Jahresabschluss-Interview mit Rainer Stolz
Nicht immer entscheidet der »Schwarm«

Stockachs BM Rainer Stolz  | Foto: Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz äußerte sich im WOCHENBLATT-Interview zu aktuellen Fragen.swb-Bild: sw
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Raum Stockach. Ein kommunalpolitisch interessantes Jahr geht zu Ende. Das WOCHENBLATT sprach im Jahresabschlussinterview mit Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz über wichtige Themen.

WOCHENBLATT: Streitthema Erhöhung der Kindergartengebühren durch den Wechsel vom Badischen zum Württembergischen Modell. Wann werden die Ergebnisse der durchgeführten Umfrage vorliegen?
Rainer Stolz: Die Ergebnisse werden wir in die Haushaltsberatungen im Januar einfließen lassen. Dort hat der Gemeinderat, nach Analyse der Auswirkungen der beschlossenen Beitragsanpassungen, noch einmal die Gelegenheit, sich mit seinem Beschluss vom Frühjahr zu befassen. Sollten finanzielle Mehrbelastungen auf die Stadt zukommen, gibt es drei Möglichkeiten- – eine andere Maßnahme muss hintangestellt werden, die Verschuldung wird erhöht oder es muss versucht werden, innerhalb des Modells einen Ausgleich zu finden.

WOCHENBLATT: Ein Thema, das bei der Einwohnerversammlung angesprochen wurde, ist die Verlängerung der Seehäsle-Strecke nach Hindelwangen oder Hoppetenzell. Wie realistisch ist das?
Rainer Stolz: Alle Beteiligten wissen, dass eine Verlängerung der Seehäsle-Strecke nur realistisch ist, wenn sich Bund und Landkreis finanziell stark engagieren und Stockach zuvor durch Umfahrunglösungen verkehrstechnisch deutlich entlastet ist.

WOCHENBLATT: Wie ist das weitere Vorgehen mit Blick auf die Ortsumfahrung in Espasingen und die Lage am Schiesser-Knoten?
Rainer Stolz: Zur Umfahrung Espasingen im Zuge der B 313 kann festgestellt werden, dass die notwendigen Unterlagen in diesem Jahr noch dem Regierungspräsidium Freiburg zugehen, damit das laufende Planfeststellungsverfahren wieder aufgegriffen werden kann. So war es auch zugesagt. Bezüglich der Umfahrung Stockachs im Zuge der B 14 wurde in der Einwohnerversammlung vom Regierungspräsidium ausgeführt, dass in diesem Jahr noch die ersten Planungsaufträge für die Vorplanung vergeben werden, sodass das Verfahren mit den Planungsstufen eins und zwei nunmehr begonnen werden kann. Auch das war vom Bund so zugesagt worden. Dazu ist inzwischen auch eine Presseerklärung ergangen.

WOCHENBLATT: Hat die Eröffnung des Hindelwanger Kreisels an Stelle der Ampelanlage die Verkehrssituation entlastet?
Rainer Stolz: Nach meinem Eindruck, den ich durch viele Rückmeldungen erhalten habe, hat sich diese Investition gelohnt, denn am Hindelwanger Kreisel ist eine deutliche verkehrliche Entlastung erkennbar. Ob das neue Feuerwehrhaus an diesem Kreisel gebaut werden kann, wird sich übrigens noch weisen. Wir müssen zunächst noch feststellen, ob die vorhandene Restfläche dafür ausreichend ist.

WOCHENBLATT:
Das Gewerbegebiet »Blumhof« soll erweitert werden?
Rainer Stolz: Der Gemeinsame Ausschuss der Verwaltungsgemeinschaft hat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, den Flächennutzungsplan für Gewerbe voranzutreiben und den für den Bereich Wohnen zurückzustellen. Denn mit Blick auf das Gewerbe haben wir, im Gegensatz zu Wohngebieten, keine nennenswerten Potentiale mehr. Im Frühjahr werden wir daher mit konkreten Flächen ins Verfahren gehen. Da aber sehr wenige Flächen für neue Gewerbeansiedlungen noch zur Verfügung stehen, müssen wir bestehende Flächen ausweiten. Der Gewerbestandort Stockach ist sehr begehrt – wir haben zahlreiche Anfragen vorliegen.

WOCHENBLATT:
Mangelware preiswerte Wohnungen. Im Juli hatten Sie eine Initiative mit beiden Kirchen angekündigt, um Menschen zu ​ermutigen, leer stehenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wie sind die Erfahrungen damit?
Rainer Stolz: Die Rückmeldungen sind sehr verhalten – bisher haben wir erst ein Gespräch geführt. Wir haben zwar keinen großen Run erwartet, aber dieser Rückfluss ist doch enttäuschend. Ich kann nur noch einmal jedem Eigentümer von Wohnraum versichern, dass die Stadt bei möglichen Umbauten oder anderen Nachfragen vertraulich beratend und unterstützend zur Seite steht.

