»Auf ein Wort« – Der Sonntagstalk

Auf ein Wort


»Auf ein Wort« gibt es seit März 2017

»Auf ein Wort« hier kommen Themen zur Sprache, die bewegen, erklären und verändern

»Auf ein Wort« hier plaudern Prominente aus der Region und darüber hinaus aus dem Nähkästchen

»Auf ein Wort« der Sonntagstalk auf der Färbebühne

»Auf ein Wort« ist eine Veranstaltungsreihe des Singener Wochenblatts und wird moderiert vom Schweizer Journalisten Walter Studer


11. Sonntagstalk – 4.11.2018
»Auslaufmodell Kirche«

Sabine Neufang

Sabine Neufang, Vorsitzende der Bezirkssynode des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz.

Jörg Lichtenberg

Jörg Lichtenberg, leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Singen

Michael Psczolla

Michael Psczolla, Vorsitzender des Kirchengemeinderates von Gailingen-Büsingen.

Rudolf Vögele

Rudolf Vögele, Leiter des Ressorts Pastoral im Generalvikariat für die Kantone Zürich und Glarus.

Warum sind die Kirchen immer leerer?

mit Moderator Walter Studer

ws. Der Anteil der Christen an der Bevölkerung in Deutschland nimmt massiv ab. Ungefähr jeder zweite Einwohner gehörte im vergangenen Jahr noch einer Landeskirche an. Austritte und Überalterung machen der katholischen und evangelischen Kirche zu schaffen. Die schleichende Marginalisierung der Kirchen hat gesellschaftliche Auswirkungen, gerade auch in einer Zeit, in der der Islam Stärke zeigt. Welche Chancen hat die Kirche, den Weg in die Bedeutungslosigkeit zu stoppen? Dies ist das zentrale Thema der Veranstaltung »Auslaufmodell Kirche?« vom 4. November in der »Färbe« in Singen.

Pro Jahr geht die Zahl der Christen in etwa um eine halbe Million Menschen zurück. Grob gesagt zwei Drittel der Verluste sind auf Austritte zurückzuführen. Das letzte Drittel resultiert aus dem Sterbeüberschuss. Daraus lässt sich folgern, dass die Kirchen überaltert sind. Diese negative demografische Entwicklung wird verstärkt durch eine hohe Zahl von Kirchenaustritten. Die katholische Kirche verzeichnet dabei erheblich geringere Verluste als die evangelische. Interessanterweise weist die evangelische Kirche wesentlich höhere Zahlen bei den Neueintritten aus als die katholische.

Das Überleben der Kirche als gesellschaftliche Kraft ist gefährdet. Sie muss Mittel finden, ihre Botschaft der Gegenwart anzupassen; sie muss neue Wege finden, auf denen die Menschen zu ihr finden können, wenn sie nicht in die Bedeutungslosigkeit versinken will. Wie gehen die beiden Landeskirchen diese Aufgabe an? Wo orten sie die Ursachen für den Niedergang? Wie antworten sie auf den offensiven Auftritt des Islam?

Das sind zentrale Themen, die wir bei der Veranstaltung in der »Färbe« mit einem kompetenten Podium diskutieren wollen. Auf diesem werden Platz nehmen: Sabine Neufang als Vorsitzende der Bezirkssynode des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz, Jörg Lichtenberg, leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Singen, Michael Psczolla, Vorsitzender des Kirchengemeinderates von Gailingen-Büsingen und Rudolf Vögele, Leiter des Ressorts Pastoral im Generalvikariat für die Kantone Zürich und Glarus und Autor des Buches »Die ausgetretene Kirche«.

Die Veranstaltung »Auslaufmodell Kirche?« behandelt ein aktuelles Thema mit interessanten und kundigen Teilnehmern

Warum sind die Kirchen immer leerer?

Die Antworten der Podiumsteilnehmer:

Jörg Lichtenberg, leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Singen
Studierte nach dem Abitur katholische Theologie, die er mit Promotion abschloss; nach Zwischenstationen als Vikar wurde er leitender Pfarrer, seit 2012 übt er dieses Amt in Singen aus; »Das Credo Cash, Creditcard, Car, Condominium, Country Club teilt in Inseln, die im moralischen Universalismus oder Populismus schwimmen. Darin das U-Boot Kirche: traditionstriefend, mal Nothelfer mal Politur; in katholischer Variante: Männer, Missbrauch, Modenschau. Traumwelt, Eine-Welt.«

Michael Psczolla, Vorsitzender des Kirchengemeinderates von Gailingen-Büsingen
Studierte nach dem Abitur Humanmedizin und eröffnete vor rund 30 Jahren eine Praxis als Allgemeinmediziner; Initiant der Büsinger Kammermusiktage; seit 30 Jahren Mitglied des Kirchengemeinderates; »Kirchen werden nicht leerer, wenn das Angebot stimmt. Gewiss ist der traditionelle Kirchgang am Sonntagvormittag nicht mehr ›in‹ und spricht zunehmend weniger Menschen an.«

Rudolf Vögele, Leiter des Ressorts Pastoral im Generalvikariat für die Kantone Zürich und Glarus
Gelernter Bäcker, holte die Hochschulreife nach und studierte katholische Theologie, die er mit Promotion abschloss; spezialisierte er sich auf Personal- und Gemeindeentwicklung; seit 2007 in Zürich tätig; »Weil Kirchenleute, haupt- wie ehrenamtliche, die Wirklichkeit nicht wahrnehmen: Menschen wollen heute, wenn überhaupt, nur punktuell mit Kirche zu tun haben. Sie bleiben weg, wenn sie spirituell unterernährt bleiben. Sie wenden sich lieber an professionelle BeraterInnen anstelle von Priestern, denen Kirchenrecht und Moral wichtiger sind als individuelle Begleitung in Freude und Hoffnung, Angst und Trauer. Zudem verunmöglichen Seelsorgeeinheiten eine Beziehungspastoral: Wo keine Beziehung, da keine Gemeinschaft, da immer leerer werdende Kirchen …«

Sabine Neufang, Vorsitzende der Bezirkssynode des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz
»Es kommen weniger Menschen in die Kirche, weil viele nicht wissen, was Ihnen das bringt. Sie haben ein Bild von Kirche im Kopf, das Ihnen veraltet und fremd erscheint. Die ›Kirche‹ hat es noch nicht geschafft die Neugier zu wecken, es könnte was dran sein, denn ein Bedürfnis für dass, was Gott zu bieten hat, gibt es, denn sonst würden alle Lebensratgeber und Angebote rund um das innere Gleichgewicht nicht so boomen.«


10. Sonntagstalk - 23.9.2018
»Erfolgsmodell Ehrenamt, wie weiter«

Sie engagieren sich ehrenamtlich: Marion Czajor, Stefan Dunaiski, Hans-Peter Storz, Dorothea Wehinger (von links nach rechts)

Wieso engagieren Sie sich ehrenamtlich?

mit Moderator Walter Studer

Das Ehrenamt ist ein Erfolgsmodell. Die Menschen strömen ins Ehrenamt, sagt die Statistik. Gleichzeitig aber rufen die Freiwilligen Feuerwehren um Hilfe, weil ihnen der Nachwuchs fehlt. Vereine finden keine Leute, die Führungsfunktionen übernehmen. Ein Erfolgsmodell zeigt Risse. Dieses Spannungsfeld ist Thema des nächsten Sonntags-Talks in der »Färbe« in Singen.

ws. Eine ehrenamtliche Tätigkeit wird aus unterschiedlichen Gründen übernommen. Drei Grundmotivationen lassen sich erkennen: ein Engagement, um eigene Interessen zu verfolgen, ein Engagement für die Interessen Dritter und schließlich das Engagement für die Interessen aller. In erster Linie wird ein Ehrenamt angenommen, um eigene Interessen wahrnehmen zu können. Jemand tritt einem Verein bei, um sein Hobby zu pflegen. Aus der Mitgliedschaft entstehen Verpflichtungen, die zu Einsätzen im Dienste des Vereins führen.

Jüngste Entwicklungen zeigen, dass der freiwillige Einsatz für die Interessen Dritter wichtiger wird. Die Erkenntnis, dass aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen bestimmten Gruppen existenzielle Bedürfnisse nicht zugänglich sind, motiviert viele Leute, ehrenamtlich solche Mankos zu beheben.

In den beiden Bereichen Engagement für eigene Interessen und Einsatz für die Interessen Dritter nimmt die Zahl der ehrenamtlich Tätigen zu. Anders sieht es beim freiwilligen Einsatz im Dienste aller aus. Die Suche nach Leuten, die Verantwortung in Vereinen übernehmen, gestaltet sich mühsam. Gleiche Probleme bekunden Organisationen, die Einsätze im Dienste der Gesellschaft leisten. Feuerwehren suchen teilweise händeringend nach Nachwuchs. Was sind die Ursachen für diese ungleiche Entwicklung? Kann diePolitik das Problem entschärfen?

Wieso engagieren Sie sich ehrenamtlich?

