Aktionswoche der Landwirte gestartet
"Es ist ein Schlag ins Gesicht unserer Mittelschicht"

Seit Montagmorgen protestieren flächendeckend Landwirte organisiert gegen die Sparpläne der Bundesregierung. | Foto: Philipp Findling
29Bilder
  • Seit Montagmorgen protestieren flächendeckend Landwirte organisiert gegen die Sparpläne der Bundesregierung.
  • Foto: Philipp Findling
  • hochgeladen von Tobias Lange

Mühlhausen-Ehingen/Landkreis Konstanz. Gesagt, getan: Wie angekündigt startete am heutigen Montag, 8. Januar, der großangelegte Protest der Landwirte gegen die Pläne der Bundesregierung, Subventionen für den Agrardiesel zu streichen. Eine der zentralen Kundgebungen in der Region fand beim ZG Raiffeisen in Mühlhausen-Ehingen statt.

Die Auswirkungen des Protests waren im Straßenverkehr deutlich spürbar. Zu Beginn der Aktion auf dem ZG Gelände gab es kilometerlange Staus und Behinderungen. Auch andernorts - beispielsweise in Singen und in Engen - waren Traktoren unterwegs und sorgten dafür, dass der Verkehr nur langsam vorankam.

Stefan Leichenauer, Vorsitzender des Kreisverbands Konstanz des BLHV, rechnete zu Beginn der Aktion in Mühlhausen-Ehingen mit etwa 800 Fahrzeugen, die Polizei geht auf Anfrage des WOCHENBLATTs derzeit von 400 Teilnehmern/Fahrzeugen aus. Die Sternfahrt sollte entlang der L191 in beide Richtungen führen. An die Teilnehmenden wurden am und im Technikgebäude der ZG Raiffeisen von lokalen Bäckern und Metzgern Würste, Berliner und Heißgetränke verteilt.

"Redet mit uns und nicht über uns"

"Es stinkt uns gewaltig, was aktuell in Deutschland passiert", verdeutlicht Leichenauer zu Beginn seiner Rede. Für ihn sei es das richtige Zeichen, dem eigenen Unmut Luft zu machen, da die Bundesregierung an unsere Geldbeutel wolle. "Wenn Bauern hinschmeißen müssen, wird eine regionale Landwirtschaft nicht mehr möglich sein", stellte der Konstanzer Kreisverbandsvorsitzende klar. Leichenauer machte deutlich, dass diese geplanten Kürzungen "uns alle sowie den ganzen Mittelstand" betreffen. Er zeigte auf, wie stark die Landwirtschaft von den Planungen der Bundesregierung betroffen sein könnte, so mussten die Landwirte bereits "eine Milliarde Euro bluten", wohingegen andere Bereiche Steuerbefreiungen erhalten. "Das Geld geht sozusagen von der linken in die rechte Tasche, das kann es einfach nicht sein." Man sei unabhängig von den geplanten Kürzungen bereits weit hinter einigen EU-Nachbarstaaten zurück, dies würde sich laut Leichenauer durch die Maßnahme kein bisschen ändern. "Wir können nicht mehr", machte er erzürnt deutlich. "Wir fordern, dass die Politik endlich damit anfängt, mit uns zu reden und nicht über uns."
Mit Blick auf die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 machte Stefan Leichenauer darauf aufmerksam, sich aktiv daran zu beteiligen und die Chance zu ergreifen, sich als landwirtschaftlicher Unternehmer zu engagieren und dadurch die Zukunft in der Region mitzugestalten. "Wir müssen für die regionale Landwirtschaft kämpfen." Wie es weiterginge, wisse laut Leichenauer keiner, jedoch gehe es für ihn bei der Sache ums "große Ganze".

Existenzen werden aufs Spiel gesetzt

Zugegen waren auch Vertreter der Kommunalpolitik. Mühlhausen-Ehingens Bürgermeister Patrick Stärk, Hilzingens Rathauschef Holger Mayer, Tengens Bürgermeister Selcuk Gök und Engens Bürgermeister Frank Harsch statteten den Landwirten einen Besuch ab. "Wenn wir nicht aufpassen, wird das noch zum Generalstreik", verdeutlichte der Engener Rathauschef gegenüber dem WOCHENBLATT.
Auch Patrick Stärk teilt die Auffassung der Vertreter der Landwirtschaft, so gewinne man bei der Beobachtung des politischen Geschehens in Berlin zunehmend den Eindruck, dass bei politischen Entscheidungen nicht mehr das Wohl des Landes und die Nöte und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger im Vordergrund stünden, sondern es viel mehr nur noch um "die Durchsetzung parteipolitischer Ideologien" ginge. Es sei, so Stärk weiter, "ein Schlag ins Gesicht unserer Mittelschicht, der Leistungsträger unserer Gesellschaft und ins Kontor unserer mittelständischen Wirtschaft, die das Rückgrat unseres wirtschaftlichen Erfolgs darstellt".
Den Protest der Landwirte betrachtet er als ein eindrückliches Beispiel dafür, wie es in breiten Teilen der Gesellschaft aussieht und dort brodelt. Dabei betonte er ganz deutlich, dass "wir Bürgermeisterinnnen und Bürgermeister hinter unseren Landwirten und deren Forderung stehen", so setze man mit den Streichungen der Subventionen beim Agrardiesel sehenden Auges die Existenz der familiengeführten landwirtschaftlichen Betriebe aufs Spiel.

