Leserbeteiligung zur Energiewende
„Auch die Wind- und Sonnenenergie führt uns in die Abhängigkeit“

Stefan Meichle, Geschäftsführer von Meichle und Mohr, antwortet auf Fragen zur Energiewende. swb-Bild: Meichle und Mohr
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Landkreis Konstanz. Das WOCHENBLATT fragt, unsere Leser antworten. Auf unseren Aufruf in der Ausgabe vom 30. November zur Leserbeteiligung zum Thema Energiewende haben uns viele Antworten, Anregungen und weitere Fragen erreicht. Ein Leser, der sich die Zeit genommen hat, ein paar der von der WOCHENBLATT-Redaktion in den Raum geworfenen Fragen zu beantworten, ist Stefan Meichle aus Radolfzell, Geschäftsführer der Meichle und Mohr GmbH. Das Unternehmen mit Sitz in Immenstaad beschäftigt sich mit Rohstoffversorgung und -sicherung.

WOCHENBLATT: Wie kann Deutschland seinen Energiebedarf decken, ohne in neue Abhängigkeiten zu geraten?

Stefan Meichle: Deutschland ist ein überbevölkertes Land, welches seine Bewohner nur durch energieintensive, industrielle Arbeitsweise ernähren kann. Als Agrarstaat müssten wir in bitterer Armut leben oder die Bevölkerung drastisch reduzieren. Deutschland selbst hat wenig Energieressourcen, d.h. wir sind auf Handel mit anderen Ländern angewiesen. Handel ist nichts Schlimmes, er verschafft anderen Ländern wiederum die Möglichkeit unsere Produkte zu erwerben. Dass der Handel nicht in eine Abhängigkeit führt, muss er auf mehreren Beinen stehen, das heißt verschiedene Länder, verschiedene energetische Grundlagen. Auch die Wind- und Sonnenenergie führt uns in die Abhängigkeit: a) Aufgrund ihrer schwankenden Verfügbarkeit (Sonne circa zehn Prozent, Wind circa 25 Prozent der Jahresstunden) von Fossil- oder Kernenergie aus dem In- oder Ausland sowie b) Abhängigkeit über die massiv benötigten Ressourcen (seltene Erden -> Kinderarbeit im Kongo, Silicium -> Umweltzerstörung in Chile und China) beim Bau der Anlagen.

Hier geht es zu unserem ursprünglichen Aufruf zur Leserbeteiligung.

WOCHENBLATT: Kann die Abwärme nicht für die Nahwärmeversorgung genutzt werden?

Stefan Meichle: Abwärme ist nicht gleich nutzbare Abwärme, hier muss ein entsprechender Temperaturunterschied gegeben sein. Auch heiße Abluft, die feucht ist, kann unwirtschaftlich sein. Es gibt Techniker, die das beurteilen können. Im Sommer ist der Bedarf an Abwärme naturgemäß deutlich geringer. Dies ist auch das Problem der Kraftwärmekopplung (KWK).

WOCHENBLATT: Bei wenig Wind und Sonne wird es eng. Wenn Grundlast fossilfrei abgedeckt werden soll, dann bleibt nur Biogas. Gibt es dafür eine politische Basis?

Stefan Meichle: Was wir momentan in Deutschland betreiben, ist Erd- und Biogas in Grundlast zu verstromen. Das war die Grundlage der von Umweltverbänden und Grünen propagierten Energiewende. Heute wissen wir, das war ein Irrweg. Denn Gas ist a) teuer, b) gespeicherte Energie und somit eigentlich zu schade für die Grundlastverstromung. Gas (Methan) kann über Biogas oder über E-Gas hergestellt werden. Biogas, welches zertifiziert ist und die „Tank und Teller Kriterien“ erfüllt (Rest- und Abfallstoffe) ist eine Säule der Energie der Zukunft. E-Gas braucht zur Herstellung über Wasserstoffelektrolyse und Methanisierung eine zuverlässige Stromversorgung (siehe Problem der Solar- und Windenergie im Ausland, siehe Kernenergie). Biogas ist ein CO2-neutraler und sauberer Treibstoff für den PKW- und LKW-Verkehr.

WOCHENBLATT: Müssen Teile der Natur durch riesige Windräder und Solarparks zerstört werden, um das Klima zu retten?

Stefan Meichle: Die Energiepolitik der Grünen setzt mit Sonne und Wind alles auf eine unzuverlässige Karte. Frühere Themen wie Artenschutz, Vogel- und Insektensterben sind auf einmal nicht mehr wichtig und werden hintenangestellt.

WOCHENBLATT: Was hat die Energiewende bisher einen durchschnittlichen Haushalt gekostet?

Stefan Meichle: Eine Kugel Eis… pro Kilowattstunde.

WOCHENBLATT: War der Atomausstieg angesichts der Energiekrise übereilt?

Stefan Meichle: Ja, übereilt und unnötig! Ein Weiterbetrieb der sechs Reaktoren von zehn Jahren würde uns wertvolle Zeit schenken in Bezug auf die Entwicklung von Energiespeichern sowie neuen Reaktortypen (Dual-Fluid-Reaktor, Small Modular Reactor).

WOCHENBLATT: Ist Fracking die Zukunft?

Stefan Meichle: Fracking war in der Vergangenheit und wird in Zukunft sein. Als „Antiamerikanismus“ wurden Fakes verbreitet, wie das „aus dem Wasserhahn austretende Gas“. Zur Information: Auch in Russland wurde und wird gefrackt. Unser Gas kam aus Sibirien, einem Fördergebiet so groß wie das Saarland. Hier wurde mit Mitteln gefrackt, die grundwassergefährdend sind, das Gebiet sieht entsprechend aus. Darüber sprach niemand.
Wenn wir Erdgas und Bio+E-Gas haben, können wir selbst den Anteil von CO2-freiem Gas festlegen und auch entscheiden, was uns die Dekarbonisierung wert ist beziehungsweise was machbar ist, ohne unsere Wirtschaft abzuwürgen.

WOCHENBLATT: Wie kann man Verzicht „sexy“ machen.

Stefan Meichle: Lassen Sie sich von den alten Leuten mal erzählen, wie „sexy“ das Leben in einem Zentralverwaltungssystem jenseits des Eisernen Vorhangs war. Dort hieß es nicht „Verzicht“, sondern „Mangel“.

Antworten zusammengetragen und bearbeitet von Tobias Lange.


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Autor:

Redaktion aus Singen

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