Die Antworten der Podiumsteilnehmer:

Stefan Dunaiski, Vorstand SV Bohlingen, Ortsvorsteher Bohlingen
Mein ehrenamtliches Engagement im Sportverein Bohlingen ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ich selbst in meiner Kindheit im Verein Menschen vorfand, welche sich ehrenamtlich für mich und andere engagiert haben. Ich möchte mit meinem Engagement vor allem unseren Kindern und Jugendlichen im Verein einen Teil hiervon zurückgeben. Zum anderen macht ehrenamtliches Engagement im Verein Spaß, es stärkt die Gemeinschaft und Freundschaft, vermittelt Werte und Traditionen, bildet Kinder und Jugendliche aus, bietet Erwachsenen sportliche Aktivitäten und trägt u.a. auch zu einem lebenswerten Umfeld in unserer Gemeinde bei.

Marion Czajor, Vorsitzende Tierschutzverein Singen-Hegau, Gemeinderätin
Es ist meine Bürgerpflicht, mich zu engagieren. Verantwortung zu übernehmen, ist erfüllend und Motivation zugleich. Ehrenamt hat eine Vorbildfunktion, bietet Gestaltungsmöglichkeiten und ist der Kitt unserer Gesellschaft. Als Multiplikator Mitbürger für das ehrenamtliche Engagement zu gewinnen, ist eine prickelnde Herausforderung, die mich bereits seit über 50 Lebensjahren – von der Jugendarbeit über die Kommunalpolitik bis hin zum Tierschutz – stets begeistert und fordert.

Dorothea Wehinger, Landtagsabgeordnete, Mitglied Kreistag, Gemeinderätin
Ohne Ehrenamt wäre unsere Gesellschaft wesentlich ärmer an Angeboten. Demographischer Wandel, Auflösung von Familienstrukturen etc. erfordert mehr Gemeinschaftssinn: z.B. Pflege der Älteren, Betreuung der Kinder. Bürgerschaftliches Engagement ist ein Gewinn für die Gesellschaft – jede/jeder kann seine/ihre Potenziale einbringen. Die großen gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit sind ohne die Tatkraft aller vor Ort nicht zu meistern: Integration, Bildung, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Armut etc. Etwas für die Gemeinschaft und in der Gemeinschaft zu tun macht glücklich: Bereicherung durch persönliche Kontakte und Gefühl, gebraucht zu werden.

Hans-Peter Storz, Vorsitzender Stadtturnverein Singen, Gemeinderat
»Damit die Welt ein bischen lebenswerter und besser wird« – »mit Menschen für Menschen« – »wenn’s niemand macht, was dann« – das sind einige Gedanken, die mir spontan auf die Frage in den Kopf kommen. Hintergrund für das Engagement ist sicher meine christliche Erziehung und dass ich schon früh in der Jugendarbeit Verantwortung übernommen habe. Dabei haben das Team und die Gemeinschaft oft eine große Rolle gespielt. Dadurch sind auch intensive Freundschaften entstanden. Und dann ist da auch die Dankbarkeit oder positive Reaktion der Menschen oder man hat ein Ergebnis dessen, was man geschafft hat, und daraus die Gewissheit: es hat sich gelohnt.

Wieso übernehmen immer weniger Leute Verantwortung in Vereinen?

Die Antworten der Podiumsteilnehmer auf die Frage:

Dorothea Wehinger, Landtagsabgeordnete, Mitglied Kreistag, Gemeinderätin
Leute wollen sich immer weniger festlegen – haben Sorge, bei z.B. spontanen Reisevorhaben angebunden zu sein. Zunehmende Individualisierung und Anonymisierung in unserer Gesellschaft. Traditionen gehen verloren. Religion/Kirche verlieren an Stellenwert (die gute Tat bringt nichts mehr). Fehlende Wertschätzung. Gesellschaftlicher Wandel: z.B. im Arbeitsleben wird Mobilität gefordert – häufige Wohnortswechsel machen Engagement schwierig. Zunehmende Bürokratisierung: Steuer, Führungszeugnis, Gesundheitszeugnis etc. Verändertes Freizeitverhalten.

Marion Czajor, Vorsitzende Tierschutzverein Singen-Hegau, Gemeinderätin
Die Gesellschaft ist im Umbruch und die verbleibende Zeit für das Ehrenamt ist knapp. Kurz gesagt, Ehrenamt ist fordernd: hohes zeitliches Engagement, Fachwissen, Kontinuität und es bedarf der Akzeptanz in der Familie. Weitere Einflussfaktoren sind: Leistungsdruck am Arbeitsplatz, Zwangsmobilität durch befristete Arbeitsverträge und geändertes Freizeitverhalten durch Fortbildungsstress und Auszeitphasen. Es fehlt nicht zuletzt an Verständnis, Wertschätzung und Förderung, oftmals auch am Arbeitsplatz. Alles Faktoren, die es dem Ehrenamt schwer machen.

Stefan Dunaiski, Vorstand SV Bohlingen, Ortsvorsteher Bohlingen
Es gibt immer noch viele Leute,welche sich ehrenamtlich in Vereinen engagieren. Leider sind für die Posten Vorstand oder Kassierer immer weniger Leute zu finden. Auf Nachfrage spielt immer wieder die berufliche Belastung eine große Rolle. Zum anderen wird der Zeitfaktor angegeben. Die höchste Hürde bilden die stetig steigenden bürokratischen und gesetzlichen Anforderungen, Verpflichtungen und Vorschriften, welche von Politik und Finanzamt gefordert werden. Um alle Dinge erfüllen zu können, benötigen die ehrenamtlich Tätigen umfassendes Wissen zu Finanzen und Vereinsführung, damit keine Fehler begangen werden.

Hans-Peter Storz, Vorsitzender Stadtturnverein Singen, Gemeinderat
»Ich bin nicht überzeugt, ob es soviele weniger sind: Wenn wir die Vereinslandschaft anschauen, sind eine Vielzahl von Fördervereinen, aber auch neuen Gruppierungen im Sport etc. entstanden, die ja alle Verantwortliche brauchen. Auf der anderen Seite ist es bei großen Sport- oder Musikvereinen sicher so, dass die Vielfalt der Aufgaben, vor allem die rechtlichen Bestimmungen (Datenschutz, Finanzamt), die heute von der Vereinsführung beachtet werden müssen, viel abverlangen und viele abschrecken. Das ist mit Freude an der Sache alleine nicht mehr zu meistern. Da braucht es Fortbildungen und fachliche Unterstützung, denn man will diesen Dienst ja für die Menschen machen und nicht für die Bürokratie.


9. Sonntagstalk – 27.5.2018
»Lobbyismus, die 5. Gewalt«

Lobbyismus, die 5. Gewalt

Lobbyismus, die 5. Gewalt

mit Moderator Walter Studer

Der Einfluss der Lobbyisten in den Parlamenten nimmt zu. Lobbyismus wird zur fünften Gewalt im Staat. Der Begriff ist negativ besetzt, weshalb Lobbyisten Begriffe wie »politische Kommunikation«, »Politikberatung« oder »public affairs« für ihre Tätigkeit verwenden.

ws. Der Lobbyismus wird zunehmend anonymer. Er kann immer weniger klar einzelnen Interessevertretern zugeordnet werden. Ein Heer von Interessensöldnerinnen und -söldnern bevölkert die Regierungsgebäude. Sie stellen sich in die Dienste jener Mächte, die am besten zahlen. Oft vertreten sie mehrere Interessen, so dass für Außenstehende nicht klar wird, für welche Sache sie gerade Einfluss zu nehmen suchen.
Eine rote Grenze überschreitet die Lobbyarbeit dann, wenn sie mit Geldvorteilen oder größeren Geschenken verbunden ist. Die Grenze zwischen Lobbyismus und Korruption ist schwierig zu ziehen. Fakt ist, dass sie überschritten wird.

Die Organisation »Lobbycontrol« verfolgt die Tätigkeit der Lobbyisten und publiziert regelmäßig darüber. In Berlin bietet sie u.a. eine lobbykritische Stadtführung an. Ein kritischer Geist in Sachen »Lobbyismus« ist auch der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder, der seit einiger Zeit mit einem Volksbegehren gegen die Lobbyisten liebäugelt. Thomas Körner ist ein Interessenvertreter im Namen des Naturschutzes. Er bringt sich aktuell gegen die Felchenmast in Netzgehegen im Bodensee ein. Der Graubereich von Lobbyismus und Korruption ist eines der Themen, die Professor Dirk Körner von der Universität Konstanz intensiv beschäftigten.

Lobbyismus, die 5. Gewalt

Thomas Körner vom NABU, der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder und Dirk Tänzler, Soziologieprofessor an der UNI Konstanz in der Diskussion mit Moderator Walter Studer. swb-Bild: of

Singen. »Glyphosat«, »Neonicotinoide«, »Dieselskandal« oder auch Felchenzucht im Bodensee oder die »Abzocker in den Führungsetagen der Schweiz«, alles Themen, bei denen oft hinter den Kulissen der Öffentlichkeit die Fäden gezogen werden. Alles Themen, die etwas mit »Lobbyismus« zu tun haben – und diesem einen schlechten Ruf geben. Doch braucht es den Lobbyismus für unsere Politik, kann er auch Gutes bewirken? Darüber diskutierten auf der Färbebühne beim Wochenblatt-Talk »Auf ein Wort« am Sonntag Thomas Körner vom NABU, der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder und Dirk Tänzler, Soziologieprofessor an der UNI Konstanz mit Moderator Walter Studer.

