Interview mit dem Hauptgeschäftsführer der Vereinigung badischer Unternehmerverbände
Zur Eindämmung selbst beitragen

Michael Hafner | Foto: Michael Hafner Hauptgeschäftsführer der Vereinigung badischer Unternehmerverbände. swb-Bild: pr
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Freiburg/ Landkreis Konstanz. Michael Hafner ist der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Badischer Unternehmerverbände mit Sitz in Freiburg. Er berichtet, wie die Wirtschaft selbst mit gutem Beispiel voran-
gehen kann, um die Inzidenzzahlen zu senken und damit weitere Öffnungsperspektiven zu schaffen.

Wochenblatt:
Wie ist bei Ihnen in Anbetracht der aktuellen Lage gerade die Stimmung?
Michael Hafner: »Es kommt immer darauf an, wo man hinhört. Es gibt ja Bereiche, die weniger stark von der Krise betroffen sind, da ist dann höchstens die Frage, wie Homeoffice am besten umsetzbar ist und wie man den Betreib am Laufen halten kann, wenn es coronabedingte Ausfälle bei den Mitarbeitern gibt. Aber gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen in den Innenstädten, Gastronomie und Hotellerie, Handel und die Veranstaltungsbranche sind hart getroffen. Uns macht aber auch Sorgen, dass Schulen zum Teil noch geschlossen sind, denn für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ist es nicht gut, wenn diese immer nur zuhause vor dem Bildschirm sitzen und zu Konsumenten von Datenmengen werden.«

Wochenblatt: Letzteres ist sicherlich auch im Hinblick auf die Gewinnung von Fachkräften in den kommenden Jahren ein problematischer Punkt, oder?
Michael Hafner: »Ja, klar. Gerade im dualen Bereich, wo es sehr stark um haptische Dinge geht, ist diese Situation problematisch. Es gibt im Moment keine Möglichkeit Praktika zu machen. Wir versuchen zwar Online-Angebote zu schaffen, aber das kann keine persönlichen Gespräche ersetzen, insbesondere im Handwerk, wo es darum geht, selbst etwas zu tun und etwas direkt zu erleben. Ich bin mir sicher, dass wir das auch bei den Ausbildungszahlen spüren werden.«

Wochenblatt: Wie beurteilen Sie die neue Öffnungsstrategie des Bundes?
Michael Hafner: »Wir sind natürlich glücklich, dass es jetzt überhaupt eine Öffnungsstrategie gibt. Lange gab es dazu ja keine klaren Pläne. Wir sind auch froh, dass der Fokus dabei stark auf der Region liegt. Es gab schließlich davor schon Regionen, wo die Inzidenzen unter 35 lagen, und dort war es dann auch niemandem mehr vermittelbar, wieso es keine Öffnungen geben durfte. Die Geduld geht langsam zu Ende und wir wundern uns immer über Umfrageergebnisse aus denen hervorgeht, dass über 50 Prozent der Menschen mit den Maßnahmen zufrieden sind. Unsere Wahrnehmung im Alltag ist eine andere. Wir müssen jetzt lernen mit diesem Virus zu leben. Der wird nicht von heute auf morgen weg sein. Unsere Empfehlung ist: impfen und testen. Wir haben uns deshalb schon lange für eine gute Teststrategie eingesetzt, insbesondere mit unserem Pilotprojekt »Tests für Freiburg« um die Politik und die Kommune da auch ein Stück weit vor uns herzutreiben. Was noch fehlt ist ein gutes Konzept für die Schulen. Deshalb haben wir jetzt angefangen an Schulen und Kitas mit dem Selbsttestverfahren zu testen um Infektionsketten schnell zu unterbrechen.«
Wochenblatt: Können Sie das Konzept »Tests für Freiburg« kurz erläutern?
Michael Hafner: »Wir haben von Seiten der Wirtschaft in Freiburg zwei parallele Wege installiert, weil uns aufgefallen ist, dass es immer wieder Fälle in Kindergärten gibt und nichts dagegen unternommen wird. Deshalb haben wir auf dem Münsterplatz in Freiburg eine Teststation aufgestellt und gleichzeitig angefangen, Kindergärten und Schulen mit einem Testmobil anzufahren und zunächst das Personal durchzutesten. Finanziert wurde das alles durch Privatspenden. In einem zweiten Schritt haben wir dann begonnen, auch die Kinder in den Kindergärten zu testen und jetzt möchten wir damit auch in den Schulen beginnen. Hintergrund ist einfach, dass wir damit versuchen, die Politik auch ein Stück weit anzutreiben. In Freiburg ist uns das sehr gut gelungen. Was uns jetzt noch fehlt, ist eine ganz klare öffentliche Strategie für die Testung an Kindergärten und Schulen.«

Wochenblatt: Also kann die Wirtschaft durch solche Aktionen selbst dazu beitragen, dass die Zahlen durch schnelle Unterbrechung von Infektionsketten sinken?
Michael Hafner: »Ja. Wir müssen insgesamt viel mehr für die Prävention tun. Wir geben viel Geld für die Schadensbegrenzung aus, aber bei der Prävention wird gespart. Wenn so ein Test zehn Euro kostet, dann kommt natürlich bei einer Stadt wie Freiburg schnell eine Million zusammen für flächendeckende Tests an Schulen. Aber verglichen mit den Milliarden, die ausgegeben werden, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen, ist das ein Klacks.«