WOCHENBLATT: Preisgünstiger Wohnraum soll ja in der Robert-Koch- und der Albert-Schweitzer-Straße entstehen. Werden diese Maßnahmen ausreichen, um den Bedarf zu befriedigen?
Rainer Stolz: Wir haben in der letzten Einwohnerversammlung ja darauf hingewiesen, dass die Stadt, neben den genannten Projekten, aktuell auch ein Wohnungsangebot für die betreffende Bevölkerungsgruppe in Espasingen fertiggestellt hat. Wir verstehen diese Aufgabe als Daueraufgabe. Sie wird uns auch in Zukunft noch beschäftigen. Weitere Objekte befinden sich in der Planungsphase. Wenn es um liegenschaftliche Veränderungen geht, dann braucht man vor allem Zeit. Im ehemaligen Hotel »Linde« wollen wir daneben Wohnungsangebote für Menschen schaffen, die von Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen sind. Doch auch für die Einwohner, welche keine öffentliche Förderung erhalten können, fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Das heißt, es muss auch für diesen Personenkreis genügend Wohnraum geschaffen werden. Daher setzten wir uns zum Beispiel im »Vorderen Kätzleberg« für eine verdichtete Bebauung mit Mehrfamilienhäusern ein.

WOCHENBLATT: Eine uralte Forderung von Handel, Handwerk und Gewerbe Stockach (HHG) ist die Anstellung eines städtischen Wirtschaftsförderers?
Rainer Stolz: Fakt ist, dass unsere städtischen Mitarbeiter mit den laufenden Projekten voll ausgelastet sind. Sollten neue Maßnahmen gestartet werden, müsste also neues Personal bereitgestellt werden, und da entstehen leicht Kosten in Höhe von 50.000 bis 70.000 Euro pro Person. Das Geld müsste an einer anderen Stelle eingespart werden. Auch ist mir der Begriff »Wirtschaftsförderer« zu ungenau, denn jeder versteht etwas anderes darunter. Daher müsste der Tätigkeitsbereich genau definiert werden. Es gibt nämlich auch in anderen öffentlichen Aufgabenbereichen wie zum Beispiel der Seniorenarbeit oder der Pflege einen Bedarf nach neuen Mitarbeitern. Daher liegt die Überlegung nahe, mehrere Bereiche miteinander zu verbinden. Das aber ist keine einfache Aufgabe und setzt Klarheit über den Umfang der betreffenden Teilaufgaben voraus.

WOCHENBLATT: Bianca Duventäster als hauptamtliche Kraft von HHG hat sich beruflich umorientiert. Würde sich die Stadt bei einer Neubesetzung der Stelle wieder finanziell beteiligen?
Rainer Stolz: Ich habe immer betont, dass sich die Stadt erneut mit der Hälfte des Personalaufwandes für eine solche Kraft beteiligen würde.

WOCHENBLATT: Beim Jugendforum im Bürgerhaus Adler Post konnten sich Jugendliche mit ihren Wünschen an die Stadt und die Stadtentwicklung einbringen. Wie wird mit diesen Wünschen der jungen Mitbürger nun weiter verfahren?
Rainer Stolz: Stadtjugendpfleger Frank Dei wird die Ergebnisse in einem Bericht zusammenfassen und dabei nicht nur einen Forderungskatalog formulieren, sondern auch darlegen, inwieweit Jugendliche bereit sind, sich selbst zu engagieren. Und mit diesem Ergebnis gehen wir dann in den Gemeinderat, der über das weitere Vorgehen zu entscheiden hat.

WOCHENBLATT: Wie steht die Stadt zur Installierung eines Jugendgemeinderats?
Rainer Stolz: Wenn das ein zentraler Wunsch der Jugendlichen sein sollte, dann haben sie die volle Unterstützung der Stadt. Doch bisher hat es sich gezeigt, dass sich junge Menschen meist lieber für ein einzelnes, zeitlich begrenztes Projekt engagierten, das ihnen am Herzen liegt. Aber warten wir einmal die weiteren Gespräche ab. Ich halte nichts davon, etwas einzuführen, nur weil andere Städte das auch machen. Nicht alles, was der »Schwarm« macht, ist auch richtig, und die Mittel sind gut angelegt. Wir wollen, angesichts der erkennbar sinkenden Bereitschaft für das Ehrenamt, vor allem konkrete Projekte mit den Jugendlichen angehen.