Thomas Körner vom NABU-Bezirksverband ist Lobbyist – positiver Lobbyist. Denn Lobbyismus hat für ihn in der Öffentlichkeit eher was mit Negativem zu tun, mit Pharmaindustrie und Ähnlichem. Bestes Beispiel ist für ihn eben jene Felchenzucht in Netzkäfigen im Bodensee. Die Fischer seien dagegen, der Naturschutz auch, wie auch die Landkreise, doch die Unternehmer, die dies planen, hätten sich eben eine Lobby geschaffen, bis ins Umwelt- oder Landwirtschaftsministerium. Jetzt sei es die Frage, wie stark eine Gegenlobby hier wirken könne. Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann, der aus der Politik in die Wirtschaft ginge ist für Körner das beste Beispiel, wie Wirtschaft in die Politik reinwirke, schon durch die alten Netzwerke. Schon durch Europa gewinne der Lobbyismus immer mehr Bedeutung und sei immer weiter entfernt von den Menschen, ist seine Befürchtung. In Europa fehlt für ihn beim Parlament ein wissenschaftlicher Unterbau, der im Deutschen Bundestag gegeben ist. Und Europa schaffe Gesetze und Regelungen, die ja auf nationales Recht heruntergebrochen werden sollen. Gerade diese Abgeordneten würden dann mit Sachkenntnissen durch Vertreter von Industrien gefüttert.

Thomas Minder ist als Schweizer Ständerat ein Lobbyist, und ein scharfer Gegner des Lobbyismus überhaupt. Grade vor Abstimmungen seines Gremiums werde er sozusagen mit Abstimmungsempfehlungen torpediert, von den Lobbyisten. »Die Themen sind inzwischen derart komplex geworden, aber es tendiert immer mehr in Richtung Korruption, weil da auch Geld im Spiel ist«, meint er zur Politik seines Landes. »Im „Bundesbern« könne er inzwischen die Lobbyisten gar nicht mehr zuordnen, weil die Lobby-Firmen oft für mehrere Dinge unterwegs sind für verschiedene Auftraggeber. Thomas Minder hatte vor nicht langer Zeit seine »Abzockerinitiative« gestartet, gegen den Lobbyismus der Banken. In der Schweiz würden gar Mandate gekauft, deutete er an. Die Schweiz solle über einen Ausstieg aus der Atomkraft entscheiden, mit Leuten, die Geld vom großen nationalen Energiekonzern bekommen als sogenannte »bezahlte Mandate«, sieht er die klare Grenze, wo Abgeordnete mit Geld dazu gebracht werden, im Sinne ihrer Geldgeber zu entscheiden. Minder selbst sieht sich als erfolgreicher Unternehmer im Kosmetikbereich hier als unabhängig an. Sein klarer Standpunkt, den er an diesem Vormittag vermittelte, ist, dass es natürlich Lobbyismus braucht in der Politik, doch er werde schlecht, wenn am Schluss Umsatz entstehe für die, die Entscheiden sollen nach ihrem Gewissen.

»Eigentlich haben wir Leute gewählt, die für uns entscheiden sollen, doch irgendwie funktioniert das nicht mehr«, so Dirk Tänzler von der UNI Konstanz. Freilich sei das Fachwissen der Politiker begrenzt, es werde alles immer komplizierter, und unüberschaubarer. Das sei die Einflugschneise für Leute, die nun Entscheidungen beeinflussen. »Wissen gegen Entscheidung«, ist in Amerika akzeptiertes Prinzip, doch dort werde auch eine scharfe Grenze gezogen, wenn es darum ginge, solche Entscheidungen auch mit Geld zu unterstützen. Auch in Brüssel gebe es ein regelrechtes Lobbyistenbüro – viele Industriebereiche seien dort präsent in der Politik. »Wir haben einen Politiker gewählt, weil er unsere Interessen vertreten soll«, so Tänzer. Diese Politiker würden aber zunehmend durch die Lobbyarbeit mit anderen Interessen konfrontiert. »Mut zur eigenen Meinung haben und nicht immer den Experten glauben«, ist die gesellschaftliche Forderung des UNI-Manns.

Es gebe durchaus guten Lobbyismus. Das Geld für den »guten Lobbyismus« komme natürlich aus der Wirtschaft, auch Naturschutzverbände bräuchten Geld. Staatssekretäre würden inzwischen in die Autoindustrie ausgeliehen, um Einblicke zu bekommen, Vertreter der Industrie kämen im Gegenzug in die Politik, um sich über die dortigen Verhältnisse zu orientieren. Da werde hierzulande eine Grenze überschritten.

»Sollte Deutschland ein Lobbyregister einführen?«, eine Frage aus dem Publikum. »Ja, auf jeden Fall«, unterstreicht Dirk Tänzler. Das sei aber hier derzeit nicht der politische Konsens. Klar gefordert wurde auf dem Podium auch, dass Abgeordnete klar offenlegen sollten, wenn sie von der Wirtschaft Geld bekommen. Und dass Politiker viel länger warten müssten, bis sie in die Wirtschaft wechseln dürften.

Oliver Fiedler


8. Sonntagstalk – 29.4.2018
»Digitalisierung – Fluch oder Segen?«

Spannender Wochenblatt-Talk

mit Moderator Walter Studer

Digitalisierung - Fluch oder Segen?

Beim Wochenblatt-Talk zum Thema Digitalisierung auf der Bühne der Färbe: Gerhard Fischer, Guido H. Baltes, Moderator Walter Studer und Marian Schreier. swb-Bild: of

Politik hat bei der Digitalisierung nicht Schritt gehalten

Singen. »Digitalisierung« – »ein Stichwort das den Umbruch unserer Welt ausrückt in der alles anders werden soll.« Ob es Segen oder Fluch sein soll, dem wollte der Wochenblatt-Talk am Sonntag in der Färbe unter der Moderation von Walter Studer nachgehen, vor einer erfreulich starken Publikumskulisse, mit Prof. Guido H. Baltes von der HTWG Konstanz, Tengens Bürgermeister Marian Schreier und Gerhard Fischer vom Singener DER-Reisebüro. Kurzes Fazit vorab: Digitalisierung kann die Gesellschaft zum Positiven weiterentwickeln – doch da hängt vieles davon ab, wie Politik das steuert.

Gerhard Fischer vom DER-Reisebüro in Singen ist seit 1972 in der Reisebranche tätig: Er kann sich noch erinnern, wie man anfangs Flugscheine sogar mit Lochstreifen per Fernschreiber reservierte. Heute sagt er, dass man durch die große Welle von Online-Reiseanbietern oder Hotelvergleichsportalen Fluch und Segen hat – sein Unternehmen freilich spielt mit beim Thema Digitalisierung. Er sieht dabei durchaus gute Chancen für den stationären Handel, denn der kann durch Digitalisierung die Kunden viel besser informieren, das Reisebüro sei zudem 24 Stunden erreichbar. Digitalisierung bedeutet für ihn auch Globalisierung. Und Digitalisierung bedeutet auch mal weniger Service, was er im Rahmen der jüngsten Streiks erlebt hat, wo die Kunden auf der Suche nach Ansprechpartnern bei den Fluggesellschaften waren, aber keine fanden. Ein riesiges Bürokratiemonster sieht er durch das neue EU-Reiserecht auf sich zukommen. Die Arbeit wird für seine Branche nicht einfacher: denn die einfachen Vorgänge gingen online, alles was komplexer wird, landet im stationären Handel. »Da müssen wir schon anders ausbilden«, macht Fischer deutlich. Hier sei soziale Kompetenz wichtiger denn je.

Marian Schreier, einst jüngster Bürgermeister im Land, der seinen Wahlkampf schon »digital« über soziale Netzwerke gestaltete, aber einräumt, dass der persönliche Besuch bei den Wählern schon die größere Rolle spielte, will sein Rathaus freilich digital fit machen. Denn online läuft da schon vieles, von der Anmeldung beim Umzug bis zu den »digitalen Akten«, die die Verwaltungsarbeit einmal »papierlos« machen sollen mit Zugriff von allen möglichen Stellen aus. Freilich, sagt er, muss so was ziemlich gut organisiert werden. Planungsprozesse, die man früher zentral steuern musste, könnten heute mit viel mehr Bürgerbeteiligung gestaltet werden, befindet er. In solchen Fällen könnte man inzwischen auch viel leichter an Information kommen, wie das andere gemacht haben. Freilich: in der Arbeitswelt sieht er viele Berufe vor gravierenden Veränderungen. Wenn vor 30 oder 40 Jahren einer eine Ausbildung machte, hatte das Wissen eine relativ lange Halbwertszeit, heute beschleunige sich alles immer mehr. »Durch die Veränderung haben wir auch immer weniger Horizonte der Verlässlichkeit«, bringt er es auf den Punkt. Letztlich müsse sich die Politik genauso internationalisieren wie auch die großen Konzerne. Österreich sieht Schreier in Sachen Digitalisierung weiter als Deutschland. In Deutschland streite man hingegen seit Jahren darum, wer nun für die Kosten bei der Digitalisierung der Schulen aufkommen müsse – Land oder Kommunen.

