Narren ziehen Bilanz über eine ganz neu gefühlte fünfte Jahreszeit
Keine Fastnacht – aber doch viel Narretei

Poppele Beerdigung | Foto: Wenn dem Poppele-Zunftmeister Stephan Glunk die rote Mütze vom Kopf gezogen wurde, nimmt sie der Burggeist Popolius mit in seine Gruft um sie erst wieder bei seiner Auferstehung an Martini wieder herzugeben. swb-Bild: of
  • Poppele Beerdigung
  • Foto: Wenn dem Poppele-Zunftmeister Stephan Glunk die rote Mütze vom Kopf gezogen wurde, nimmt sie der Burggeist Popolius mit in seine Gruft um sie erst wieder bei seiner Auferstehung an Martini wieder herzugeben. swb-Bild: of
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Kreis Konstanz. Am Schluss flossen eben doch wieder Tränen, als sie am Dienstag zu Ende ging, diese Corona-Fastnacht, die doch ganz anders sein musste, aber gerade deshalb viele Ideen produziert hat. So auch das Fazit am Singener Narrenbrunnen, wo Zunftmeister Stephan Glunk zusammen mit dem Zunftkanzler und seinem Säckelmeister den Poppele in seine Gruft schickte, auf dass er in eine Welt an Martini zurückkehrt, die das Feiern zusammen wieder zulässt. Denn die »mit Abstand s Bescht«-Fasnet ist in Singen ohne Narrenbaum- und Narrenbaumloch verabschiedet wirden, so ganz ohne Publikum wie sie schon an Martini eröffnet werden musste.
Die Poppelezunft hatte dieses Jahr freilich doppelt zu leiden, da die Singener Fasnet im November auch noch die Scheffelhalle verloren hatte, was in der Narrenzeitung, die im letzen Wochenblatt erschienen war, neben »Abstand« der zweite rote Faden war.

Und doch auch der Blick nach Vorn: die höchst beliebte Kinderfasnet gab's in einer virtuellen Scheffelhalle. Und fast noch besser als das Präsenzmodell kam die digitale Schnurrernacht an, die im Videoformat 20 Gruppen als Teilnehmer hatte am Freitagabend, freuten sich die Organisatoren Ulrike Wiese (Neuböhringen) und Rainer Maier (Poppelezunft). 1.500 Besucher, die 1.200 Stimmen abgaben und dadurch die Breamezunft mit ihren »Wilden Schlattern« zu den Siegern kürten, vor den »Wilden Weibern«, den Weißbierhexen und der Hilzinger Gülläpumpäbänd, brachten das Erfolgsgefühl.

»Riesen Disco« im Netz

Aufgegangen ist die Rechnung der drei Zunftmeister von NARIWO, Holger Reutemann, Thomas Bertsche und Harald Liehner, die zusammen mit den Heilsberghexen am Samstag auf eigene Kosten eine Disco für daheim boten, bei der am Schluss 2.000 Besucher gezählt wurden. Die Dankspalte quoll bald über, auch wenn die Zuschauer ihre Mittänzer nur virtuell umarmen können.

Zeichen gesetzt

Die »Narrembömmle« setzten zum Glück in vielen Hegaugemeinden ein sympathisches Zeichen. Ein Zeichen setzen konnte aber auch die Gottmadinger Gerstensack-Zunft bei ihrer Wahl des schönsten »Narrebömmle«: Die Tagespflege der Sozialstation St. Martin (Cura Caritas) hatte ein Gemeinschaftsprojekt mit den Seniorinnen und Senioren umgesetzt.

Der »Längste«

Und ganz ohne die närrischen Überraschungen durfte auch diese Fastnacht nicht bleiben, dafür sind die Stockacher bekannt. Die Zimmerer des Narrengerichts ließen es sich nicht nehmen, »den Längsten« zu setzen in der Nacht auf Donnerstag. 27 Meter lang ist der dortige »Stammbaum aller Narren«, der zudem eine richtige Astkrone angesetzt bekam, eben ein »Coro-Narrenbaum«. Und auch die Verbrennung des »Hänsele« am Montagabend geschah geheim, wurde erst über getauschte Bilder in den Netzwerken öffentlich.

Die Narren brauchten auch dort »echte Fastnach« auch wenn das Narrengericht über über 20 Folgen ihres Kuony-TV über ihre Homepage das wohl opulenteste Videoprogramm führte um seine Traditionen zu transportieren. Der Verein hat bereits am Aschermittag seine Hauptversammlung, obwohl die Saison dort erst an »Lätare« (14. März) mit dem Fällen des Narrenbaums richtig abgeschlossen wird.

Komische Fastnacht

»Es war eine sehr komische Fastnacht«, bilanziert Martin Schäuble, der Präsident der Narrizella Ratoldi im Gespräch mit dem Wochenblatt. Die besondere Schwierigkeit sei gewesen den Spagat zu schaffen zwischen Online-Formaten und Corona-konformen Aktionen wie der Herausgabe der Narrenzeitung »Kappedeschle«, dem Fastnachts-Hauspaket oder einer Plakataktion, bei der die schönsten »Mäschkerle-Bilder« gesammelt wurden.

All das war allerdings ein großer Erfolg und wurde sehr gut angenommen, berichtet Schäuble. Besonders gefreut hat er sich darüber, in diesen Zeiten zu erleben, wie Tief die Fastnacht doch in der Bevölkerung verwurzelt ist und wie sehr sie vermisst wird, bei aller Kritik, die die Narren in manch anderem Jahr mitunter zu hören bekommen.

Ein Dämpfer war indes die kurzfristige Absage jeglicher närrischer Aktionen durch die Polizei und das Radolfzeller Ordnungsamt. »Die Art und Weise hat uns sehr verwundert. In allen anderen Jahren haben wir uns vor der Fastnacht mit der Stadtverwaltung zusammengesetzt und alles genau besprochen. Hier hätten wir uns gewünscht, dass die Verwaltung früher auf uns zugekommen wäre. Ich fand sehr schade, dass nicht so viel wie unter den gegebenen Bedingungen möglich gewesen wäre, erlaubt wurde, sondern so wenig wie möglich. Besonders vor dem Hintergrund der Heimattage wäre es schön gewesen, wenn wir mehr hätten machen dürfen«, so Schäuble.
Trotz allem habe man also das Beste aus der Fasnet gemacht und hoffe nun darauf, dass nächstes Jahr wieder mehr möglich ist. Denn für den Narrizella-Präsidenten haben die letzten Wochen besonders deutlich gemacht: der persönliche Kontakt gehört zur Fastnacht einfach dazu und ist auch nicht durch noch so gute Digital-Formate zu ersetzen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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