Die Vier-Tage-Woche in verschiedenen Branchen
Die Vier-Tage-Woche: Ein zeitgemäßes Arbeitszeitmodell?

Wie sinnvoll und machbar ist eine Vier-Tage-Woche in den unterschiedlichen Branchen? Vier Unternehmer geben Antworten. | Foto: swb-Collage: Amrit Raj, Wochenblatt
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  • Wie sinnvoll und machbar ist eine Vier-Tage-Woche in den unterschiedlichen Branchen? Vier Unternehmer geben Antworten.
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Landkreis Konstanz. Nur vier Tage arbeiten bei voller Bezahlung: Ausgelöst durch eine Initiative der IG Metall, die genau das fordert, ist die Vier-Tage-Woche aktuell wieder in aller Munde. Dabei klingt das Prinzip beinahe zu schön, um wahr zu sein. Nur vier statt fünf Tage arbeiten, weiterhin das volle Gehalt kassieren und dabei vielleicht sogar noch produktiver sein. Bereits zwischen 2015 und 2019 wurde dies in Island ausgiebig getestet und sorgte schon damals für einige Schlagzeilen.

Allerdings ist - wie so oft - nicht alles Gold was glänzt. Während eine verkürzte Arbeitszeit sich in manchen Branchen sehr gut umsetzen lässt und beispielsweise durch ein erholsames, dreitägiges Wochenende die Kreativität und damit die Produktivität gesteigert wird, gestaltet sich das in anderen Bereichen differenzierter. Hier würde eine kürzere Arbeitswoche letztlich dazu führen, dass sich die zu erledigende Arbeit schlicht verdichten würde. Es bliebe weniger Zeit für Pausen innerhalb des Tages, die beispielsweise auch für das Miteinander unter Kollegen wichtig sind. Außerdem ist manch industrieller Betrieb darauf angewiesen, dass seine Fertigung an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr läuft.

Ausgestaltung und Grenzen

Doch auch das System mit vier Tagen ist flexibel und nicht nur auf "weniger Arbeitszeit, gleiches Gehalt" beschränkt. Wenn ursprünglich an fünf Tagen jeweils acht, also insgesamt 40 Stunden gearbeitet wurde, ist die Verkürzung auf vier Tage mit acht Stunden unter Lohnverzicht ebenfalls eine Option. Zudem wäre da die Möglichkeit, statt mit fünfmal acht Stunden über viermal zehn Stunden an weniger Tagen auf dieselbe Arbeitszeit zu kommen.

Hier müssen die Betriebe aber auch die gesetzlichen Vorgaben beachten. Laut Paragraph 3 Arbeitszeitgesetz darf die werktägliche Arbeitszeit im Regelfall acht Stunden nicht überschreiten. Maximal zehn Stunden sind möglich, wenn in sechs Wochen die durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden pro Werktag nicht überschritten wird.
Die Vier-Tage-Woche ist also kein Wundermittel und sollte zumindest an die verschiedenen Unternehmen angepasst werden. Um das näher zu beleuchten, haben wir als WOCHENBLATT mit vier regionalen Vertretern aus Handwerk, Pflege, Industrie und Gastronomie über die Potenziale und Grenzen der Vier-Tage-Woche gesprochen.

Der Freitag lohnt oft nicht mehr

Martin Schäuble, Geschäftsführer von Schäuble Sanitärtechnik und Obermeister der Sanitär-Heizung-Klima-Innung (SHK): "Über die Auswirkungen auf die Gesellschaft werden wir noch einige Diskussionen führen müssen." | Foto: SHK-Innung/HWK
  • Martin Schäuble, Geschäftsführer von Schäuble Sanitärtechnik und Obermeister der Sanitär-Heizung-Klima-Innung (SHK): "Über die Auswirkungen auf die Gesellschaft werden wir noch einige Diskussionen führen müssen."
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Der Ruf nach der Vier-Tage-Woche kommt ja aus vielen Ecken. Auch das Handwerk steht vor dieser Frage immer deutlicher, schon in der Frage der Ausbildung, wo die "Work-Live-Balance" ein Thema ist, also die Frage nach viel Freizeit. Und es gibt sie auch schon immer öfter. "Die Vier-Tage-Woche ist bei uns schon in einigen Bereichen länger Realität", sagt Martin Schäuble für sein Handwerksunternehmen im Bereich Sanitär-Heizung-Klima (SHK) mit rund 40 Mitarbeitenden in Radolfzell, der auch Obermeister der Innung ist. Denn auch im Handwerk ist immer öfter am Freitagmittag bereits Wochenende angesagt. "Wenn wir da auf Baustellen arbeiten, die außerhalb sind, zum Beispiel in Konstanz, dann lohnt es sich gar nicht für so kurze Zeit anzufahren und wieder zurück", sagt er im Gespräch mit dem WOCHENBLATT. Freilich setzt das auch voraus, dann halt am Donnerstag so weit zu sein, wie sonst eben Freitagmittag.