Guido Baltes, Professor in Konstanz, sieht gewaltige Umstrukturierungen auf die Gesellschaft zukommen. Alle haben das Gefühl, dass Arbeit wie das Zusammenleben der Menschen fundamental anders wird, das Wie ist aber noch gar nicht so klar. »Privat kann man sich noch relativ lange dazu entscheiden analog zu bleiben, doch beruflich geht das gar nicht«, unterstreicht er. Der Farbfernseher sei 1955 eingeführt worden, die Anpassungszeit habe Jahrzehnte betragen. Das Smartphone sei innerhalb weniger Jahre angekommen, das Tablet schon innerhalb eines Jahres. »Die Gesellschaft muss der technologischen Entwicklung nachziehen.« Wichtig ist für ihn, die Bevölkerung in solchen Prozessen einzubeziehen – denn Stabilität gebe es inzwischen immer weniger, was sich im letzten Bundestagswahl-Ergebnis wie in der langen Regierungsbildung ausgedrückt habe. »Die Politik hat schon verstanden, dass die Digitalisierung umwälzend ist, sie muss hier aus einer reaktiven Rolle, wie die der Kanzlerin, in eine aktive übergehen«, fügt dem Marian Schreier hinzu. Die Politik hat seiner Meinung mit der aktuellen Entwicklung nicht Schritt gehalten. Beispiel sind für Baltes die großen Internet-Händler im Vergleich zu Banken. Die Banken würden heftigst reguliert, die Zahlungen über Internetportale per PayPal verliefen nach ganz anderen Regeln, da gebe es Benachteiligungen. Auch die eigene Hochschule sieht er angesichts der Veränderung vor großen Herausforderungen. Denn dort gibt es noch viele Berufsbilder aus den letzten 40 Jahren, in der Zukunft müsse man die Unternehmen in die Ausbildung nach ihrem Bedarf einbeziehen. Umwälzend werde der Arbeitsmarkt: denn 70 Prozent der Werktätigen seien derzeit noch »repitiv« tätig in der Wirtschaftswelt. Das seien Tätigkeiten die irgendwann von Robotern gemacht werden könnten. Das erfordere sehr viel Bereitschaft zur Umstellung. Derzeit sei eher noch die Tendenz, möglichst lange am »Alten« festzuhalten.

»Was machen wir mit den Menschen, die in die Digitaliserung nicht einsteigen können«, fragte Klaus Forster aus dem Publikum. »Wir müssen es schaffen, dass nicht ein erheblicher Teil der Gesellschaft ausgeschlossen wird«, antwortete Marian Schreier. »Das sei aber noch nicht mal bei der Bekämpfung des Analphabetismus gelungen«, räumte er ein. Man steuere auf eine Zweidrittel-Gesellschaft zu, ist seine Befürchtung. Guido Baltes zeigte sich auch skeptisch, dass das gelingen könne. Da helfe es nur, den Zugang zur digitalen Welt über eine Breitbandversorgung günstig für den Verbraucher hinzubekommen. »Das ist in Deutschland eine Geschichte des Versagens«, kritisiert Marian Schreier. Einem immer wieder angesprochenen »bedingungslosen Grundeinkommen« und einer Robotersteuer auf der andern Seite steht Baltes sehr skeptisch gegenüber. »Wir müssen schauen, dass wir die Politik in Sachen Digitalisierung fordern, denn sie scheint damit überfordert«, brachte es Moderator Walter Studer auf den Punkt.

Oliver Fiedler


7. Sonntagstalk – 11.3.2018
»Warum verlieren die Volksparteien ihre Wähler«

Spannender Wochenblatt-Talk

mit Moderator Walter Studer

Warum verlieren die Volksparteien Ihre Wähler
Auf dem Podium am Sonntag in der Färbe MdB Andreas Jung, MdB Rita Schwarzelühr-Sutter, Dr. Wolfgang Petersen vom IfD Allensbach unter der Moderation von Walter Studer. swb-Bild: of

Letztlich hilft nur glaubwürdige Politik

Singen. Nicht nur das Podium, sondern auch das Auditorium in der Färbe war höchst prominent besetzt beim aktuellen Wochenblatt-Talk zum Thema »Laufen den Volksparteien die Wähler davon« am Sonntag. Moderator Walter Studer gestand, dass er kurzfristig noch überlegt hatte, ob er nicht das Thema in »Warum laufen den Volksparteien die Wähler davon?« ändern solle, was sein Eindruck der letzten Wochen gewesen ist.

Auf dem Podium saßen die beiden Bundestagsabgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) aus Waldshut und Andreas Jung (CDU) aus Konstanz, und Dr. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach, der die Wahl im Vorfeld wie Nachgang in vielen Umfragen begleitet hat.

Was war anders bei dieser letzten Wahl gewesen, die erst in der letzten Woche zu einem Start in eine Regierungsbildung führte, nach fünf Monaten hin und her? Dr. Thomas Petersen machte deutlich, dass natürlich jede Wahl anders sei. Doch dieses Jahr habe die Flüchtlingskrise oder deren Nachwirkungen besonders kurz vor der Wahl alle anderen Themen überdeckt. Das bestätigte auch Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) die im Wahlkampf durchaus das Gefühl bekam, dass es für sie nicht zur Wiederwahl reichen würde. »Gerechtigkeit« sei ihr Thema gewesen, doch bei all ihren Auftritten sei ihr das Thema Flüchtlinge entgegengeschlagen. »Den Volksparteien laufen nicht die Wähler weg, sondern die Stammwähler«, analysierte Andreas Jung. Man habe einen Wahlkampf unter dem Motto »Gut leben« geführt, aber dann die meisten Wähler in Richtung FDP verloren, so sein Rückblick.

Die Mode, dass verächtliche Bemerkungen »en vogue« seien, was unter »Politikverdrossenheit« gehandelt wurde, habe eigentlich ihren Höhepunkt überschritten, stellte Dr. Petersen klar. Deutschland könne man nicht mit Italien vergleichen, eher mit Holland. Perspektiven hätten sich verändert, es sei da ein ganz normaler Prozess, dass sich da auch neu Parteien bilden würden. Es gehe inzwischen auch eher um »Lebenswelten«, unterstrich Rita Schwarzelühr-Sutter. Für sie haben die Rechtspopulisten durchaus von den 68ern eine Menge gelernt, wie sie Themen in der öffentlichen Diskussion auch durch Provokation platzieren.

Wohin gingen die Wähler der Volkspartei SPD. Für die SPD-Abgeordnete ist der Schwund seit vielen Jahren im Gange: Ein Flügel ging weg durch die Grünen in den 1980ern, ein weiterer Flügel sei durch die Agenda 2010 von Kanzler Schröder weggebrochen. »Alle kämpfen eigentlich um die Mitte, weil dort die meisten Wähler vermutet werden. Man muss aber schon darauf schauen, wie man die Ränder abdecken kann«, meinte sie.

»Die Menschen haben einen Wohlstand, aber sie haben Angst davor, dass dieser Wohlstand in Gefahr ist«, stellte Dr. Petersen heraus. Heute sagen viel mehr Leute, dass man was ändern könne, denn für ihn hat das bürgerschaftliche Engagement sogar zugenommen und die Bürger seien selbstbewusster geworden. »Sind sie deswegen weniger treu den Parteien gegenüber?« fragte dazu Walter Studer spitz nach. »Ja«, antwortete Petersen knapp, die Menschen entschieden aus ihrer aktuellen Situation ob etwas passt oder nicht. »Schauen Sie bei den Vereinen hinein«, ergänzte Rita Schwarzelühr-Sutter, denn dort sei ein ähnlicher Umbruch spürbar. »Am Ende ist entscheidend, dass wir glaubwürdig Politik machen«, so Andreas Jung auf den Einwurf der SPD-Abgeordneten, dass man nicht mehr daran denke, dass man immer SPD gewählt habe, wenn man abends im Zug Angst bekomme.

»Wir müssen an die Fragen gehen, die Ängste in der Bevölkerung zu bewältigen« gab sich Rita Schwarzelühr-Sutter entschieden auf die Frage, was nun ihre Antwort für die Arbeit der künftigen Regierung und ihr Beitrag ist. Daraus hätten die Rechtspopulisten ihr Kapital geschlagen. »vier von zehn Deutschen glauben, sie könnten Politik besser machen als die Politiker selbst«, blickt Dr. Petersen in eine der zahlreichen Umfragen seines Instituts. Auf der anderen Seite sei Politik immer komplexer und gewiss nicht in den TV-Talkshows zu vermitteln, in denen Fachleute ohnehin fehlten. Nach vielen Kommentaren in Richtung AfD blieb freilich der Vorsatz, dass einzig eine glaubwürdige Politik Wähler überzeuge. Die zu vermitteln sei freilich die Kunst, denn grade bei der letzten Wahl habe sich besonders deutlich gezeigt, dass »die Lüge immer erfolgreicher als die Wahrheit« gewesen sei.

»Als Wähler habe ich ja eigentlich auch das Recht, meinen Abgeordneten in Berlin alle vier Jahre auszuwechseln«, so Andreas Jung. Auch in den USA oder Frankreich habe sich gezeigt: Auf dem Land werde die Wahl entschieden, nicht in den Städten. Und dort sei es den Wählern eher darum gegangen, der etablierten Politik eins auszuwischen aus der eigenen Angst, zum Verlierer zu werden. Deshalb müsse es darum gehen, dass man auf dem Lande auch genauso gut leben könne wie in einer großen Stadt.