Wochenblatt: Das heißt, es wäre auch für die Wirtschaft besser, wir würden durch eine vernünftige Strategie die Inzidenzzahlen gesenkt bekommen, um einen einigermaßen normalen Betrieb ermöglichen zu können, anstatt immer weiter Hilfszahlungen zu leisten.
Michael Hafner: »Ganz genau. Das mit den Hilfszahlungen ist ohnehin sehr umständlich. Mich erreichen ganz unterschiedliche Berichte darüber, wie gut das mit der Auszahlung bei uns in Baden-Württemberg läuft.
Was man da teilweise hört, kann einem wirklich die Zornesröte ins Gesicht treiben. Das ist alles viel zu bürokratisch. Durch die Pandemie tritt insgesamt nochmal ganz deutlich zutage, was wir in Deutschland für einen bürokratischen Staat haben.«

Wochenblatt:
Kommen wir nochmal zurück zur Öffnungsstrategie: Sind solche Konzepte wie Click & Meet tatsächlich eine Erleichterung für den Einzelhandel oder bringen diese nur zusätzlichen Aufwand?
Michael Hafner: »Das ist eine Krücke, um es ganz klar zu sagen. Der Einzelhandel ist darüber nicht glücklich, denn erstens braucht man mehr Personal und zweitens bedeutet es weniger Frequenz.
Also es ist nicht wirklich eine Lösung. Deshalb wiederhole ich gerne nochmal: Wir müssen die Inzidenzzahlen auf unter 50 senken um wieder richtig öffnen zu können. Das geht nur mit einer flächendeckenden Teststrategie.
Klar, dann werden die Fälle erst mal ansteigen, weil viel entdeckt wird, was man sonst nicht gefunden hätte, aber langfristig gehen die Zahlen nach unten.«

Wochenblatt: Sie haben in Ihrer Funktion sicher auch viel Kontakt zu Politikern. Fühlen Sie sich von diesen Wahrgenommen mit Ihren Anliegen?
Michael Hafner: »Man hat immer das Gefühl, dass die Politiker in diesem Bereich sehr ohnmächtig sind. Es sieht so aus, als würde jeder dem anderen die Verantwortungen zuschieben zu wollen. Da kann man schon dran verzweifeln. Allerdings muss man sagen, international betrachtet haben wir in Deutschland einen ganz guten Job gemacht, was den Umgang mit der Pandemie angeht. Trotzdem bin ich jetzt enttäuscht, dass wir nicht mehr Öffnungsperspektiven haben. Dafür wären Tests enorm wichtig.«

Wochenblatt: Was bräuchte die Wirtschaft im Moment von Seiten der Politik am dringendsten?
Michael Hafner: »Wir brauchen verlässliche, klare Konzepte. Das ist das einzige, was man einfordern kann. Dazu müssen Inzidenzwerte und Krankenhauskapazitäten einbeziehen. Vor dem Hintergrund einer guten Impf- und Teststrategie könnten wir damit relativ schnell sichere Öffnungsperspektiven schaffen.«

Wochenblatt: Wie ist denn unsere Wirtschaft im Südwesten insgesamt aufgestellt? Sind Sie zuversichtlich, dass wir wieder gut aus der Krise herauskommen können?
Michael Hafner: »Das produzierende Gewerbe und das Handwerk laufen ja noch ganz ordentlich. Andere Branchen hat es sehr viel härter getroffen und ein abschließendes Bild wird es deshalb erst geben können, wenn die Insolvenzordnung wieder greift. Wir glauben, dass da schon noch ein erheblicher Kahlschlag kommen wird.«

Wochenblatt: Es gibt ja aber auf der anderen Seite auch große Profiteure der Krise. Insbesondere die berüchtigten Online-Giganten wie Amazon und Co.. Vor einigen Monaten hat unser lokaler Bundestagsabgeordneter Andreas Jung zusammen mit einem anderen Politiker das Konzept einer Paketabgabe für große Online-Händler zur Sprache gebracht. Diese könnte seiner Meinung nach dann für lebendige Innenstädte eingesetzt erden. Wie stehen Sie zu einem solchen Konzept?
Michael Hafner: »Von Abgaben und Lenkungspolitik halte ich wenig. Das hört sich zwar im ersten Moment sehr gut an, aber es schafft am Ende nur wieder zusätzliche Bürokratie. Was entscheidend wäre ist, dass alle die gleichen Voraussetzungen haben, zum Beispiel in Bezug auf Besteuerung und Löhne und sich nicht einige Große über geltende Regeln hinwegsetzen können. Das müsste abgestellt werden, dann hätte man diese Thematik gut im Griff.«

Wochenblatt: Was macht Ihnen gerade trotz aller schwieriger Umstände am meisten Mut?
Michael Hafner: »Mut macht uns, dass viele trotz der Pandemie zuversichtlich nach vorne schauen. Das war in Deutschland schon immer so. Klar gibt es immer die Jammerer, aber es gibt eben auch die Lokomotiven, die alles nach vorne ziehen. Und ich bin froh, dass wir diesen Unternehmergeist haben. Klar die Zeche werden wir irgendwann zahlen müssen. Hier bin ich besorgt, dass das über Steuererhöhungen gelöst werden soll und das wäre falsch, denn es träfe wieder genau die falschen. Aber ansonsten bin ich immer Optimist und ich glaube, wir werden das auch diesmal gut meistern.«

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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