Nachdenkliches und ein großer Wechsel bei der IHK
Hilft Kreative Unzufriedenheit noch gegen Beton am Bein?

Beim Trationellen Gruppenbild zum Stadt in den Emfang. MdB Dr. Lina Seitzl, Prof. Claudius Marx, MdL Nese Erikli, Festredner und Wettermann Sven Plöger, die neue Geschäftsführerin Katrin Klodt-Bußmann, Kammerpräsident Thomas Conrady, MdB Andreas Jung, MdL Hans-Peter Storz. | Foto: Fiedler
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  • Beim Trationellen Gruppenbild zum Stadt in den Emfang. MdB Dr. Lina Seitzl, Prof. Claudius Marx, MdL Nese Erikli, Festredner und Wettermann Sven Plöger, die neue Geschäftsführerin Katrin Klodt-Bußmann, Kammerpräsident Thomas Conrady, MdB Andreas Jung, MdL Hans-Peter Storz.
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Konstanz. Viele nachdenkliche Töne gab es beim diesjährigen Neujahrsempfang der IHK, den sie - im Beisein der Vertreter der Handwerkskammer - vor Kurzem erstmals seit vielen Jahren alleine durchführte, aber nur, weil man im Handwerk eine Atempause brauche, wie IHK Präsident Thomas Conrady betonte.

Neben einem alarmierenden Wetterbericht von TV-Wettermann Sven Plöger zum Stand des Klimawandels, war der Abend auch ganz besonders vom Stabwechsel in der Geschäftsführung der Kammer geprägt. Prof. Claudius Marx, der ganze 17 Jahre hier an der Spitze der IHK Hochrhein-Bodensee stand, die übrigens in 2028 ihren 200. Geburtstag feiern kann, übergab mit einer ungewöhnlich emotionalen Rede über die Notwendigkeit zu "kreativer Unzufriedenheit" den Stab an seine Nachfolgerin Katrin Klodt-Bußmann, die schon alleine als Frau hier eine Zeitwende in der Lobbyarbeit für die regionale Wirtschaft darstellt.

Demokratisches Fundament

Der Termin des Neujahrsempfangs war lange gesetzt, die Kundgebung eines Initiativbündnisses gegen Planungen zur "Remigration" in Deutschland am selben Abend auf dem Münsterplatz kam extrem kurzfristig. Die Abgeordneten mussten deshalb beide Termine belegen und verschwanden zwischendrin. Thomas Conrady sagte dazu, nachdem eine Diskussion darüber in Gang gesetzt worden war, dass die, die nun hier im Bodenseeforum wohl in der Mehrzahl deshalb hier seien, weil sie nicht bei der Kundgebung sind. Man unterstütze die Anliegen der Organisatoren ausdrücklich und sei in Gedanken dabei. "Das öffentliche Eintreten für die freiheitliche und demokratische Grundordnung ist wichtig. Gesicht und Haltung zeigen kann man immer", so Conrady. "Seit Jahrzehnten arbeiten bei uns Menschen daran, dass es das Modell der Demokratie, der sozialen Marktwirtschaft, mit Frieden wie Freiheit und Wohlstand gibt. Und wir dürfen einfach nicht erlauben, dass nun daran gerüttelt wird", machte Conrady seine Haltung deutlich.

Handlungsdefizite

Und eigentlich sollte es ja um Ausblicke für die Wirtschaft gehen in diesem Empfang. Conrady nahm sich die zu der Zeit noch laufende Handball-EM als Beispiel, welche das junge deutsche Team fast mit einem Podestplatz abschloss. Da habe man Zielstrebigkeit und Teamgeist in Richtung Tor verspürt, anders als bei Politik und Wirtschaft hierzulande derzeit.
Trotz der herausfordernden Situation nach der Pandemie, mit zwei Kriegen in der Nähe, in der Ukraine und im Gaza-Streifen, mit beschleunigendem Klimawandel, Inflation, Rezession, Energieknappheit, fehle ihm die Entschlossenheit, aus dem vorhandenen Wissen zur Bewältigung dieser Krisen an die Umsetzung zu gehen. "Wir sind bei der Analyse der Schwächen unserer Wirtschaft im globalen Umfeld, bei der Analyse der Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft wie der Analyse der Verwundbarkeit unserer demokratischen Strukturen wahrlich schlauer geworden", so Conrady. An Wissen fehle es nicht, aber an der Umsetzung der Erkenntnisse und erste Schritte befand er als zu zaghaft. Oder wie Sven Plöger es zum Thema Klima sagte: "Wir haben ein Handlungsproblem!" Warum komme man scheinbar nicht vom Fleck, fragte Conrady die rund 700 Gäste des Empfangs.
Um zum Handball zurückzukommen, habe man hier in der Wirtschaft das Gefühl, dass hier manchmal sogar während eines Spiels die Regeln verändert würden. "Wissen wir manchmal überhaupt wo das Tor steht?, ging die Frage weiter. "Zu viel ich, zu wenig wir", machte Conrady weiter. Und: "Wer da nach vorne stürmen wollte, werde oft von einem immensen Ballast festgehalten, fast schon wie Beton an den Füßen", kam Conrady auf die Bürokratie zu sprechen. 1999 habe die Britische Zeitung "The Economist" den Begriff des "Kranken Mann Europa" geprägt. Damals habe man sich besonnen und das Ruder herumgerissen. Man könne es, wenn man es wolle. Die Zeit dränge schon länger, nun brauche es wieder den Mut, etwas in die Tat umzusetzen, appellierte Conrady.

Start in einer neue Zeit

Schließlich galt es nach dem Festvortrag noch für die Kammer in eine neue Zeit zu starten. 17 Jahre war Prof. Claudius Marx Geschäftsführer und er selbst relativierte das, denn in 2028 könnte die Wirtschaftskammer ihren 200. Geburtstag feiern, sein Anteil daran sei nicht mal bei zehn Prozent der Zeit. Dass es viel mehr als die Zeit war, machte sein persönlicher Rückblick deutlich, in dem er auf die stete Notwendigkeit einer "Kreativen Unzufriedenheit" verwies, die den Unternehmer wie auch die Kammer ausmache. Denn man wolle verändern, man wolle für bessere Rahmenbedingungen sorgen. Und dieser Wille habe immer Fortschritt bedeutet. Seine Nachfolgerin Katrin Klodt-Bußmann strahlte an diesem Abend schon die Energie aus, die verändern will. Nicht nur, weil sie die erste Frau in dieser Position in diesen fast 200 Jahren ist, sondern weil Anpacken und Anpassen ein Job ist, denn sie zuletzt auch an der HTWG konsequent praktiziert.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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