Sehr viele Fragen am Schluss der Runde an die beiden Politiker machten deutlich, dass das Thema die Menschen auch aus den unterschiedlichsten Positionen heraus bewegt.

Oliver Fiedler


6. Sonntagstalk – 19.11.2017
»Kunst ... wie viel darf es denn sein?«

Helena Vayhinger

Helena Vayhinger, Galeristin, Singen

Antonio Zecca

Antonio Zecca, Künstler, Singen

Catharina Scheufele

Catharina Scheufele, Fachbereichsleiterin Kultur bei der Stadt Singen

Christoph Nix

Christoph Nix, Intendant Theater Konstanz

Spannender Wochenblatt-Talk

mit Moderator Walter Studer

Die Kunst ist angekommen in Singen – ist sie das?

ws. Eine vielleicht provokative Frage, angesichts der Tatsache, dass Singen sich in den letzten Jahren einen Namen als Kultur- und Kunststadt geschaffen hat. Die Politik widmet dem Thema viel Aufmerksamkeit und Kunstliebhaber und Mäzene haben mit hohem Engagement eine Szene und eine Infrastruktur geschaffen, die bundesweite Beachtung findet.

In Singen fragen Fremde nach dem Weg zum MAC und nicht nach dem Weg zum Einkaufszentrum. Kunst hat einen Namen in Singen. Kunst ist angekommen in der Stadt.

Wirklich? Ist Kunst ein Thema unter dem Hohentwiel? Wie viel Kunst darf es denn sein. Und welche Kunst soll es sein? Kunst ist Teil unserer Gesellschaft. Hohe Geldsummen werden in Kunstwerke investiert. Doch viele Künstler können kaum überleben. Dazwischen steht der Durchschnittsbürger, der manchmal den Eindruck nicht los wird, dass der Kunstbetrieb ihn auf Abstand halten will. Ein komplexes Thema, die Kunst. Dieses komplexe Thema diskutiert ein exzellent besetztes Podium.

Die Sicht des Künstlers bringt Antonio Zecca ein. Die Galeristin Helena Vayhinger kennt die Gesetze des Kunstmarktes. Catharina Scheufele vertritt als Fachbereichsleiterin Kultur die Stadt Singen. Der Konstanzer Theaterintendant Christoph Nix kennt als Manager eines öffentlichen Hauses den Kampf um finanzielle Mittel und die Aufteilung dieser Mittel auf Infrastruktur und Künstler. Moderiert wird die Veranstaltung vom Schweizer Journalisten Walter Studer.

Warum verlieren die Volksparteien Ihre WählerKünstler Antonio Zecca, die Singener Kuturbüro-Leiterin Catharina Scheufele, Moderator Wälz Studer, der Konstanzer Theaterintendant Prof. Christoph Nix und Galeristin Helena Vayhinger auf der Fäbe Bühne beim Wochenblatt-Talk. swb-Bild: of

Kultur geht gemeinsam noch viel besser

Singen. Einigen Leuten ist Kunst sehr viel wert – was ist ihnen daran so viel wert? Das fragte Moderator Wälz Studer gleich zum Auftakt des inzwischen fünften Wochenblatt-Talks in der Färbe zum Thema Kultur und Kosten Galeristin Helena Vayhinger. Dies angesichts der aktuellen Nachricht, dass ein Bild von Leonardo da Vinci letzte Woche für 450 Millionen Dollar in New York versteigert wurde, also Kunst ganz schön gewinnbringend sein könnte. Für sie ist solche Kunst die Aktie der Zukunft, und sie ist sich sicher, dass solche Bilder in ein paar Jahren eine Milliarde Euro kosten könnten. Der Galeristin geht es seit über drei Jahrzehnten aber vielmehr um Kunstermittlung, weniger um die Wertanlage.

Das war aber nur der Anfang eines Talks, der ganz schon viele Facetten für die Besucher parat hielt, so vielfältig eben Kultur wie Kulturpolitik sein kann und ist. Denn Prof. Christoph Nix, der egangierte und streitbare Intendant des Konstanzer Stadttheaters, wollte sich von solchen Zahlen nicht blenden lassen, denn die meisten Künstler der damaligen Zeit seien arme Schlucker gewesen, heute oft vielfach auch noch. Von der Kunst profitierten dann andere.

Christoph Nix hatte dabei ein ganzes Bündel zum Thema Kultur und deren Förderung mitgebracht, schließlich kann man ihn in diesem Teil des Landkreises eher seltener erleben. Deutlich seine Schelte in Richtung Landesregierung, denn in den fast acht Jahren Regierung unter grüner Beteiligung habe es bisher weder ein Minister noch Staatssekretär in sein Theater geschafft, gab er in Richtung der anwesenden Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger mit. Nix machte wie seine Mitredner auch deutlich, dass man Kultur zusammen im Kreis noch viel stärker umsetzen könne. So »sinn- und identitätsstiftend« für eine Region wie nur irgend möglich, denn dieser Begriff fiel immer wieder. Er habe schon eine Reihe von Angeboten in Richtung der Stadthalle zum Beispiel zu Musical-Gastspielen gemacht und keine Antwort bekommen. Mancher Gast des älteren Publikums erinnerte sich da freilich, dass es so was sogar zu Kunsthallen-Zeiten schon mal gegeben hatte. Nix machte auch das ganz konkrete Angebot, der Singener Färbe seine Bühne wiederum für Gastspiele zur Verfügung zu stellen, denn die engagierte Arbeit habe auch ein Publikum in Konstanz verdient.

Erfahren konnte das Publikum durch die doch ganz pfiffigen Fragen von Wälz Studer, weshalb die Mögginger Galerie Vayhinger eigentlich nach Singen kam. Auf der Standortsuche sei auch Konstanz eine Alternative gewesen. Doch in Singen habe man sofort das Gefühl gehabt, dass man sich um sie sogar in Person des OB kümmere und unterstütze. Auch Antonio Zecca, der die Kunst vor 40 Jahren zu seinem Lebensinhalt machte, bekannte, dass er eigentlich in den 1980er Jahren auf dem Weg nach New York gewesen sei. In Singen blieb er hängen, weil ihn die mulitkulturelle Stadt immer mehr faszinierte und auch er das Gefühl habe, dass man auf seine Ideen zur Kunst und Kunstvermittlung sehr offen reagiere. Wie wichtig der Stadt Singen Kunstförderung ist, unterstrich die Leiterin des Singener Kulturbüros, Katharina Scheufele, denn rund sechs Prozent des Singener Haushalts rechnet sie dem Kulturetat zu, der ja aktuell in einer Kulturdebatte auf dem Prüfstand steht, was aber in diese Diskussion nicht einfloss. Die Stadt wird auch von vielen inzwischen etablierten Künstler für ihr Engagement gelobt.

Oliver Fiedler


5. Sonntagstalk – 23.10.2017
»Wirtschaft über Grenzen«

Joachim Maier

Dr. Joachim Maier wagte mit der WEFA vor 12 Jahren den Schritt in die Schweiz. swb-Bild: Holger Hagenlocher

Georgio Behr

Prof. Giorgio Behr ist als Schweizer viel im Deutschen Wirtschaftsraum tätig.

Claudius Marx

Professor Dr. Claudius Marx ist der Schweiz-Experte in der IHK.

Im Vorfeld hatte das WOCHENBLATT die Gelegenheit, mit Prof. Dr. Claudius Marx über »Wirtschaft über Grenzen« zu sprechen.

Frage: Herr Marx, wir sind ja Grenzregion. Ist das eher ein Plus-Faktor oder Hemmnis für die Wirtschaft?
Claudius Marx: »Hier am Bodensee und Hochrhein ergibt sich die einmalige Situation einer EU-Außengrenze. In der Form ist das schon mal einzigartig. Für Unternehmen ist dadurch auch die Chance gegeben, das Beste aus zwei unterschiedlichen Wirtschaftssystemen zu machen.«

Frage: Klingt erst mal beeindruckend. Wir hören immer wieder, wie kompliziert das alles ist.
Claudius Marx: »Klar, das Steuerrecht ist zum Beispiel schon mal anders. Dafür ist es in der Schweiz zum Beispiel flexibler für Unternehmer und dazu in jedem Kanton noch etwas anders, etwas was für uns hier im vereinten Europa eher eine Utopie wäre. Auch das Arbeitsrecht ist anders, eben auch flexibler. Anders ist auch das Unternehmensrecht, wenn man nur mal die vielen AG’s anschaut. Wenn in Europa etwas schlecht gemacht wird, dann ist das in ganz Europa so, in der Schweiz stehen dagegen die Kantone als Wirtschaftsstandort im gegenseitigen Wettbewerb.«

Frage: So gesehen kann unsere Grenznähe sogar ein echter Standortvorteil sein?
Claudius Marx: »Für bestimmte Unternehmen sicher. Die Schweiz verfügt zum Beispiel über ein Freihandelsabkommen mit China, was Exporte erleichtert.«

Frage: Auf der anderen Seite besteht nicht unbedingt der Eindruck, als ob deutsche Unternehmen unbedingt willkommen sind, wenn man nur den seit Jahren schwelenden Taxi-Streit betrachtet, bei dem deutschen Unternehmen sozusagen untersagt wird, Kunden zum Beispiel an den Flughafen Zürich zu bringen.
Claudius Marx: »Die 90-Tage-Regelung für ausländische Betriebe ist als Rechtsregime gar nicht dafür gemacht und sowas geht im Taxigeschäft natürlich nicht. Das Taxiunternehmen bringt seine Kunden ja mit aus Deutschland, die kaum ein Taxi in der Schweiz ordern würden. Davon konnten wir die Schweizer noch nicht überzeugen, was mir schon ein wenig weh tut.«

Professor Dr. Claudius Marx hat seit 1999 eine Professur bei der FH Trier und der Universität St. Gallen, schon davor, ab 1994 war er erstmals bei der IHK in Konstanz als Leiter der Rechtsabteilung und stellvertretender Geschäftsführer tätig gewesen. Seit dem Jahr 2006 ist er Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee und auch einer der »Väter« der neuen Zentrale der IHK über dem Bodenseeforum. Das Thema der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Schweiz ist eines seiner Spezialgebiete.


