vergütung der Berufsausbildung des ErzieherInnenberufs als Inhalt hat, von der Verwaltung selbst formuliert wird: „Dem Gemeinderat soll am 7. Februar ein Resolutionsentwurf zur Beschlussfassung vorgelegt werden“, forderte Siegfried Lehmann. Schließlich wolle man wissen, was darin stehe. Diesem Antrag sowie dem Zusatz, diesen auch auf der Infoveranstaltung am 14. Februar vorzustellen, wurde in der Sitzung einstimmig stattgegeben. Darüber hinaus werden der bereits gegründete Arbeitskreis mit Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats und Führungskräften der vom Personalmangel betroffenen Fachbereiche auf die Dauer von vorerst einem Jahr etabliert, die weiteren Maßnahmen begleitet sowie der BSS über dessen Beschlüsse informiert.
Fortführend brachte Lehmann den Antrag ein, umgehend Voraussetzungen für die Notbetreuung der Kinder durch die Eltern in Räumlichkeiten der städtischen Kitas – mit oder ohne Fachkraft – nach den Schließzeiten zu ermöglichen. Diesem wurde, unter Vorbehalt rechtlicher Prüfung sowie mit dem Zusatz, dass allen Kindern hier die gleichen Chancen eingeräumt werden sollen, in der Sitzung zugestimmt. Auch die Beschleunigung des Anmeldeprozesses für die Kinder sowie eine Vergütung der Entgeltgruppe S8b, in der staatlich anerkannte ErzieherInnen mit Grundausbildung eingestellt werden, wurden in der Sondersitzung beschlossen.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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