Die Regelung würde von den Kunden auch weitgehend akzeptiert, so Schäuble. Man kommuniziere, dass der Auftrag deshalb nicht länger benötige, zudem winken weniger Anfahrtskosten. Natürlich ist das dort auch nur eine Seite der Regelung: Als Fachbetriebe in einer systemrelevanten Branche ist der Notdienst, auch am Wochenende, die andere Seite. Sollte die Vier-Tage-Woche für alle kommen, muss nochmal ganz anders mit Personal kalkuliert werden. Das wird für kleinere Unternehmen dann doch schwieriger, wo die Inhaber oft die Puffer werden.
"Wir stellen natürlich unsere ganze Arbeitswelt und die Gesellschaft vor Herausforderungen", sagte Schäuble weiter. Mehr Freizeit bedeutet mehr Wirtschaft in diesem Bereich, nicht nur im sprichwörtlichen Sinn, sondern mit mehr Nachfrage nach Freizeitangeboten. Und dafür brauche man natürlich Arbeitskräfte, die derzeit oft deswegen fehlten, weil dann zu arbeiten, wenn andere freihaben, oft nicht positiv besetzt sei. "Da werden wir noch einige Diskussionen führen müssen", ist er sich sicher.

Falsche Rahmenbedingungen

Maik Zlatanovic, Heimleiter der Pflegedomizile Hegau: "Die Diskussion um die Vier-Tage-Woche kommt 30 Jahre zu spät." | Foto: privat
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Ein Bereich, in dem der Fachkräftemangel mindestens ebenso heftig wie bekannt ist, ist die Pflege. "Schon heute ist die Personalsituation im Gesundheitswesen am Anschlag, weil zu wenig Pflegekräfte", bekräftigt dies Maik Zlatanovic, Einrichtungsleiter der Pflegedomizile Hegau in Engen. "Also, woher sollen die zusätzlich benötigten Pflegekräfte kommen?"

Außerdem sei die finanzielle Belastung für einzelne Bewohner und die Kommunen bereits jetzt enorm, wie er in seiner Antwort auf die Anfrage des WOCHENBLATTs weiter ausführt: "Schraube ich den Personalbedarf mit einer Vier-Tage-Woche bei geringerer Wochenarbeitszeit dann noch nach oben, führt dies zu einer weiteren Verteuerung, da mehr Köpfe und Hände gebraucht werden."

Seiner Ansicht nach komme die Vier-Tage-Woche 30 Jahre zu spät, der richtige Moment wäre ihm zufolge 1994 bei Einführung der Pflegeversicherung gewesen. "Bei einer weitsichtigen Ausfinanzierung des Pflegerisikos, bei gleichzeitiger Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege", so Zlatanovic, hätte man es so erreichen können "den Pflegeberufen den politischen, wie auch den gesellschaftlichen Stellenwert zu geben, den sie verdienen." Die Vier-Tage-Woche als solche empfindet er dabei als absolut begrüßenswert und dürfe als künftiges Instrument nicht aus den Augen gelassen werden. "Aber eben nicht jetzt. Die jetzigen Umfeldbedingungen geben es nicht her."

Flexibel angepasst

Thomas Klofac, Geschäftsführer Aptar Radolfzell GmbH: "Wenn jeder Geld verdienen, aber gleichzeitig weniger arbeiten will – wie soll das funktionieren?" | Foto: Aptar
  • Thomas Klofac, Geschäftsführer Aptar Radolfzell GmbH: "Wenn jeder Geld verdienen, aber gleichzeitig weniger arbeiten will – wie soll das funktionieren?"
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Die Aptar Radolfzell GmbH ist offen für neue, flexible Arbeitszeiten. Aber, so Geschäftsführer Thomas Klofac, "grundsätzlich stehen wir der 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich kritisch gegenüber". Dieses Arbeitsmodell sei für das Unternehmen mit seinen rund tausend Beschäftigten in Radolfzell und Eigeltingen, das Sprüh- und Dosiersysteme für die pharmazeutische Industrie entwickelt und herstellt, nicht der richtige Weg. "Die 4-Tage-Woche eignet sich bei uns am ehesten noch im administrativen Bereich", erläutert Thomas Klofac.