4. Sonntagstalk – 17.9.2017
»Einfluss und Macht der Frauen in der Politik«

Spannender Wochenblatt-Talk

mit Moderator Walter Studer

Warum verlieren die Volksparteien Ihre Wähler

Auf dem Podium des Sonntags-Talks des WOCHENBLATTs: Dorothea Wehinger, Martina Munz, Walter Studer und Veronika Netzhammer. swb-Bild: of

»Frauen und die Macht in der Politik«

Singen. Drei Frauen auf dem Podium »Auf ein Wort« des WOCHENBLATTs am Sonntag, denn es sollte dort – ganz abseits des aktuellen Bundestags-Wahlkampfs – um das Thema Einfluss und Macht der Frauen in der Politik“ unter der Moderation des Radiomanns Walter Studer gehen. Auf dem Podium drei ganz unterschiedliche Frauen aus der Politik: Veronika Netzhammer (CDU), die ehemalige Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger (Güne), die aktuelle Landtagsabgeordnete, und Martina Munz (SP), Schweizer Nationalrätin aus Hallau. Und schon bei den Motiven zur Politik wurde deutlich, dass hier das Thema Frau schon eine bedeutende Rolle spielte: Für Dorothea Wehinger war es die Opposition gegen den bäuerlichen Vater, und dass sie in der CDU damals eben keine Frauen wahrgenommen hätte. Martina Mutz hatte sich einst so darüber geärgert, dass es Frauen in der Politik nach dem spät erlangten Wahlrechtes immer noch so schwer hatten, dass sie selbst hier einstieg. Veronika Netzhammer war einst die erste Frau, die aus Südbaden in den Landtag gewählt wurde, und das war 1996 gewesen! »Wollen oder können die Frauen nicht politisieren?« – war eine durchaus provokative Frage von Studer in die Runde als Reaktion. Nein, war die Antwort der Frauen auf dem Podium erst mal. Aber: kämpfen müssen sie doch noch mehr. Es habe vieler Hintergrundarbeit der Frauen-Union bedurft, um für diese Wahl endlich eine Frau auf eine aussichtsreiche Position der Landesliste bekommen, gestand Veronika Netzhammer ein. Dorothea Wehinger verwies auf das Parteireglement der Grünen mit paritätischer Besetzung, allerdings dürfe es da ja auch nicht um »Quotenfrauen« gehen, sondern auch um Qualifikation.

»Generell muss man sich in der Politik engagieren und artikulieren«, unterstrich Veronika Netzhammer, das sei für Frauen vielleicht eher das Problem, dass sie sich mit einer Meinung nicht so in die Öffentlichkeit stellen wollen. »Frauen haben eher den Wunsch geliebt zu werden, Männern wird eher nachgesehen, wenn sie ihr Fähnlein in den Wind hängen«, so Wehinger. »In der Politik braucht es aber auch den Mut, sich unbeliebt zu machen.« »Die Politik polarisiert immer mehr zwischen Schwarz und Weiß, Frauen stehen da doch eher für Grautöne«, so Munz, was Studer allerdings mit Marine Le Pen oder Hillary Clinton konterte, die er als sehr polarisierend einordnete.

»Wird die Politik denn besser, wenn mehr Frauen drin sind?«, frage Studer ganz spitz nach. »Frauen sind ja auf der Welt in der Überzahl, wenn Entscheidungen in einem gemischten Verhältnis gelöst werden, sind das immer die besseren Lösungen. Frauen wollen lieber die Win-Win-Situation«, so Wehinger. »Es wird der Bevölkerung gerechter, weil Frauen einen anderen Lebenshintergrund haben«, so Munz. »Wir werden ja auch weltweit bewundert, dass wir eine Frau als Bundeskanzlerin haben, viele sagen, diese Art des Moderierens sei ihnen viel lieber«, bekräftige Veronika Netzhammer.

»Wieso ist dann die Quote nicht da?«, so Studer. Martina Munz erinnerte an eine Schweizer Abstimmung im Jahr 2000, wo es gerade mal 18 Prozent dafür gegeben habe. »Ich bin trotz aller bisherigen Erfolge dafür«, so Wehinger. Veronika Netzhammer verwies auf eine 30-Prozent-Quote in ihren Parteigremien. Auf der anderen Seite sehe sie hier keine Frau in den Sparkassen-Vorständen oder bei den Volksbanken, fügte Veronika Netzhammer an, obwohl es inzwischen sicher genauso viele hochqualifizierte Frauen gebe.

Martina Munz brachte hier allerdings noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, was eben letztlich doch ein starkes Hemmnis sei. Wenn sie sich Frauen der Erziehung widmeten und zurück in den Beruf wollten, seien die Männer einfach eben doch 20 Jahre voraus. Und in dieser Frage sei die Schweiz gar noch ein Entwicklungsland, kritisierte sie. »Es gibt Frauen, die sind nicht verheiratet oder haben keine Kinder, und sind deshalb nicht im Vorstand«, flocht Veronika Netzhammer ein. Die Kinderbetreuung erkläre nicht alles. Gefordert wurde im Rahmen der Diskussion mehr Transparenz darüber, was Frauen und Männer für gleiche Arbeit verdienen. Das gebe es bisher nur für Unternehmen ab 200 Mitarbeitern.

Dass man zumindest in Singen hier bald etwas ändern könne, brachte Netzhammer auch in der Fragerunde ein. Schließlich sind im Mai 2019 die nächsten Kommunalwahlen, für die Frauen als Kandidatinnen sicher bei allen Parteien willkommen sind. Und: »Frauenförderung sollte ein Thema für die nächste Legislaturperiode sein«, so Netzhammer.

Oliver Fiedler

Der Moderator Walter Studer

walter Studer

Walter Studer war fast 20 Jahre lang Programmleiter und Geschäftsführer von Radio Munot in Schaffhausen. Weil der Sender mit knappen Mitteln auskommen musste, tat er auch in der Redaktion mit, wo er für die politische Berichterstattung aus Räten und Parlamenten verantwortlich zeichnete. Hier kam es zu Kontakten mit Oliver Fiedler, was letztlich zur Verpflichtung von Studer für die Gesprächsleitung der Talkserie »Auf ein Wort« führte.

Studer ist in Winterthur und in einem kleinen Ort an der deutschen Grenze aufgewachsen. Nach dem Abitur in Winterthur studierte er an der Universität Zürich Betriebswirtschaft. Während des Studiums begann er für lokale Zeitungen – mit Vorliebe Sportberichte – zu schreiben. Mit dem Lizentiat in der Tasche versuchte er seine Wirtschaftskenntnisse in der Praxis umzusetzen, ohne auf die nebenamtlichen Schreibjobs zu verzichten. Sein erster Chef – ein ehemaliger Journalist – muss den gebremsten Enthusiasmus Studers an Investitionsplänen und Einkaufsoptimierungen bemerkt und sein Interesse an Publizistik und Kommunikation erkannt haben, weshalb er ihn als Mediensprecher der Muttergesellschaft verpflichtete.

Die verlockenden Zukunftsaussichten auf eine Karriere in der Industrie hielten Studer nicht davon ab, ins Zeitungsfach zu wechseln. 1984 begann in der Schweiz die Privatradio-Aera. Studer war als Moderator bei Radio Eulach (heute Radio Top) in Winterthur von Anfang an dabei. Mitte der 80er Jahre zog die Familie nach Schaffhausen, wo er die Leitung eines regionalen Verlages übernahm und erste Versuche im TV-Bereich wagte.

Dank dieser Erfahrungen erhielt er in den frühen 90er Jahren die Leitung der TV-Abteilung bei Ringier in Zürich. Einige Jahre später holten ihn die Schaffhauser Nachrichten zu Radio Munot.