Wichtiger Bestandteil der örtlichen Gemeinschaft

Stärk verdeutlichte bei seiner Ansprache auch die Bedeutung der Landwirte für die Gesellschaft, so würden diese neben gesunden und regionalen Lebensmitteln auch alle mit Wärme und Strom versorgen und seien darüber hinaus "immens wichtige Bestandteile der örtlichen Gemeinschaft in unseren Dörfern, Gemeinden und Städten". Es gebe für ihn kaum ein Dorffest im Landkreis Konstanz und darüber hinaus, der ohne den persönlichen und maschinellen Einsatz von den Landwirten vor Ort stattfinden könnte. Weiter verwies auch er auf die anstehenden Kommunalwahlen, so spiele sich "bei uns im Kommunalen das wahre Leben ab". Daher sei es wichtig, "dass ihr da mit dabei und vertreten seid", bestärkte der Bürgermeister von Mühlhausen-Ehingen die anwesenden Landwirte. Er appellierte für weiterhin friedliche Proteste und verurteilte Aktionen wie die gegen Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck in Schlüttsiel: "Solche Auswüchse überschreiten definitiv eine rote Linie."
Für ihn ginge es, um den Präsidenten des Deutschen Bauernverbands, Joachim Ruckwied, zu zitieren, "nicht um einen Umsturz, sondern um eine spürbare Änderung der Politik, die sich an der Lebenswirklichkeit der Menschen ausrichten sollte". Er machte darauf aufmerksam, sich Gedanken zu machen, welche Produkte man kaufe, so sei die Mentalität "Geiz ist Geil" hier nicht angebracht und es gelte, mehr auf Qualität statt auf Quantität zu achten. "Regionale Produkte, die mit hohen Standards, aber mit viel Liebe, Hingabe und Einsatz von euch hergestellt und erzeugt werden, sind etwas teurer", gibt Stärk zu. Jedoch gehe ihm immer wieder das Herz auf über die unzählig tollen Angebote von den Landwirten der Region, weshalb er zum Abschluss allen ein "Glück auf" auf unsere heimische Landwirtschaft aussprach.

Leistungen mehr honorieren

Im Gespräch mit dem WOCHENBLATT zeigte Alexander Schlenker, Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Betriebe Schlenker in Rielasingen, auf, wie die Bundesregierung derzeit mit den Landwirten umgeht: "Die eine Milliarden Euro, die man uns jetzt noch abzwacken möchte, würden etwa acht bis zwölf Prozent unseres Gewinns und somit sozusagen einem Dezember ohne Lohn entsprechen." Dies sei für ihn bei Steuerentlastungen beispielsweise bei der Luftfahrt von bis zu 12 Milliarden Euro "mehr als unangemessen". Er selbst möchte, dass die Leistungen angesichts der derzeit sehr hohen Produktionsstandards und höheren Lohnkosten endlich mehr honoriert werden. "Wir haben derzeit eine geringe Flächenstruktur sowie größere Ausgaben beim Pflanzenschutz, dem Tierwohl sowie einen unglaublichen Bürokratieapparat zu bewältigen, welcher unsere Arbeit stark beeinträchtigt." Der Unmut im Mittelstand sei dem Rielasinger Landwirt zufolge enorm.

Wie es in der Aktionswoche weitergeht

  
Die Aktionswoche im Landkreis soll nun am Mittwoch, 10. Januar, in Konstanz ihren Höhepunkt finden. So fahren an diesem Tag laut Stefan Leichenauer mehrere Kolonnen in Richtung Innenstadt. Dort wird um 14 Uhr zur Kundgebung auf den Marktplatz geladen, wozu sich bereits der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung angekündigt hat. Auf Nachfrage des WOCHENBLATTs beim Verantwortlichen der Kundgebung, Florian Fuchs, werde auch die SPD-Abgeordnete Lina Seitzl an der Kundgebung teilnehmen, Ann-Veruschka Jurisch hingegen werde nicht vor Ort sein.

Autor:

Redaktion aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.