Haltepunkt Zoznegg eingeweiht
Großer Bahnhof und große Pläne für die Biberbahn

Die Biberbahn hielt nur kurz zum Ein- und Aussteigen, für ein Teil-Gruppenbild reichte es gerade noch, bevor sich der erste Zug mit Halt in Zoznegg seit 52 Jahren, weiter in Richtung Meßkirch in Bewegung setzte. | Foto: Oliver Fiedler
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  • Die Biberbahn hielt nur kurz zum Ein- und Aussteigen, für ein Teil-Gruppenbild reichte es gerade noch, bevor sich der erste Zug mit Halt in Zoznegg seit 52 Jahren, weiter in Richtung Meßkirch in Bewegung setzte.
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Mühlingen-Zoznegg. Das war wahrlich ein großer Bahnhof für die Biberbahn am Vormittag des Maifeiertags in Zoznegg gewesen. Denn erstmals nach 52 Jahren hielt die hier wieder am Haltepunkt, der damit mit hunderten von Besuchern feierlich eingeweiht werden konnte. Eigentlich war die Fertigstellung erst im Laufe des Jahres vorgesehen gewesen, nun wurde sie durch die gemeinsamen Anstrengungen aller schon zum Saisonstart vorgezogen und der Bau des Bahnsteigs innerhalb weniger Wochen umgesetzt, konnte vermeldet werden. Die Ansage der Betreiber der Ablachtalbahn ist indes klar: Man wolle bis 2030 wieder den Linienbetrieb der aktuell noch touristisch genutzten Strecke starten können. Das Potenzial habe die Strecke, die spätestens bei der Elektrifizierung der Gürtelbahn eine strategisch entscheidende Rolle zur Anbindung der ganzen Region an die Welt haben kann, wie bei der Einweihung klar ausgesprochen wurde.

Verbindung zur großen weiten Welt

Bürgermeister Thorsten Scigliano war sichtlich stolz über diesen Augenblick. Denn damit werde, nach 52 Jahren ohne Haltepunkt, Mühlingen wieder ans Gleis angeschlossen, was er auch als wichtigen Akt sozialer Teilhabe für die Zukunft sieht. Denn er sieht die Zukunft der Strecke für eine bessere ÖPNV-Anbindung des Orts hier am Ende des Landkreises, zum Beispiel die Verbindung in Richtung Singen oder Radolfzell, für die man dann kein Auto mehr bräuchte und die schneller sei als die Busse. Maximal 40 Minuten nach Singen wären der Plan.
Der Moment war so gewichtig, dass hier sogar die beiden Musikvereine Mühlingen und Zoznegg sich zur Spielgemeinschaft zusammengetan hatten, um diesen Augenblick gebührend zu begleiten. Begrüßt werden konnten hier neben den Bürgermeistern entlang der Strecke auch noch gleich fünf Landtagsabgeordnete und auch Andreas Zahn, Referatsleiter im Verkehrsministerium. Und sogar Arnold Stadler, der Schriftsteller mit Meßkircher Wurzeln, hatte hier seine Feiertags-Zigarre als Gast mitgebracht.

Hilfe der Landkreise eingefordert

Die beiden Grünen-Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger (Singen) und Andrea Bogner-Unden (Sigmaringen) zeigten sich stolz über das bisher erreichte, mahnten aber ihre beiden Landkreise klar an, hier für die Förderung der Strecke einzutreten und deren Bedeutung anzuerkennen, die hier für die Zukunft reaktiviert werde. Der bahnpolitische Sprecher der SPD im Landtag, Hans-Peter Storz aus Singen, sagte: "Bund und Land wollen die Zahl der Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmitteln verdoppeln. Ein besseres Angebot auf der Schiene zieht schon bald eine höhere Fahrgastnachfrage nach sich. Deswegen ist die Reaktivierung einer stillgelegten Bahnlinie eine große Chance für die Region. Die Kommunen entlang der Ablachtalbahn nutzen diese vorbildlich."

