Leserbrief zur Corona-Pandemie
Wofür die Krise gut sein könnte

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Hilzingen. Zu den positiven Aspekten der Corona-Krise erreichte die Redaktion folgender Leserbrief:

»Die Welt steht still? Für alle? Von wegen. Wohl noch nie in meinem Leben habe ich in so kurzer Zeit so viel Neues gelernt, so viel Altes umgeworfen und von Grund auf neu gedacht. Ich arbeite an einer Hochschule, und wie allerorten sind wir in dieses Semester gegangen mit der Vorgabe, Lehre auf Distanz zu machen.

Seit März habe ich mich in eine Unzahl neuer Programme, Plattformen und E-Learning-Methoden eingearbeitet. Die Umstellung auf digitale Lehre braucht unglaublich viel Zeit und Energie, sich der Herausforderung zu stellen macht jedoch großen Spaß und schafft ungeahnte Perspektiven. Die Selbstlernkurse, die ich jetzt erarbeite, werden in Zukunft meinen Studierenden zur Verfügung stehen, wenn sie mal nicht in die Vorlesung kommen können. Und ich brauche die Vorlesung nicht ausfallen zu lassen, wenn ich krank bin. Gar nicht zu reden davon, welche Möglichkeiten sich mit den neuen virtuellen Räumen für die Lehre auftun.

Interessiert doch niemanden, denken Sie jetzt. Weder die Leute auf der Straße noch die Unternehmen der Region, die ums Überleben kämpfen. Aber ich glaube, es ist höchste Zeit, mal darüber nachzudenken, was uns die Zeit des Lockdowns gebracht hat. Das sind nämlich eine Menge neue Erkenntnisse, die uns in der nächsten Zeit und weit darüber hinaus helfen könnten.

Zum Beispiel, dass Arbeiten im Homeoffice funktioniert, allen Unkenrufen der überkommenen Präsenzkultur zum Trotz. Sogar dann, wenn man »nebenbei« die Kinder bei den Hausaufgaben betreuen muss (was ich, wie die meisten Eltern, aktuell selbst tue und genau weiß, wie anstrengend das ist). Was spricht also dagegen, auch in Zukunft einen Teil der Arbeit aus dem Büro ins Homeoffice zu verlagern?

Es muss ja nicht gleich die komplette Arbeitszeit sein, sich persönlich zu sehen ist nach wie vor wichtig. Doch schon einen Teil der Arbeitszeit ins Homeoffice zu verlegen erspart allen Beteiligten eine Menge: Den Beschäftigten den Arbeitsweg, also Zeit und (Sprit-)Geld, dafür wird der Job familienverträglicher.

Der Gemeinde, ihren Einwohnern und der Umwelt einen Teil des Verkehrs auf überlasteten Straßen, CO2-Ausstoß, Feinstaub und Co. Den Arbeitgebern Büroarbeitsplätze, denn einen Schreibtisch können auch gut mehrere Personen benutzen, die an verschiedenen Tagen im Büro sind. Vielleicht können sich sogar Firmen ganze Büros tageweise teilen und damit Mietausgaben sparen. Neubauten und riesige Büros wären überflüssig. Auf diese Weise wäre Arbeit im Homeoffice eventuell sogar ein Mittel gegen den unsäglichen Flächenfraß für Gewerbegebiete, die jedes noch so kleine Örtchen meint, unbedingt haben zu müssen. Arbeitsplätze im Dorf gibt es dank Homeoffice längst, die Furcht, zum reinen »Schlafdorf« zu mutieren, ist unnötig.

Oder ein anderes Beispiel: Videokonferenzen. Ja, ich habe selbst schon mehr als einmal darüber geflucht, wenn ein Programm mal wieder hing, und oft reicht die Bandbreite nicht. Trotzdem, zumeist funktionieren sie – und plötzlich merkt man, dass es gar nicht nötig ist, für den Job ständig um die Welt zu jetten. Ein Meeting in New York? Äh, grade lieber nicht. Bei Videokonferenzen infiziert sich niemand mit Corona. Billiger ist es noch dazu, wenn die Reisekosten wegfallen, und Überraschung, sogar besser für die Umwelt. Wer hätte gedacht, dass Klimaschutz und Sparpolitik in Unternehmen sich tatsächlich vertragen könnten?

Das sind nur die Beispiele, die mir einfallen. Ich bin sicher, viele andere haben auch Ideen für die Welt nach Corona. Wenn wir nicht jetzt kreativ werden und unsere Welt aktiv mitgestalten, wann dann? Herausforderungen sind dafür da, um an ihnen zu wachsen.«

Dr. Angela Magin, Hilzingen

- Graziella Verchio

Autor:

Redaktion aus Singen

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