Viel Aplaus für "La Juive" an drei Stationen in der Konstanzer Altstadt
Konziloper als gefeierter "Walking Act"

La Juive | Foto: Doch für eine Irritationen sorgte der Zug des Konstanzer Kammerchors mit dem Publikum durch die Konstanzer Altstadt, bei dem Verwünschungen gegen Juden aus der Zeit der Inquisition ausgesprochen wurden. swb-Bild: of
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Konstanz. Ein Oper als Walking-Act können die Besucher von »La Juive« in Konstanz noch bis zum 7. Juli erleben. Die Konziloper aus dem Jahr 1835 von Jacques Fromental Halévy, die von Alexander Krampe entstaubt und in Konstanzer Wirklichkeiten transponiert wurde und in einer Inszenierung von Johannes Schmid und unter der sehr gekonnten musikalischen Leitung von Hermann Dukec nun seine Premiere feierte, bekam nach drei Spielorten und zwei "Wanderungen" dazwischen einen außerordentlich begeisterten Applaus, trotz des gar nicht einfachen und auch tragischen Themas verbotener Liebesbeziehungen zwischen Christen und Juden zur Zeit den Konzils, was sich in der Geschichte ja immer wieder wiederholte und wiederholt.

Die Oper, die eigentlich im letzten Jahr aufgeführt werden sollte, und sozusagen der Beitrag der Südwestdeutschen Philharmonie zum Konziljubiläum ist, schafft das Kunststück ganz ohne Opernbühne auszukommen. Höchst effektvoll ist dabei auch die Reduzierung des Orchesters auf das wirklich Wesentliche, so das jedes der Instrumente hier zu Geltung kommen darf. Und auch das Ensemble des Konstanzer Kammerchors wurde so knapp bemessen, das hier die Ohren jede der Stimmen finden kann.

Über die historische Vorlage reicht diese höchst spannende Konstanzer Inszenierung weit hinaus. Zu Beginn wie im Finale des Stücks wurden Motive des Klavierkonzert op. 25 von Viktor Ullmann angefügt, der 1944 in Ausschwitz von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Und auf den Wanderungen werden nicht gerade nette Lieder von Oswald von Wolkentstein aus der originalen Konzilszeit wie Texte der Judenverschmähung durch die katholischen Kirche in der Zeit der Inquisition eingeflochten. Letzteres sorgte freilich auch bei Passanten auf der Straße doch für deutliche Irritationen. Dafür waren dann Helfer im Einsatz, die über die Hintergründe dieses doch furchteinflößenden Auftritts informierten, um manchen Handyfilmer vielleicht davon abzuhalten, einen falschen Zungenschlag in soziale Netzwerke zu posten.

Mit Gustavo de Gennaro als Éléazar, der jüdische Goldschmied, seiner Tochter Rachel (Yana Kleyn), Reichsfürst Léopold (Francisco Brito), Prinzessin Eudoxie (Justayna Samborska), Kardinal Brogny als einzige historische belegte Person der Oper (Tadas Girininkas) und Stadtvogt Ruggiero (Vladislav Pavliuk) wurde hier zudem eine sehr gute Auswahl der Solistencharaktere getroffen, die nicht nur mit ihren Stimmen, dieses Nichtverstehen von Fremdem, hier mit Temperament wie Leidenschaft umsetzten - bis zum bitteren Ende.

Die Story der Oper selbst ist ein besonderes Drama: denn der jüdische Goldschmied Éléazar, der in Konstanz als Verbannter landete, und Kardinal Brogny, waren schon früher einmal einander begegnet: im Rom war der Bischof damals verantwortlich für die Ermordung der beiden Söhne Éléazars, was dieser ihm nie verzieh. Doch auch Brogny - damals noch kein Geistlicher - hatte damals seine Familie verloren. Éléazar freilich rettete die Tochter und zog sie als Rachel anstelle der Söhne auf, obwohl sie ja keine jüdische Abstammung hatte. Als sich die beiden wieder begegnen, beginnt gerade das Konstanzer Konzil. Als Rückkehrer aus den hussitischen Kriegen kommt auch Fürst Léopold nach Konstanz zurück der sich in Rachel verschaut hat. Freilich eine damals unmögliche Liebe, mit der man sich in Lebensgefahr brachte. Léopold spielt nun einen Juden, um das Herz Rachels zu gewinnen, obwohl er bereits mit Eudoxie, die Nichte von König Sigismund, verlobt ist. Es ist freilich eine Zeit in der zum Judenhass aufgerufen wird, denn auch sie werden wie die Reformatoren als Feinde der katholischen Kirche gesehen. Die Auftritte von Stadtvogt Ruggiero und dem Kammerchor als Gefolge erinnern in dieser Inszenierung doch sehr deutlich an die Deutsche Geschichte vor 80 Jahren. Rachel ahnt, dass etwas mit Léopold nicht stimmen kann, besonders bei den heimlich ausgeführten jüdischen Zeremonien. Seine Flucht mit Rachel misslingt aber, und am zweiten Spielort fliegt alles auf: Éléazar und Rachel droht der Scheiterhaufen, die Angebote doch zum Christentum zu konvertieren, um damit die gehasste Andersartigkeit formal zu egalisieren, lehnen beide ab und wählen den Märtyrertod (ein Wink auf Hus in diesem Fall). Rachel aber zeigt ihre Liebe zu Léopold noch darin, dass sie ihn gegenüber Eudoxie entlastet, was ihm den ebenfalls vorgezeichneten Weg zum Scheiterhaufen erspart, der ihm wegen einer Liebe zu einer Jüdin drohte, die ja in Wirklichkeit gar keine war. Éléazars Hass freilich bleibt - Brogny wird erst erfahren, als es zu spät ist, dass er hier seine eigene Tochter auf dem Scheiterhaufen brennen sieht.

Mehr: www.konstanzer-konzil.de

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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