WOCHENBLATT: Der Verein, der die Nachfolge des Helfer-Kreises für Flüchtlinge angetreten hat, wünscht sich eine feste Geschäftsstelle mit festen Öffnungszeiten. Kann die Stadt behilflich sein?
Rainer Stolz: Wir sind gerne bereit, bei der Suche nach geeigneten Immobilien zu unterstützen. Dazu haben wir auch schon Angebote gemacht. Der Inhalt der konkreten Zusammenarbeit ist in weiteren Gesprächen noch genau festzulegen. Im übrigen leisten aber bei der Betreuung der Flüchtlinge die beiden Integrationsmanager des Landkreises, zusammen mit unserer Flüchtlingsbeauftragten Janell Lia-Breitmayer, sehr gute Arbeit.

WOCHENBLATT: Wann der Erweiterungsbau des Krankenhauses in Angriff genommen werden?
Rainer Stolz: Was den Erweiterungsbau für das Krankenhaus betrifft, haben wir eine mündliche Zuschusszusage vom Land erhalten. Doch der damit verbundene bautechnische Prüfungsbericht fehlt immer noch. Sobald er vorliegt, können wir die Planung nochmal überarbeiten und aktualisieren. Doch ich gehe davon aus, dass wir im Herbst 2019 starten können.

WOCHENBLATT: Über die räumliche Zukunft von Stadtmuseum und Stadtbücherei wurde in Verbindung mit der Bildung einer Art fastnächtlichter Ausstellung diskutiert. Gibt es neue Entwicklungen?
Rainer Stolz: Wir sind hierzu mit dem Narrengericht in Gesprächen. Mit seinem Archiv hätten wir neben den Zizenhausener Terrakotten, der Sammlung Heinrich Wagner und dem Hotz-Fotoarchiv eine weiteres Pfund, mit dem wir wuchern könnten. Doch für die bauliche Umsetzung gibt es verschiedene Varianten wie eine Auslagerung des Stadtmuseums aus dem »Alten Forstamt« oder eine Neuansiedlung der Stadtbücherei an einem anderen Ort. Das bedarf es aber noch vieler, weiterer Planungsüberlegungen.

WOCHENBLATT: Die räumliche Situation der Vereine im Osterholz ist suboptimal. Wird es 2019 erste Anstöße geben?
Rainer Stolz: Die ortsnahe Variante der Ortsumfahrung Stockach würde auch das Osterholz tangieren. Erst wenn die Frage der genauen Verlaufs geklärt ist, macht es Sinn, Überplanungen der dort verfügbaren Sport- und Erholungsflächen anzugehen.

WOCHENBLATT: Welche Baumaßnahmen sind an der Grundschule Stockach geplant?
Rainer Stolz: Zunächst beabsichtigen wir, im Herbst 2019 das Haus II zu sanieren – der Zuschuss vom Land liegt bereit, wir hoffen aber auf weitere Mittel aus dem Ausgleichsstock. Und 2020 wollen wir, den Zwischenbau abzureißen und einen Neubau erstellen. Beide Maßnahmen werden uns jeweils um die 2,5 Millionen Euro kosten. Sobald die Baumaßnahmen in der Tuttlinger Straße erledigt sind, soll die Grundschule Wahlwies baulich angepackt werden.

WOCHENBLATT: Welche Veränderungen ergeben sich in der Finanzpolitik der Stadt durch die Umstellung des Haushalts auf Doppik?
Rainer Stolz: Es sind vor allem drei Punkte, die für Neuerungen sorgen. Zunächst einmal gibt es technische Veränderungen bei der Zuordnung der Haushaltsstellen, dann sind keine Übertragungen von Haushaltsresten in das neue Haushaltsjahr mehr möglich. Alles, was nicht ausgegeben wird, muss also neu veranschlagt werden. Und drittens müssen Abschreibungen erwirtschaftet werden. Letzteres ist die gravierendste Veränderung der Umstellung. Wir werden nun mehr Mühe haben einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.

Leserfrage:
Seit Jahren werden linker Hand bei der Ortsausfahrt Stockach, Richtung Ludwigshafen, Aushub oder geschredderter Bauschutt abgeladen und deponiert. Der Wall hat inzwischen eine beträchtliche Höhe erreicht. Was plant die Stadt damit? Wie wird weiter verfahren?
Rainer Stolz: Der Bauaushub ist Basis für den Lärmschutzwall, der nötig ist, wenn man eine Bebauung dahinter plant. Und das ist nach wie vor beabsichtigt. Ein entsprechendes Bebauungsplanverfahren ist im Gange.

Autor:

Redaktion aus Singen

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