Die Umsetzung in der Produktion sei angesichts des hohen Auftragsvolumens und der notwendigen Auslastung allerdings schwierig. Dennoch zeigt sich das Unternehmen kreativ in der Gestaltung der Arbeitszeiten und bietet seit kurzem ihren MitarbeiterInnen die 7-Tage-Woche in drei Schichten an. So können zum Beispiel Produktionsbeschäftigte am Wochenende von Freitag bis Sonntag drei Tage für vollen Lohnausgleich arbeiten und haben dann vier Tage frei.

"Das passt zwar weniger für Mitarbeitende mit Familie, aber andere sind von diesem Modell begeistert und nutzen es gerne", weiß Thomas Klofac. Er ist überzeugt, dass sich in den nächsten Jahren der Arbeitskräftemangel in vielen Bereichen noch verschärfen wird, da die Baby-Boomer in Rente gehen werden. Für den Geschäftsführer stellt sich dann die Frage: "Wenn jeder Geld verdienen, aber gleichzeitig weniger arbeiten will – wie soll das funktionieren?"

Teilweise schon umgesetzt

Heinz-Oskar Stärk, Vorstandsvorsitzender der DEHOGA Kreis Konstanz und Geschäftsführer des Hotel Lamm Singen: "Wir können in unserer Branche jedes Modell ausprobieren." | Foto: Tobias Lange
  • Heinz-Oskar Stärk, Vorstandsvorsitzender der DEHOGA Kreis Konstanz und Geschäftsführer des Hotel Lamm Singen: "Wir können in unserer Branche jedes Modell ausprobieren."
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Die 4-Tage-Woche ist im Gastronomie- und Gaststättengewerbe ein Thema und teilweise auch schon umgesetzt, weiß Heinz-Oskar Stärk. Er ist Vorstandsvorsitzender der Kreisstelle Konstanz des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) und Geschäftsführer des Hotels Lamm in Singen. Dabei gehe es darum, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. "Wir müssen uns um unsere Mitarbeiter kümmern", sagt der Hotelier. "Der Mitarbeiter von heute ist wie ein Gast."

Dass etliche Betriebe in jüngster Zeit ihre Öffnungszeiten reduziert haben – etwa durch die Einführung eines zusätzlichen Ruhetages – sei neben dem Personalmangel auch auf das Bemühen der Unternehmen zurückzuführen, ihren Mitarbeitern attraktive, wettbewerbsfähige Arbeitszeiten mit mehr planbarer Freizeit zu bieten. "Es ist nicht so, dass es den Betrieben wirtschaftlich besonders gut geht. Vielmehr zwingen der anhaltende Kostendruck und die schwierige Arbeitsmarkt-Situation dazu, die Öffnungszeiten stärker auf umsatzstarke Zeiten zu konzentrieren", erklärt Stärk.

Er sieht bei den Arbeitszeiten für das Gastgewerbe viel Bedarf für Flexibilität. "Wir können in unserer Branche jedes Modell ausprobieren", meint Heinz Stärk und spricht dabei aus Erfahrung. "Wir haben für jeden Mitarbeiter ein anderes Arbeitszeitmodell." Während die einen die Arbeit unter der Woche bevorzugen, arbeiten andere vielleicht lieber an Wochenenden. "Da müssen Betriebe flexibel werden."

Es ist aber auch stark vom Einzelfall abhängig, wie weit eine 4-Tage-Woche in der Branche umsetzbar ist. "Je kleiner der Betrieb, desto schwerer wird es." Zudem ist er der Meinung, dass sich die Arbeitszeiten dann nicht unbedingt verringern, sondern verlagern würden. "Ich vermute, dass es in Richtung vier Tage mit mehr Stunden geht", so Stärk. Unter Anbetracht des Arbeitszeitgesetzes hat aber auch das seine Grenzen. So wäre es rechtlich nicht ohne weiteres möglich, selbst wenn ein Mitarbeiter zwölf Stunden am Stück durcharbeiten wollte.

Autor:

Redaktion aus Singen

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