Keine Inszenierung ging durch Corona verloren
„Respekt ist zumutbar. Immer.“ für die neue Spielzeit des Theater Konstanz

Heike Sasse, Chefdramaturgin Doris Happl, Intendatin Karin Becker und Hannah Stollmayer präsentierten die neue Spielzeit für das Theater Konstanz im Riesenrad auf Klein-Venedig. | Foto: Fiedler
  • Heike Sasse, Chefdramaturgin Doris Happl, Intendatin Karin Becker und Hannah Stollmayer präsentierten die neue Spielzeit für das Theater Konstanz im Riesenrad auf Klein-Venedig.
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Konstanz.  Ungewöhnliche Rahmenbedingungen sorgen auch für ungewöhnliche Präsentationen. Im Riesenrad auf Klein-Venedig präsentierte die Intendantin des Theater Konstanz, Karin Becker, mit ihrem Führungsstab die neue Spielzeit, die im September wieder ganz klassisch mit einem Theaterfest beginnen wird.  Auch wenn der Betrieb monatelang in den letzten zwei Jahren stillstand, ober aber nur unter drastischen Einschränkungen durchgeführt werden konnte: "Wir haben kein Stück verloren", so Chefdramaturgin Doris Happl in der Medienkonferenz, bei der das neue Programm per Lautsprecher in die Kabinen des Riesenrads übertragen wurde. Es bedeutet freilich aber auch, dass die Inszenierungen von "Wer hat Angst vor Viginia Woolf", die "Animal Farm" nach George Orwell (diesmal aber Indoor und nicht Open-Air wie geplant) wie "Tot sind wir nicht" als letzter "Stehsatz" noch in diese Saison eingebettet werden, wie angekündigt wurde. Der Plan ist ambitioniert: 22 Premieren sollen gefeiert werden, darunter sieben Uraufführungen. 15 Regisseurinnen und 6 Regisseure werden die Stücke auf ihre Aktualität befragen.
Und: auch wenn in den ersten beiden Spielzeiten nicht immer alles wie geplant stattfinden konnte, so durften doch viele Erfolge gefeiert werden – sowohl beim Publikum als auch bei der Presse. Hausregisseur Kristo Šagor wurde mit der Uraufführung „Der fabelhafte Die“ von Sergej Gößner gleich zu mehreren Festivals eingeladen, unter anderem zu den Mülheimer Theatertagen und dem Festival Schöne Aussicht in Stuttgart. Ein weiterer Erfolg: Trotz Corona konnte das Theater Konstanz 169 neue Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen, wurde in der Medienkonferenz vermittelt.

Positionen gegen die soziale Ausgrenzung

Die Spielzeit 2022/2023 wurde unter das Motto „Respekt ist zumutbar. Immer.“ gestellt, das einem Essay von Carolin Emcke entnommen ist. "Die soziale Ungerechtigkeit nimmt zu. Positionen verhärten sich. Wir müssen uns wieder gegenseitig Gehör schenken. Mit Respekt streiten und den eigenen Standpunkt immer wieder aufs Neue infrage stellen“, wie Intendantin Karin Becker im neuen Spielzeitheft schreibt.
Gestartet wird im Stadttheater am 23. September mit „dem“ Theaterklassiker über Machtmissbrauch, Privilegien und patriarchale Strukturen: „Der zerbrochne Krug“. In „Woyzeck“ von Georg Büchner ist die Titelfigur dem radikalen Mangel an Empathie seiner Umwelt ausgesetzt, bis die Welt ihm selbst zum Fragment wird und er aus dem sozialen Gefüge herausfällt. Schon in der ersten Spielzeit geplant, kommt nun auch endlich „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ in der Regie von Kristo Šagor auf die Stadttheaterbühne. Und Hausregisseurin Franziska Autzen inszeniert hier „Einfache Leute“ der jungen Autorin Anna Gschnitzer, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Verhältnisse, in die wir hineingeboren werden, unsere Zukunft bestimmen. Uraufgeführt wird im Großen Haus „Quijote“ sehr frei nach Miguel De Cervantes von Hannes Weiler, der auch Regie führt. Was ist, wenn sich die Wirklichkeit nicht länger leugnen lässt? Oder wenn sie noch viel absurder ist als jede fantastische Vorstellung?
Susi Weber, die in der ersten Spielzeit ihre rasante Version von „Viel Lärm um nichts“ auf die Open Air Bühne auf dem Münsterplatz gebracht hat, ist für ein großartiges Spektakel im Stadttheater zuständig: „Shock-headed Peter“, die Junk-Oper von den Tiger Lillies, Phelim McDermott & Julian Crouch – schrill und grotesk!

