WOCHENBLATT-Serie zur Bundestagswahl: Andreas Jung (CDU)
»Die Chemie gehört in das Labor«

Foto: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung strebt eine dritte Wahlperiode an. swb-Bild: CDU
  • Foto: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung strebt eine dritte Wahlperiode an. swb-Bild: CDU
  • hochgeladen von Redaktion

Kreis Konstanz (sw). Im Vorfeld der Bundestagswahl am Sonntag, 22. September, spricht das WOCHENBLATT mit den Kandidaten der einzelnen Parteien und stellt sie im Rahmen einer Serie vor. Heute: der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung.

WOCHENBLATT: Mit einem Gesetz gegen »Fracking« hat es vor der Sommerpause nicht mehr geklappt?

Andreas Jung: Die notwendigen Verschärfungen konnten in der verbleibenden Zeit vor der Sommerpause mit der FDP nicht mehr durchgesetzt werden. Wir haben uns eindeutig festgelegt: Die Union wird »Fracking« bundesweit ausschließen. Dafür habe ich mich im Bundestag von Anfang an vehement eingesetzt. Chemie gehört ins Labor und nicht in den Boden! Trinkwasserschutz und Gesundheit haben oberste Priorität vor wirtschaftlichen Interessen. Alle schädlichen Chemikalien werden deshalb verboten. Wir werden dieses Verbot gesetzlich regeln. Damit wird die Erkundung gestoppt, und schon Probebohrungen werden ausgeschlossen. Die aktuellen Konzessionen berechtigen nur zum Sammeln von Informationen am Schreibtisch. Probebohrungen könnten frühestens in vier bis fünf Jahren stattfinden. Schon das werden wir verhindern.

WOCHENBLATT: Zum Thema Atommüll. Muss denn ein Endlager unbedingt in Baden-Württemberg liegen?

Andreas Jung: Nein, muss es nicht. Bund und Länder haben sich auf ein bundesweites Suchverfahren geeinigt. Ein Ergebnis ist nicht vor 2030 zu erwarten. Es wird eine bundesweite Suche nach dem bestmöglichen Standort erfolgen. Kriterium ist dabei die bestmögliche Sicherheit. Und die gibt es mit Sicherheit nicht im Hegau. Hier ist Erdbebengebiet der Stufe zwei.

WOCHENBLATT: Zur Energiewende mit Atomausstieg. Viele Bürger befürchten Preissteigerungen?

Andreas Jung: Die Kernenergie birgt Risiken, die wir nicht tragen wollen. Und gerade die Endlagersuche mit ihren Milliardenkosten zeigt, dass die Kernenergie keine billige Energie ist. Die Energiewende bietet zudem viele Chancen für Mittelstand, Handwerk, Landwirtschaft und regionale Wertschöpfung. Doch wir müssen die Kosten für die Strompreise begrenzen und haben dafür verschiedene Vorschläge gemacht. Klar ist aber: Es gibt keine rückwirkenden Eingriffe!

WOCHENBLATT: Wie wollen Sie die entstehende Lücke in der Energieversorgung stopfen?

Andreas Jung: Durch erneuerbare Energie. Hiefür brauchen wir dezentrale Speicher genauso wie Pumpspeicherkraftwerke. Für mehr Energieeffizienz setzen wir auf die steuerliche Förderung energetischer Gebäudesanierung. Das haben wir im Bundestag beschlossen. Leider blockiert der Bundesrat – auch Baden-Württemberg!.

WOCHENBLATT: Mit Blick auf diese erneuerbaren Energien sind aber nicht alle Bürger von Windkraftanlagen begeistert.

Andreas Jung: Darum müssen wir die Anlagen dort umsetzen, wo es in der Bürgerschaft eine Akzeptanz dafür gibt. Die Stadt Engen zum Beispiel ist offen für Windenergie und hat einen Bürgerdialog dafür angestoßen. Diese Bürgerbeteiligung ist entscheidend. Das brauchen wir auch bei der Eigentümerstruktur. Ich freue mich deshalb über die Aktivitäten der Bürgerenergiegenossenschaften. Allerdings muss der Ausbau mit Augenmaß erfolgen. Wir brauchen eine Regionalplanung, mit der Gebiete für Windkraft, aber auch für Natur- und Landschaftsschutz festgelegt werden. Es ist falsch, dass die Landesregierung diese regionale Steuerung abgeschafft hat.


WOCHENBLATT: Gibt es Fortschritte bei den Bemühungen um die Begrenzung des Fluglärms?