3. Sonntagstalk – 27.6.2017
»Spannende Zeitreise«

Spannender Wochenblatt-Talk

mit Moderator Oliver Fiedler

Zeitreise

Wochenblatt-Chefredakteur Oliver Fiedler hier im Gespräch mit Gerd Springe von Singen aktiv, Peter Schellhammer und Wolfgang Leiber von der IG Süd und Günter Schneckenburger vom City Ring. swb-Bild: dh

Eine spannende Zeitreise beim WOCHENBLATT-Jubiläums-Talk

Singen. Das WOCHENBLATT feiert bekanntlich in diesem Jahr sein 50. Jubiläum. Am 29. Juli erwartet die Leser eine »spannende Jubiläumsausgabe«, wie Verlegerin Carmen Frese-Kroll in der dritten Auflage des Talkformats »Auf ein Wort« am Samstag beim Stadtfest-Talk im hauseigenen Zelt mit geladenen Gästen verriet.

Initiiert vom ehemaligen Verlagsleiter Peter Peschka und moderiert von Chefredakteur Oliver Fiedler begab sich der Gesprächskreis – als zentrales Element des Jubiläums, so Carmen Frese-Kroll – auf eine kurzweilige Zeitreise des City-Rings, der IG Singen Süd und Singen Aktiv. Acht Zeitzeugen, angefangen von Paul Lutz, ehemaliger Anzeigenchef und Geschäftsführer des Singener Wochenblatts und Vorsitzender des City-Rings, der 1971 das erste City-Fest ins Leben rief, bis hin zu Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler waren alle der Einladung gefolgt und sprachen über Erfolge, Krisen und Entwicklungspotenziale der Einkaufsmetropole des Hegaus in den letzten fünf Jahrzehnten.

Denn ähnlich wie bei der bevorstehenden Entwicklung des Shopping-Centers »Cano« galt es für die verantwortlichen Köpfe und Händler stets Chancen und Risiken abzuwägen und entsprechend darauf zu reagieren, wie auch OB Häusler im Schluss-Statement resümierte. Derzeit sei man hierbei auf einem sehr guten Weg. Anlässlich der Aufbruchstimmung hofft Häusler auch auf Investitionen der einzelnen Geschäfte. Die Stadt habe mit der Neugestaltung Bahnhofsvorplatz und Hegaustraße bereits Zukunftsentscheidungen auf den Weg gebracht.

Gleich zu Anfang der Talkrunde hatte Paul Lutz einen Appell an alle Händler gerichtet: Mit Blick auf Cano gelte es gemeinsam zu handeln und die Fußgängerzone zu stärken. Die Gründung des City-Rings 1970 war, so Lutz, schließlich eine Antwort auf die Ansiedlung von Edeka mit seinem »EKZ«, Bilka und und die Pläne von Karstadt, um sich deren Konkurrenz zu erwehren.

Viele wissen wahrscheinlich auch nicht mehr, dass es einer groß angelegten Werbekampagne der Singener Werbegemeinschaft Anfang der 70er Jahre zu verdanken ist, dass der Einkaufsstandort Singen auch viele Schweizer Kunden gewinnen konnte, wie Günter Schneckenburger anschließend verriet. Ein weiterer Meilenstein war die Idee des verkaufsoffenen Sonntags an Martini, das als Alleinstellungsmerkmal immer noch äußerst erfolgreich ist, so Schneckenburger. Er verschwieg aber auch die »Straßenkämpfe« und Auflösungserscheinungen der Werbegemeinschaft in dieser Zeit nicht.

Der Ehrenvorsitzende der IG Singen Süd, Peter Schellhammer, hob den »Glücksfall« Hans-Joachim Frese für den Handelsstandort Singen hervor. »Ohne das Geschenk WOCHENBLATT wäre es nicht zu einer solchen Blüte gekommen«, so Schellhammer. Für die rasante Entwicklung des Singener Südens, das 1994 mit der IG Singen Süd ein eigenes Gesicht bekam, führte Schellhammer die vierspurige Georg-Fischer-Straße mit der Schlagader Automeile und ein bestens gegliedertes Gewerbe- und Industriegebiet an. Und das zog sich immer wieder wie ein roter Faden durch die Gespräche: wie viel nicht nur die Gründung des WOCHENBLATTs für das Zentrum des Hegau auslöste, sondern wie die Zeitung immer wieder »der« Partner für Handel und Wirtschaft auf deren Weg zum Erfolg war.

Der ehemalige OB Andreas Renner gab Moderator Oliver Fiedler recht, dass er der IG Singen Süd angesichts des expandierenden Handels Bremsklötze angelegt habe, das Innehalten habe der Innenstadt wiederum gutgetan. Einen planerischen Sprung von zehn bis 15 Jahren habe Singen der Landesgartenschau zu verdanken, so Renner und verwies darauf, dass man früher, wo heute Stadthalle und Stadtpark seien, im Dreck auf dem Parkplatz gestanden habe. Fast ähnliches Potenzial erhofft sich Renner vom Cano, das Singen fünf bis zehn Jahre voranbringen könne.

Einen besonderen Part beim Stadtortmarketing nimmt heutzutage Singen Aktiv ein. Wie Wolfgang Leiber erklärte, sei der Gründung ein konspiratives Treffen von Machern vorausgegangen. »Trumpfkarte« sei schließlich der jugendliche Rentner und Fachmann für Stadtortmarketing im Landkreis, Dr. Gerd Springe gewesen. Für Springe ist Cano ein großer Schritt, wobei es wichtig für die Einkaufsstadt Singen sei, die beiden Fußgängerzonen zu verbinden.

Die ehemalige Wirtschaftsförderin und heutige Geschäftsführerin von Singen Aktiv Claudia Kessler-Franzen hob zudem die »vielen Perlen« Singens – einer Stadt mit Ecken und Kanten – hervor. Doch auch Singen Aktiv stoße an Grenzen und sei auf die Hilfe des Ehrenamts angewiesen, schloss die den Kreis zum anfänglichen Apell von Paul Lutz, der jetzt den Handel gefordert sieht, einen neuen Auftritt zu wagen um vor der Eröffnung des Shoppingcenters fit zu sein.

Oliver Fiedler


2. Sonntagstalk – 14.5.2017
»Zukunft der Stadt Singen«

Spannender Wochenblatt-Talk

mit Moderator Peter Bliestle

Nordstadt fragt Südstadt

Singens OB Bernd Häusler mit Peter Bliestle "Auf ein Wort" auf der Bühne der Färbe. swb-Bild: of

Die Stadt im steten Wandel

Vom Bauernhof unterm Hohentwiel zur Industriemetropole und Ziehmutter des Hegaus.

Einkaufszentrum, Verkehrsknotenpunkt, gefragter Standort von Handel, Handwerk, Gewerbe und Großunternehmen.

Eine Stadt, in der sich auch für die kommenden Jahre Veränderungen ankündigen. Ein Stadtbild, das sich weiter grundlegend verändern wird.

Über Visionen und Träume in Sachen Stadtentwicklung wird Peter Bliestle, der Mann aus dem Norden, unseren Bürgermeister Bernd Häusler, den Südstädtler, befragen.

»Nordstadt fragt Südstadt« auf dem Podium

Singen. Über ein ziemlich volles Haus konnte sich die Färbe in Singen am Sonntagvormittag zur zweiten Auflage des Talk-Formats »Auf ein Wort« des WOCHENBLATTs freuen. In einem kurzweiligen Zwiegespräch hatte sich dabei Peter Bliestle, bekannt durch den Narrenverein »Tiroler Eck« und dort »Bürgermeister«, den Singener OB vorgenommen unter dem Titel »Nordstadt fragt Südstadt« und das wurde ein recht interessanter Vormittag, denn abseits von Wahlkämpfen oder konkreten Themen bei Bürgerinformationen konnte hier mal querbeet über so manches Zukunftsthema Singens gesprochen werden.

Eingestimmt wurde das Publikum dieses Muttertagsvormittags, bei dem bei freiem Eintritt um Spenden für den Verein »Menschen helfen« gebeten wurde, durch einen historischen Film des einstigen Chefs der Baugenossenschaft Hegau, Emil Sräga, der die stürmischen Bauzeiten der 1960er Jahre dokumentierte, als nicht nur emsig gebaut, sondern auch ganz schön viel abgerissen wurde. Die Frage von Bliestle lag nahe, wie groß denn Singen überhaupt nun noch werden wolle. Häusler ließ sich da nicht auf Visionen ein. Klar werde Singen moderat weiterwachsen, aber angesichts von 25.500 Arbeitsplätzen in der Stadt und dadurch rund 16.000 Einpendlern, gehe es vorderhand darum, den Verkehr in den Griff zu bekommen. Im weitere Gespräch machte Häusler deutlich, dass man zwar dankbar sei über Hannes Ott’s nach dem Krieg geplante »autogerechte Stadt«, nun aber den Fokus viel mehr auf den Radverkehr setzen müsse. Achsen von Nord nach Süd wie von Ost nach West sind in der Planung, einschließlich einer Verkehrsberuhigung von Ekkehard- und Freiheits Straße eben für die Radler. Freilich steht erst mal eine Zeit der Baustellen mit ECE und Herz-Jesu-Platz bevor. Auf die Frage Bliestles sagte Häusler, dass man am Bahnhofplatz für zwei bis drei Jahre Baustelle habe und in dieser Zeit auch mit 13 Buslinien ausweichen müsse. Aber nachdem man nun die starke Belastung durch die GVV-Pleite wie den ECE-Planungsprozess hinter sich habe, seien planerische Kapazitäten frei.

