Angehörige klagen über mangelnde Kontakte zu Pflegebedürftigen in Heimen
Ein bisschen wie Besuch im Gefängnis

VisaVis | Foto: Viele Pflegeheime, wie hier das Pflegezentrum Hegau haben findige Lösungen entwickelt, um wenigstens optische Begegnungen möglich zu machen. swb-Bild: dh
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Kreis Konstanz. Auch in den Pflegeheimen wurde als eine der ersten Reaktionen auf die Corona-Pandemie eine striktes Besuchs- und zeitweise sogar Betretungsverbot verhängt, das viele Angehörige sehr bekümmerte. Nach zwei kleinen »Lockerungsrunden« in den Corona-Bestimmungen steht nun eine weitere Ministerrunde an, von der sich viele Angehöriger Erleichterungen erhoffen, ihren pfegebedürftigen Verwandten wieder etwas Nähe vermitteln zu können.

Die neuen Regelungen sollen in der Lenkungsgruppe besprochen werden und spätestens zum 1. Juli in Kraft treten, kündigte die Pressestelle des Sozialministeriums auf Nachfrage des WOCHENBLATT an: »Sie sollen mit Blick auf die aktuelle Pandemielage Besuche für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige einfacher machen, Aufwand für die Pflegeeinrichtungen reduzieren und trotzdem den Schutz dieser besonderes verletzlichen Bevölkerungsgruppe gewährleisten.« Wie das geht, wird diese Woche vorgestellt.

Schon die Andeutungen werden von vielen Angehörigen mit Sehnsucht erwartet. Denn derzeit haben die Besucher eher einen Charakter von Gefängnis, wie sie dem WOCHENBLATT immer wieder schildern. Denn die Besuche müssen aktuell angemeldet werden, dürfen nur in einem strengen Zeitfenster meist von einer halben Stunde stattfinden, aber das Gegenüber wird immer noch durch Scheiben oder Riesenabstände geprägt. Einzelne Heime lassen zwar die Gäste in die Räume, dann aber nur mit Schutzausrüstung.

Diese Besuchsregelungen sind nicht nur für Angehörige eine enorme Belastung, sondern auch für das Personal der Pflegeheime, die sich nun oft alleine um die Betagten kümmern müssen.

Das WOCHENBLATT hat sich in der Region umgehört »Selbst wenn Pflegebedürfte keinen Besuch bekommen haben, so konnten sie an anderem Besuch teilhaben«, sagt Luise Mitschler, seit 20 Jahren Heimführsprecherin in Konstanz, der eine Vereinsamung auffällt. Wie viele andere hat sich schon Briefe ans Sozialministerium geschrieben, denn es gehe nicht nur um körperliche, sondern auch um seelische Gesundheit. »Sonst bekommen diese Menschen ganz andere Krankheiten.«

In den Pflegeheimen selbst ist zu spüren, dass die Angst sehr groß ist, dass dort eine Corona-Infektion auftritt, vor allem auch im Blick darauf, was Medien dann daraus machen.»Am Anfang waren alle froh darüber, dass wir solche Schutzmaßnahmen ergreifen. Doch jetzt, wo die allgemeine Akzeptanz bezüglich der gesamten Corona-Schutzmaßnahmen drastisch sinkt, zeigt man auch wieder mit dem Finger auf die Pflegeeinrichtungen«, klagt Heidrun Gonser, Leiterin des Servicehaus Sonnenhalde in Singen. »Wir sind in allem alleine auf uns gestellt – auch jetzt mit den Lockerungsmaßnahmen. Ach ja: und verantworten dürfen wir es auch selbst«, richtet sie in Richtung Politk.

Nur etwas anders sieht es Maik Zlatanovic vom neuen »Seniorendomizil am Hewen« in Engen: »In erster Linie geht es uns um das Wohlergehen und die Gesundheit der uns anvertrauten Menschen. Insbesondere sensiblere Angehörige brauchen hierbei eine intensive Begleitung und Beratung. Und genau da stoßen wir an unsere Grenzen. Es gibt schlicht und ergreifend keine Erfahrungswerte für eine solche Krise«, schreibt er. Das könne man nur zusammen lösen, wobei die Politik hier eine rechtssichere Grundlage geschaffen habe.

Dominik Eisermann, Leiter des Emil-Sräga-Haus in Singen sieht große Unterschiede. Denn auch in Vor-Corona-Zeiten gab es viele Bewohner, die sehr selten Besuch bekamen und für die die Mitarbeiter zum Familienersatz werden mussten. Daran habe auch die Krise nichts geändert. Andere wiederum hätten mit dem Rechtsanwalt gedroht um sich Zugang zu verschaffen. »Wenn hier etwas passiert, muss ich das nach aktueller Lage verantworten«, verteidigt er eine nach eigener Ansicht »harte Linie«. »Auch bei unseren Mitarbeitenden gehören 20 Prozent zu Risikogruppen, wer soll die Menschen dann Pflegen, wenn hier etwas passiert«, wird er noch deutlicher. Deshalb ist für ihn auch weiter größte Vorsicht angesagt. Angehörige dürfen sich dort mit ihren Verwandten eine Stunde in der Woche mit Abstand im Café treffen, sogar ohne Scheibe aber mit zwei Meter Abstand. Immerhin gibt es in diesem Heim Wohngruppen, also trotz der Einschränkungen etwas Miteinander.

Das Wochenblatt hatte weitere Einrichtungen angefragt, aber keine Antworten erhalten. Das Diakonische Werk sei in der Task-Force des Landes gut vertreten, wurde vom »Haus am Hohentwiel« vermittelt, das reiche erst mal aus, um etwas zu verändern.

Mehrere Dachverbände haben im Vorfeld der anstehenden Lenkungsrunde Resolutionen formuliert: Die Politik müsse sich nun für klare Prioritäten entscheiden: entweder die Öffnung mit allen Risiken, oder Gesundheitsschutz mit allen Beschränkungen. Der Verband Deutscher Alten

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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