Zahlen steigen nach zwei Ausnahmejahren wieder
Noch holt die Kriminalität aus dem Corona-Knick auf

Der

Kreis Konstanz. Die Wahrnehmung ist eine Seite, die Zahlen zum Thema in der Bilanz des Polizeipräsidiums Konstanz sind die andere Seite: Die letzten beiden Jahre, besonders das Jahr 2021, waren noch deutlich durch die Einschränkungen wegen Corona geprägt. „Es war uns natürlich bewusst, dass das nach den Lockerungen nicht so bleiben wird“, so Hubert Wörner, der Leiter des Polizeipräsidiums Konstanz, am Freitag in der Medienkonferenz bei der Vorstellung der Zahlen für das vergangene Jahr.

Deshalb ist die Zahl der Straftaten im Bereich des Polizeipräsidiums, das vier Landkreise zwischen Konstanz und Rottweil umfasst, auch gestiegen, um 11,8 Prozent von 28.938 auf dann 32.347 im letzten Jahr, inklusive der hier auch mitgezählten ausländerrechtlichen Vergehen, die gerade im Landkreis Konstanz durch die Grenznähe und die Flüchtlingssituation etwas nach oben getrieben werden. Trotzdem liege man damit unter dem Mittelwert der letzten zehn wie auch der letzten fünf Jahre, wurde unterstrichen, weil die beiden Vorjahre eben wenig Vergleichsmöglichkeiten bieten.

Die größte Steigerung bei den Fallzahlen war dabei in Singen verzeichnet worden, wo die Zahl um rund 30 Prozent anstieg auf 4.035 angezeigte Fälle. Wie regional die Unterschiede sein können, zeigt der Vergleich mit Radolfzell, wo die Zahl der Straftaten nur um drei Prozent angestiegen war im letzten Jahr auf 1.350 Fälle, was auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl schon viel niedriger ist – obwohl sich in Radolfzell, als ein Detail der Bilanz, die Zahl der Fahrraddiebstähle knapp verdoppelt hat auf 207 Fälle, was auf die vielen Touristen zurückgeführt wird, die oft mit dem Rad unterwegs sind. Das deutlich größere Singen kommt da „nur“ auf 138 angezeigte Fälle.

Keine vollendete Tötung

Was die „Straftaten gegen das Leben“ betrifft, so war deren Zahl im letzten Jahr gar von 32 auf zwölf Fälle gesunken, nur in einem Fall im Landkreis Rottweil auch mit Todesfolge. Das wird in der Bilanz für dieses Jahr schon anders aussehen, angesichts der Fälle aus den ersten Wochen des neuen Jahres, gerade hier in der Region.

Gewalt wird „öffentlicher“

Die Gewalt und Aggression im öffentlichen Raum ist das, was von den meisten Menschen als Kriminalität wahrgenommen wird. Gerade die Clankriege in Singen wie auch viele Taten in psychischen Ausnahmezuständen hätten zu entschlossenem Handeln aufgefordert, was an der starken Polizeipräsenz eben gerade in Singen zu spüren war. Die Zahl ist im Bereich des ganzen Polizeipräsidiums um ganze 25 Prozent nach oben gegangen, im Landkreis von 571 in 2021 auf nun 643 im letzten Jahr. Und: Berlin ist eben auch hier: Die Täter, die hier Körperverletzungen und Raubdelikte begehen, werden immer jünger. Von den für 2022 erfassten Tatverdächtigen waren 226 Jugendliche und 169 Heranwachsende. Auch die Zahlen der Straßenkriminalität, also alles was „draußen“ begangen wird, von der Vergewaltigung bis zu Diebstahl oder Sachbeschädigung, gingen im Landkreis kräftig um 22,6 Prozent nach oben. 2.923 Fälle im Landkreis waren das, was deutlich über dem natürlich durch Corona beeinflussten Mittelwert der letzten fünf Jahre liegt! Auch hier steige die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen, so Hubert Wörner in der Medienkonferenz.

Bodycams auf Ansage

Und dazu passt genau auch die Gewalt gegen Polizeikräfte: Die Fälle gingen zwar im Vergleich zum Vorjahr um fünf auf nun 154 Vorfälle zurück, aber sind bedenklich. 65 Prozent der Verdächtigen seien da alkoholisiert gewesen – ein Anstieg um sechs Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Übergriffe ist auch deutlich gestiegen, wenn auch noch auf geringem Niveau: im Landkreis von acht auf zwölf angezeigte Vorfälle, zehn Personen wurden dabei im Bereich des Polizeipräsidiums verletzt. Auch hier: 68 Prozent der Tatverdächtigen waren alkoholisiert.
Die Polizei ist ja zwischenzeitlich flächendeckend mit Bodycams ausgerüstet, gerade auch, weil von vielen anderen Einsätze vielfach mit Handys gefilmt und munter die Filmchen verteilt werden. Die Kameras dürfe man nur nach Ansage anschalten, sagte Wörner auf Nachfrage. Das solle auch als Signal bei Auseinandersetzungen verstanden werden.
Aber auch „drinnen“ ging es im letzten Jahr wieder heftiger zu. 289 Fälle häuslicher Gewalt seien angezeigt worden, 37 mehr als im Jahr zuvor und 34 mehr als im Mittelwert der letzten fünf Jahre. Das Plus sind 32,6 Prozent. Einordnen werden sich diese Zahlen wohl erst nächstes Jahr besser. Bei den Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung wurde dagegen ein Rückgang von 363 auf 291 Fälle registriert. Die meisten Fälle sind hier übrigens das Verbreiten pornografischer Schriften oder Kinderpornografie, wo die Zahl ermittelter Fälle von 336 in 2021 auf 226 im Bereich des Präsidiums sank.

Dramatisch viele Schockanrufe

Die veränderten Rahmenbedingungen für Kriminalität werden durch die besorgniserregenden Zahlen von Schockanrufen oder „falschen Polizisten“ und mehr deutlich. Die Zahl von angezeigten Fällen wuchs im letzten Jahr um sage und schreibe 82,2 Prozent auf 883 Fälle, das sind mehrere pro Tag und die Dunkelziffer wird als riesig befürchtet. 1.420 Fälle wurden registriert, oft waren die Angerufenen, die auch immer jünger werden, aber auch clever genug und beendeten das Gespräch vor dem Schaden. Immerhin sei es aber doch gelungen, zwölf Tatverdächtige zu ermitteln. Durch die technischen Möglichkeiten der organisierten Tätergruppen sei es praktisch nicht möglich, die Nummer zurückzuverfolgen. Bei den WhatsApp-Betrügereien wurden 557 Fälle registriert, 80 Prozent der Fälle blieben zum Glück beim Versuch. Den Gesamtschaden in diesem Bereich schätzt die Polizei auf rund 2,5 Millionen Euro, im Vorjahr waren das noch 880.000 Euro gewesen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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