Konstanz muss mächtig aufrüsten bei den Kitas
Personaloffensive und 400 neue Kita-Plätze bis 2026

Amin Hilali ist einer von rund 800 ErzieherInnen in Konstanz. In seiner jetzigen Stelle betreut er Kinder zwischen 2 und 6 Jahren: „Die ersten sechs Jahre sind so elementar wichtig in der Entwicklung. Ich sehe das immer so: Wenn man in dieser Zeit etwas bewirken kann, ist es vielleicht ein kleiner Stein. Aber der zieht so seine Kreise.“
 | Foto: Stadt Konstanz
  • Amin Hilali ist einer von rund 800 ErzieherInnen in Konstanz. In seiner jetzigen Stelle betreut er Kinder zwischen 2 und 6 Jahren: „Die ersten sechs Jahre sind so elementar wichtig in der Entwicklung. Ich sehe das immer so: Wenn man in dieser Zeit etwas bewirken kann, ist es vielleicht ein kleiner Stein. Aber der zieht so seine Kreise.“
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Konstanz. Rund 3.000 Kinder werden in den Konstanzer Krippen, Kindergärten, Kindertagesstätten und Kinderhäusern derzeit betreut. Die Gruppe der über Dreijährigen macht dabei den größten Anteil aus. Von 2.982 Kindern, die zum Stichtag 1. März 2021 betreut wurden, waren 2.373 in diesem Alter. Und ihre Zahl wird in den kommenden Jahren noch weiter anwachsen. Einer der Gründe dafür ist die Verschiebung des Einschulungsstichtags, die zu einem „Rückstau“ führt: Die Kinder bleiben dadurch länger im Kindergarten und belegen dadurch auch länger die Plätze. Auch die Zahl der Kinder, die einen Ganztagesplatz brauchen, steigt weiter an. Die Anzahl der betreuten Kinder von 0 bis 3 Jahren ist nach aktuellen Zahlen dagegen rückläufig – im März 2021 waren es 609 Kinder. Durch die geburtenstarken Jahrgänge der letzten Jahre, die inzwischen im Kindergartenalter angekommen sind, hat sich die Betreuungsquote wie bereits im Vorjahr verringert.

Hoher Bedarf an Plätzen

Dennoch gilt laut der Mitteilung der Stadt Konstanz für beide Gruppen, dass der Ausbau der Betreuung weiter notwendig ist – denn freie Plätze gibt es in Konstanz quasi nicht. Zwar werden gelegentlich Plätze kurzfristig freigehalten, wenn sich eine Aufnahme aus nicht planbaren Gründen verschiebt oder wenn eine Einrichtung durch viele neue Eingewöhnungen zu Beginn des Kindergartenjahres nicht alle Kinder parallel aufnehmen kann. Grundsätzlich sind aber alle Betreuungsangebote – wie bereits in den Vorjahren – während des gesamten Kindergartenjahres vollständig ausgelastet.
Eine aktuelle Bevölkerungsprognose des Instituts empirica geht zudem in den Altersgruppen von 3-6 Jahren und 6-10 Jahren von stark bis sehr stark steigenden Kinderzahlen aus. Das bedeutet für die Stadt Konstanz, dass für die nächsten Jahre mit einem deutlich steigenden Betreuungsbedarf geplant werden muss.
Eine besondere Herausforderung sind dabei die seit 2015 sehr starken Geburtsjahrgänge, die in der Bevölkerungsvorausrechnung von 2012 nicht prognostiziert wurden und die seitdem massive Auswirkungen auf die verfügbaren Plätze haben.

Ausbau der Betreuungsplätze bis 2026

Um dem voraussichtlich steigenden Bedarf entgegenzuwirken, will die Stadt Konstanz die Betreuungsplätze bis zum Jahr 2026 deutlich ausbauen. Vorbehaltlich der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, Fachkräfte und anderer schwer kalkulierbarer Unwägbarkeiten – beispielsweise der Kapazitäten von Baufirmen, Architekten – können dann voraussichtlich weitere 130 Krippenplätze und 278 Kindergartenplätze in Betrieb genommen werden.
Einige Maßnahmen sind noch in Planung, andere wurden bereits umgesetzt. Dazu gehört beispielsweise die Kita Grenzbach, die auf dem ehemaligen Areal des Technologiezentrums Konstanz entstanden ist. Bis zu vier Kindergartengruppen – das entspricht etwa 80 Betreuungsplätzen – können dort untergebracht werden.