Weiter mit dem "Stadtensemble"

Auch in der Spiegelhalle gibt es eben noch einen  „Nachholtermin“ – hier gelangt „Tot sind wir nicht“ zur Aufführung – in ihrem Debutstück lässt Autorin Svenja Viola Bungarten ihre Figuren in absurd-komischen Dialogen über Altern, Armut und Sterblichkeit nachdenken. Für den gesamten Konstanzer Stadtraum erarbeitet das Kollektiv Tondlhaas „:innen“, eine Stadtvermessung der besonderen Art, die männliche Orte hinterfragt und „unsichtbare“ Frauen aufspürt. Auch das STADTENSEMBLE mit Mitgliedern aus Konstanz und der Region erarbeitet wieder ein Stück – beim Arbeitstitel „(Keine) Panik auf der Titanic“ darf man gespannt sein! Im Rahmen des Bodenseefestivals wird „PRESS“, ein Abend über Kriegsreporterinnen und Kriegsreporter zu sehen sein. Simone Geyer und Hannah Stollmayer stellen dabei unter anderem die Frage, was Menschen bewegt, einen Beruf des Ausnahmezustands zu ergreifen. 

Moliere auf dem Münsterplatz

Zum Publikumsmagnet wird sicher wieder das sommerliche Open Air auf dem Münsterplatz. 2023 steht „Der eingebildet Kranke“, eine Komödie mit erwünschten Nebenwirkungen von Molière, auf dem Plan.
Nicht nur im Erwachsenentheater bietet das Theater Konstanz ein großes Spektrum der unterschiedlichsten Inszenierungen. Auch für Kinder und Jugendliche werden Stücke mit Spaß und Anspruch für jedes Alter präsentiert. Eröffnet wird die Spielzeit 2022/2023 fürs Junge Publikum im Oktober 2022 mit „und alle tiere rufen: dieser titel rettet die welt auch nicht mehr“. Inszeniert wird Thomas Köcks Abgesang auf unsere Welt von Hausregisseur Kristo Šagor, und er spricht Jugendliche ab 14 Jahren an. Kinder ab 6 Jahren kommen bei „Die wilde Sophie“ auf ihre Kosten, wo ebendiese den überbehüteten Prinzen Jan aus seinem Kokon rettet. Die Kleinen ab 4 Jahren werden wieder von Barbara Fuchs und Jörg Ritzenhoff verzaubert – „Psssst!“ heißt das Familienstück übers Rauschen und Lauschen. Wer letztes Jahr von den kleinen Robotern in „Angeknipst!“ begeistert war, sollte auch dieses Mal unbedingt dabei sein.
Ebenfalls auf dem Programm stehen „Animal Farm“ (ab 12 Jahren), Kristo Šagors Stück „Ich lieb dich“ (ab 8 Jahren), die deutschsprachige Erstaufführung des (Kinder-)Krimis „Und alles“ (ab 10 Jahren) sowie die Uraufführung „Lauter denken, mit vollem Mund“ frei nach Motiven von „Alice im Wunderland“ (ab 6 Jahren).
„Respekt ist zumutbar. Immer.“ Theater will zeigen, wie man Differenzen aushalten kann. Das Theater will Haltung zeigen. "Fertige Antworten wird es im Theater nicht geben, dafür aber Denkanstöße und neue Blickwinkel", so Karin Becker bei der Präsentation.
Mehr auch unter www.theaterkonstanz.de

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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