Die Nordstadt-Nahversorgung war für Bliestle natürlich ein Thema. Häusler bekräftigte, dass man da jetzt konkret herangehe und in diesen Wochen im Bereich des Nordstadtkreisels mit den Grundstückbesitzern in Verhandlungen treten wolle, um Flächen für das Projekt zu bekommen. Bisher hätten sich Anwohner des Gebiets skeptisch gezeigt, weil sie dort mehr Verkehr befürchteten, doch ein großer Nahversorger dort könne wiederum Verkehr aus dem Gebiet heraus verringern.

Thema waren für Bliestle unter anderem auch die unbefriedigenden Parkverhältnisse auf dem Hohentwiel zur Hochsaison. Häusler machte da deutlich, dass ein Shuttle auf den Berg nur dann wirklich Sinn mache, wenn man die Straße nach droben dicht mache für alle Autos mit Poller oder Schanke.

In der Fragerunde kam unter anderem das Thema Hallenbad auf, das ja dringend einer Aufwertung bedürfe. Häusler erinnerte an die Zeit von 2003, als das Aachbad zur Disposition stand und es den Plan gab, dort ein Ganzjahresbad zu bauen. Damals habe man sich für die Scheffelhalle entschieden und das sei für ihn auch heute noch so. Durch das hohe Grundwasser sei Bauen dort ohnehin sehr teuer und schwer. Aktuell liege man für die Sanierung des Hallenbads und eine Erweiterung zum Erlebnisbad bereits bei geschätzt fast 20 Millionen Euro. Für ihn habe da einfach auch erst mal die schon viele Jahre geforderte Dreifachsporthalle am Stadion für Schul- und Vereinssport Priorität.

Oliver Fiedler

Der Moderator Peter Bliestle

Peter Bliestle

Peter Bliestle, geborener Singener Nordstädtler, ist Zahntechniker von Beruf, außerdem Künstler, Familienvater, Musiker, Bürgermeister der Narrengemeinde Tiroler Eck und bekennender Bürger der Stadt Singen.

Ein Multitalent und Autodidakt aus Berufung. Er ist Schöpfer des vergessenen Narren, der ein echter Bliestlestreich war, und macht zusammen mit seinen Bruder Hannes Musikkabarett (eigene CD). Sein Bruder ist ein genialer Frontmann und von Peter Bliestles Feder stammen viele Texte.

Seine filigranen Insektenskulpturen aus Silber und Gold wurden bei den »Schmuckwelten« in Pforzheim präsentiert, eine Ausstellung, die normalerweise nur Profis offensteht oder eben Autodidakten wie Peter Bliestle, der durch seine Qualität überzeugt.

Er ist ein Mensch wie du und ich, den es einmal interessiert was unsere Oberen für Visionen und Ideen haben.

Der einmal fragen möchte, in welche Richtung die Reise der Stadt Singen geht.


1. Sonntagstalk – 19.3.2017
»Facebook & Co. - Fluch oder Segen«

Spannender Wochenblatt-Talk

mit Moderator Wolfgang Messner

Facebook & Co

Uwe Milbrath, Ronny Grob und Wolfgang Messner auf dem Podium bei der Matinee in der Färbe. swb-Bild: of

Facebook oder Fakebook?
»Auf ein Wort…«, der neue Sonntags-Talk mit Wolfgang Messner in der Färbe, widmet sich zum Auftakt dem brisanten Thema Facebook & Co. – Segen oder Fluch?
Facebook schafft Freunde und Freude. Facebook vernetzt die Welt und verknüpft weltweit Millionen Menschen untereinander. Facebook hilft Freiheitsbewegungen und Revolutionen zum Erfolg. Das 2004 von Mark Zuckerberg gegründete soziale Netzwerk ist mit über 1,4 Milliarden aktiven Nutzern im Monat eines der größten Portale im Netz.

Wegen seiner laxen Datenschutzbestimmungen, dem Verdacht des Ausspionierens von Kundendaten und gefälschter Neuigkeiten (Fake-News) sowie seinem unbeschwerten Umgang mit rechtsradikalen Parolen und Hasskommentaren steht die Internet-Plattform gegenwärtig im Zentrum der Kritik.

Facebook & Co. – Segen oder Fluch?
Darüber diskutiert Wolfgang Messner mit dem Medienjournalist Ronny Grob (Zürich) und Uwe Milbrath, dem Experten für Facebook und Cyberkriminalität der Kriminalpolizei Friedrichshafen.

»Jeder ist selbst verantwortlich, was er veröffentlicht.«

Singen. Seit bald 25 Jahren gibt es das Internet, das eine Revolution der Kommunikation werden sollte. Leider ging es von Anfang an nicht nur um ehrliche Häute, die hier ihre Daten zum Segen der Menschheit austauschten, das WWW wurde sofort auch von Ganoven und Gangstern missbraucht. Dem widmete sich die erste Matinee in der Singener Färbe unter dem Titel »Auf ein Wort«, mit dem Journalisten Wolfgang Messner unter dem Patronat des WOCHENBLATTs im Rahmen seines Jubiläumsjahrs zum 50-jährigen Bestehen. Rund 23 Prozent der Internet-User seien inzwischen bereits Opfer von Hacker-Angriffen geworden, führte Peter Peschka, ehemaliger Verlagsleiter des WOCHENBLATTs in die recht gut besuchte Matinee ein, die von einer Orchestergruppe des Hegau-Gymnasiums vielversprechend eröffnet wurde.

Auf dem Podium saßen neben Moderator Wolfgang Messner Uwe Milbrath von der Kripo Friedrichshafen, der sich hauptsächlich mit Cyber-Kriminalität befasst, und der Zürcher Medien-Journalist Ronny Grob.

Aus Sicht der Kripo ist Facebook sogar in gewissem Sinn ein Segen: »Wir profitieren auch davon. Bei diversen Ermittlungen ist für uns sehr hilfreich was dort zu gewissen Vorgängen gepostet wird.« Denn was dort geäußert wurde, seien öffentliche Aussagen und da brauche man nicht mal mehr richterliche Durchsuchungsbeschlüsse, um an Informationen zu kommen, machte Uwe Milbrath deutlich.

»Wenn etwas nichts kostet, dann bis du das Produkt«, unterstreicht Ronny Grob. Facebook mache aus seinen Nutzern letztlich ein Geschäft. Alle Daten versuche man zu Geld zu machen. »Alle anderen sozialen Medien machen das nicht anders«, wolle er nicht allein »Facebook« den schwarzen Peter zuspielen. Zuletzt wolle das soziale Netzwerk die Weltherrschaft dadurch, dass man alles über die Nutzer wisse. Immerhin: 1,9 Milliarden Menschen sollen inzwischen diesem größten »sozialen Netzwerk« bereits angehören.

Für Milbrath gefährden sich viele Menschen durch ihre Sorglosigkeit selbst: über die Profile. Denn wenn man sei eigenes Leben einschließlich der Urlaubsbilder öffentlich mache, dann wüssten Verbrecher zum Beispiel auch genau, was sie holen können.

Die Haftung für das, was über diese Netzwerke verbreitet wird, war ein weiterer Streitpunkt.

Wie ist das mit Äußerungen, die dann doch in den strafrechtlichen Bereich gehen? Milbrath zeigte hier die Porbleme auf, die auch die Polizei damit hat: »Wir haben eine spezielle Adresse für Baden-Württemberg bei der wir Anfragen abgeben. Die Beantwortung dauert meist zwei bis vier Wochen. Wenn es um Gefahr fürs Leben geht, dann ist Facebook allerdings sehr auskunftsfreudig und wir bekommen schon mal eine Antwort, auch innerhalb von 24 Stunden.«

»Wer heute bei Faceboob beleidigt wird, kann sich kaum Hoffnungen machen, dass da ermittelt werden kann, weil das viel zu aufwändig oder umständlich ist«, machte Milbrat deutlich.

Bei der Vorratsdatenspeicherung des Staates, die hierzulande immer wieder heftig kritisiert wird als »Ausspähung« sei übrigens im Verdachtsfall ein richterlichter Beschluss nötig um zunächst anonym gespeicherte Vebindungsdaten verifzieren zu können.

„Schauen Sie sich mal in ihrem Computerprogamm genau an, was Sie alles preisgeben, auch bei Facebook. Das sehe man bei der Installation, machten Milbrath wie Grob deutlich. Wie rechtlich genau mit den sozialen Netzwerken umgegangen werde, werde wohl noch Jahre benötigen, wurde festgestellt.

Viele Fragen aus dem Publikum machten deutlich, dass dies doch ein Thema ist, das einigen unter den Nägeln brennt. Auch Eltern seien hier stark gefordert. Sie müssten ihre Kinder auf die Gefahren aufmerksam machen, was sie veröffentlichten. Das sei besser als Beschränkungen, die ohnehin vielfach umgangen werden könnten.

Wolfgang Messner als Moderator verabschiedete sich freilich schon wieder aus dem gerade gestarteten Projekt und nannte erhebliche Differenzen mit den Veranstaltern als Grund, die es ihm als Journalisten es nicht mehr möglich machten, hier als Moderator zu fungieren.

Oliver Fiedler

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