Andreas Zahn vom Verkehrsministerium wähnte sich zu Anfang seiner Rede zwar noch in Oberschwaben, hatte sich dann aber schnell auf die Region eingestellt: Es gelte, die Gunst der aktuellen politischen Konstellation zu nutzen. Nach den ersten erfolgreichen Gutachten zur Reaktivierung gehe es in diesem Jahr noch um eine weitere Kosten-Nutzen-Analyse als nächsten Schritt. Die wirtschaftliche Bedeutung eines Bahnanschlusses sei immens. Zahn hatte zudem die frohe Kunde an die Veranstaltung mitgebracht, dass ein Zuschuss über 360.000 Euro für diesjährige Maßnahmen an der Strecke schon an den Messkircher Bürgermeister Arne Zwick überwiesen wurde, als Signal aus dem Ministerium.

Die Macher gewürdigt

Winfried Hermann, Minister für Verkehr Baden-Württemberg, würdigte in einem schriftlichen Statement aus Stuttgart das unermüdliche Wirken aller Beteiligten, die Ablachtalbahn Zug um Zug zu reaktivieren: "Der Stilllegungs-Trend von Schienenstrecken ist zum Glück vorbei. Die Macher an der Ablachtalbahn sind Vorreiter in der Verkehrswende und haben den Stellenwert ihrer Bahnverbindung erkannt. Ich freue mich sehr, dass nach einer positiv abgeschlossenen Machbarkeitsstudie nun die Planungsarbeiten für die Reaktivierung im regelmäßigen Nahverkehr auf der Achse Radolfzell –Mengen –Ulm vorangehen. Das Land unterstützt diese Aktivitäten nach Kräften. Wenn die Ablachtalbahn schnell umgesetzt wird und zu den ersten 100 Reaktivierungskilometern zählt, dann wird das Land dort auch den stündlichen Zugverkehr bezahlen," so Minister Hermann.

Der Zeitplan steht

Den Willen zum Weitermachen unterstrich der Sauldorfer Bürgermeister Severin Rommeler, der auch Vorsitzender des Fördervereins Ablachtalbahn ist: "Wir tun alles dafür, dass hier ab 2030 schnelle Nahverkehrszüge auf der Achse zwischen Bodensee und Donau fahren."
Andreas von Meißner, der Eisenbahnbetriebsleiter und technische Leiter des kommunalen Eisenbahninfrastrukturunternehmens Ablachtalbahn, sieht als Profi sehr gute Chancen für die Reaktivierung der Strecke: "Die Ablachtalbahn hat ein großes Potenzial für den Nahverkehr. Unsere 2023 vorgestellte Machbarkeitsstudie für die Reaktivierung als Nahverkehrsstrecke sagt uns bis zu 1.500 Fahrgäste pro Tag voraus. Nun steht die dritte und letzte Untersuchungsstufe an –die detaillierte Ausbauplanung und Kostenhochrechnung sowie die standardisierte Nutzen-Kosten-Untersuchung. Bis 2025 soll dann im Detail die Wirtschaftlichkeit der Ablachtalbahn als moderne Nahverkehrsstrecke berechnet sein."

Von Meißner betonte ferner die großzügigen Finanzzuschüsse: "90 Prozent Bundeszuschuss und fünf Prozent Landeszuschuss fließen später in die Reaktivierung; damit würde die ganze Ablachtalbahn die beteiligten Kommunen nur rund zehn Millionen Euro Eigenmittel kosten: Günstiger können wir nicht zum Zug kommen." Der Strecke kommt nach Ansicht der Anlieger eine sehr hohe strategische Bedeutung zu. Bis 2030 wolle man die Regionalzüge hier unterwegs haben. Nach den Prognosen von Andreas von Meißner, der auch schon eine Bahn-Reaktivierung in Ludwigsburg gemanagt hatte und früher bei der SBB Deutschland gearbeitet hat, könne die Fahrzeit zwischen Radolfzell und Ulm unter zwei Stunden liegen - eventuell sogar mit einem durchgehenden Zug. Vermutlich werde erst danach an den Ausbau der Gürtelbahn gegangen, die dann wohl zwischen drei und vier Jahren voll gesperrt würde, da ja mit der Elektrifizierung und Ertüchtigung enorme Umbauten, zum Beispiel am Tunnel Überlingen, nötig seien. Dann wäre die Strecke der Ablachtalbahn die einzig mögliche Verbindung in Richtung Ulm, München oder Stuttgart und damit "in die Welt".

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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