Problem Fachkräftemangel

Dass bisher erst eine Gruppe in der Kita Grenzbach angeboten wird, hat einen ganz bestimmten Grund: Auch in Konstanz fehlt in zunehmenden Maße Personal für die Betreuung der Kinder. Der wichtigste Faktor, der den Betrieb und auch den
Ausbau der Kinderbetreuung in der Kommune limitiert, ist damit der Fachkräftemangel. Nach aktuellen Zahlen sind trägerübergreifend insgesamt 80 Vollzeitstellen für ErzieherInnen unbesetzt – dadurch können 150 Plätze für Kinder über drei Jahren und 20 Plätze für Kinder unter drei Jahren nicht angeboten werden, obwohl die räumlichen Kapazitäten eigentlich vorhanden sind.
„Es ist eine dramatische Situation, wir haben in den letzten Jahren viel in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert. Das alles steht und fällt mit der Frage, ob und wann wir das notwendige Personal dafür finden“, sagt der Leiter des Sozial und
Jugendamtes, Alfred Kaufmann.
Die Stadt Konstanz hat im Herbst vergangenen Jahres eine Strategiegruppe Fachkräfte gegründet, um das Problem anzugehen. Das Gremium besteht aus VertreterInnen freier Träger, der Stadt und der Elternschaft. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wollen die Teilnehmenden eine gemeinsame Strategie entwickeln, um beispielsweise eine Konkurrenz zwischen den Einrichtungen und Trägern zu vermeiden. Neben der Gewinnung zusätzlicher
Fachkräfte ist ein weiterer wichtiger Punkt, das bereits bestehende Personal in Konstanz zu halten. Auf Landesebene hat die Stadt Konstanz zudem im Rahmen des Städtetages mit anderen Kommunen einen Vorstoß initiiert, um die derzeit noch sehr einengenden Bedingungen des Fachkräftekatalogs in Baden-Württemberg flexibler zu gestalten.

Zahlen und Daten zu den Kitas in Konstanz

In Konstanz gibt es 56 Einrichtungen, von denen 11 in städtischer Trägerschaft sind. Neben der Stadt gibt es 18 weitere Träger. Nach vorläufigen aktuellen Zahlen (Stand März 2022) werden 3.263 Kinder von rund 800 Fachkräften betreut. Die Gesamtkosten der Einrichtungen für Kinder werden durch Zuschüsse der Stadt Konstanz und des Landes Baden-Württemberg, durch Elternbeiträge (etwa 12 Prozent) und den verbleibenden Eigenanteil der Träger (10 Prozent) sowie Steuermittel finanziert.

Ein Erzieher berichtet aus seinem Alltag

„Ich bin jeden Tag erfüllt, wenn ich bei der Arbeit bin“

Dass er Erzieher werden will, wusste Amin Hilali schon früh: Während der Schulzeit machte er ein Praktikum in einer Kindertagesstätte und im Kinderkulturzentrum Konstanz. „Da habe ich gemerkt: Da brennt etwas in mir, ich gehe auf in dem Kontakt mit Kindern, dem will ich nachgehen.“ Nach der Schule – und ein paar anderen Jobs – machte der heute 31-Jährige schließlich eine Ausbildung zum Erzieher im Marianum Zentrum für Bildung und Erziehung in Hegne. Ein Grund für seine Motivation war seine eigene Kindheit. „Meine Kindergartenzeit war nicht so rosig.“ Er sei immer wieder gegen Barrieren gestoßen. „Ich habe als Kind erlebt: Wenn man nicht der Norm entspricht, ist es schwierig.“ Deshalb entschied er: „Ich möchte etwas verändern.“