Andreas Jung: Der Flughafen Zürich ist für unsere Region ein wichtiger Standortfaktor, daher müssen wir auch einen Teil der Lasten tragen. Doch schon heute gehen 80 Prozent der Anflüge über Südbaden. Deshalb geht es jetzt um eine gerechte Verteilung des Fluglärms. Der Vertrag mit der Schweiz würde ohne Änderungen für uns im Kreis Konstanz erhebliche Mehrbelastungen bringen. Deshalb habe ich mich dagegen ausgesprochen, und wir haben die Ratifizierung im Bundestag verhindert. Derzeit gibt es etwa 100.000 Anflüge pro Jahr über deutsches Gebiet. Wir wollen weniger, die Schweiz behauptet, der Vertrag mache eine Entwicklung auf 110.000 Überflüge möglich. Die Schweiz plant zudem neue Flugrouten über dem Kreis Konstanz, und der Vertrag sieht eine Absenkung der Flughöhe vor. Zusammen würde das bedeuten: Mehr und tiefere Flüge über Bodensee und Hegau – und damit mehr Fluglärm. Deshalb werde ich dem Vertrag so nicht zustimmen. Ratifizierung in der Schweiz hin oder her – wir müssen nachverhandeln! Das haben wir bei einem Gespräch in Basel deutlich gemacht.

WOCHENBLATT: Sehr viele Gespräche wurden auch über die B33 geführt. Das scheint eine endlose Geschichte zu sein.

Andreas Jung: Nein, nicht endlos. Es geht darum, den 2009 begonnenen Ausbau zu beschleunigen. Und das haben wir durch Gespräche im Bundesverkehrsministerium erreicht. Das ist ein entscheidender Fortschritt. Wichtig ist, dass die Region geschlossen hinter der Maßnahme steht.

WOCHENBLATT: Noch ein Wort zur Abhöraffäre. Hat die Bundesregierung wirklich nichts gewusst?

Andreas Jung: Fest steht, dass ein umfassendes Ausspähen von Mails nicht geht: Deutschland ist ein Rechtsstaat und bestehende Gesetze müssen eingehalten werden – gerade von Partnern wie den USA. Etwas anderes können wir nicht akzeptieren. Die Botschaft an die Amerikaner ist klar und deutlich: Unrecht kann nicht durch Rechtsbruch bekämpft werden. Terrorbekämpfung ist wichtig. Aber die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu finden, ist Aufgabe des Gesetzgebers – nicht der Geheimdienste.

WOCHENBLATT: Die CDU möchte mehr Frauen für politische Mandate gewinnen und sie als Wählerinnen zurückgewinnen. Wie geschieht das?

Andreas Jung: Wir haben ja eine Frau als Bundeskanzlerin – Angela Merkel. Doch das genügt nicht. Hier hat die CDU Nachholbedarf. Die nächste Nagelprobe für eine Verbesserung des Frauenanteils wird die Kommunalwahl im nächsten Jahr sein. Hier wünschen wir uns gleich viele Frauen wie Männer auf den Listen. Für die Gewinnung von Frauen brauchen wir eine moderne Familienpolitik und einen anderen Politikstil. Die Hinterzimmerpolitik hat ausgedient, gerade Frauen wollen andere, offenere Diskussionsformen.

WOCHENBLATT: In Singen hat die CDU mit Oliver Ehret und Bernd Häusler zwei CDU-Bewerber im Kampf um den OB-Sessel ins Rennen geschickt. War das nicht sehr unglücklich?

Andreas Jung: Das war eine Situation, die man sich nicht wünscht. Eine OB-Wahl ist keine Parteien-, sondern eine Persönlichkeitswahl. Dennoch war es eine schwierige Situation, nicht nur für die ganze Stadt, die Polarisierung ging auch quer durch die CDU. Jetzt geht es darum, dass Gräben geschlossen werden und die Menschen wieder zusammen kommen.

WOCHENBLATT: Zur Wertediskussion in der CDU. Hat die Partei ihre Linie gefunden?

Andreas Jung: Wir müssen immer wieder über Werte diskutieren, denn sie sind die Grundlage der CDU. Doch Werte bewahrt man, indem man das Feuer erhält, nicht durch das Anbeten der Asche. Was heißt das heute? Wir brauchen völlige Gleichberechtigung von Frauen und Männern und Wahlfreiheit der Familien bei der Erziehung der Kinder. Die steuerliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen eingetragenen Partnerschaften halte ich für richtig. Aber das Ehegattensplitting muss zu einem Familiensplitting weiterentwickelt werden. Denn Kinder müssen am stärksten gefördert werden. Beim Adoptionsrecht bin ich von einer völligen Gleichstellung nicht überzeugt. Hier geht es nicht nur um Gleichberechtigung, sondern um eine weitere Perspektive – die des Kindes.

WOCHENBLATT: Wagen wir einen Blick in die Zukunft – welche Koalition wird angestrebt?

Andreas Jung: Das entscheidet der Wähler. Die Koalition macht gute Arbeit, aber im Wahlkampf wirbt jeder für seine Positionen. Wir wollen, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt.

WOCHENBLATT: Bevorzugen Sie schwarz-gelb?

Andreas Jung: Im Sport Schwarz-Grün – die Farben meines Vereins VfR Stockach. In der Politik geht es nicht um Farbenspiele, sondern um die Sache. Ich habe es vor der Landtagswahl aber falsch gefunden, zu viele Türen zuzuschlagen.

Interview: Simone Weiß

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.