Die Ausbildung zum Erzieher habe rund vier Jahre gedauert, man brauche mindestens einen Realschulabschluss dafür, sagt Hilali. Während der Ausbildung müsse man sich sehr stark mit sich selbst beschäftigen, weil man später im Beruf eine hohe Verantwortung trage. „Man muss wissen: Warum mache ich Dinge so, wie ich sie mache, was hat mich da geprägt?“ Auf dem Lehrplan stünden Themen wie Pädagogik, Erziehungswissenschaften, Didaktik und Methodik. „Im vierten Jahr folgt das Anerkennungsjahr, nach dem man den Beruf ausüben darf.“

Amin Hilali entschied sich dafür, vor allem mit kleineren Kindern zu arbeiten. In seiner jetzigen Stelle betreut er Kinder zwischen 2 und 6 Jahren. „Die ersten sechs Jahre sind so elementar wichtig in der Entwicklung. Ich sehe das immer so: Wenn man in dieser Zeit etwas bewirken kann, ist es vielleicht ein kleiner Stein. Aber der zieht so seine Kreise.“ Das pädagogische Konzept der Stadt Konstanz
sagte ihm dabei sehr zu, besonders da der Schwerpunkt auf der sogenannten Reggio-Pädagogik. „Das ist genau die Haltung, mit der ich den Kindern begegnen möchte“, sagt er. Einer der wesentlichen Punkte dieser Pädagogik ist es, die Kinder in ihrer individuellen Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen.

Was Hilali besonders fasziniert an seiner Arbeit: „Ich bekomme immer eine direkte Rückmeldung von den Kindern – und daran merke ich, ob ich etwas richtig oder falsch mache. Die Kinder sind ehrlich und sie zeigen es mir, sie sind authentisch. Und daran kann ich auch wieder wachsen.“

Das Aufgabenfeld eines Erziehers sei in den vergangenen Jahrzehnten extrem gewachsen, sagt Hilali, der seit 2014 in seinem Beruf arbeitet. Beispielsweise gehe es viel darum, die Kinder zu beobachten und darauf aufbauend ein Angebot für sie zu entwickeln. Seine KollegInnen und er hätten alle einen anderen Fachbereich, bei ihm sei das die Bewegung. „Die Beobachtungen aus den unterschiedlichen Fachbereichen werten wir dann in unserem Team aus und schauen, welche Interessen stecken dahinter, welches innere Thema beschäftigt das Kind gerade.“

Wenn ein Kind beispielsweise viel mit einem Zug spiele, stecke dahinter vielleicht das Thema Abschied, weil der Vater für eine längere Zeit mit dem Zug weggefahren sei. „Wenn wir das beobachten, können wir daraus ein pädagogisches Angebot für das Kind entwickeln – und schauen gleichzeitig auch, für welche Kinder das noch etwas wäre. Und dann können wir gezielte Impulse geben – zum Beispiel über Gefühle sprechen.“

Aber es gebe in seinem Beruf auch Bereiche, die nicht ideal seien, sagt Hilali. So seien Männer noch immer in der Unterzahl. „Dabei habe ich auch im Erzieherberuf Aufstiegsmöglichkeiten“, sagt der 31-Jährige. Zudem nehme die Zahl der Kinder, die entwicklungsverzögert oder verhaltensauffällig seien, leider zu. Hinzu komme der Personalmangel – dadurch sei es schwer, den vielen neuen Herausforderungen gerecht zu werden.

Um das Problem Fachkräftemangel offensiv anzugehen, hat die Stadt Konstanz im Jahr 2021 die Strategiegruppe Fachkräfte gegründet. Das Gremium besteht aus VertreterInnen aller Träger in Konstanz und der Elternschaft, die sich untereinander zum Thema Personalgewinnung abstimmen. Auch das bestehende Personal in Konstanz zu halten, ist ein wichtiges Anliegen.

Hilali wirbt ebenfalls für seinen Beruf: „Ich bin jeden Tag erfüllt, wenn ich bei der Arbeit bin, weil ich weiß, ich mache etwas, was in einem kleinen Rahmen etwas bewegen kann. Wenn ich in die strahlenden Augen eines Kindes sehe, bei dem ein Impuls ein Feuer entbrannt hat, dann kann ich glücklich nach Hause gehen
– und das Kind geht auch glücklich nach Hause.“

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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