Die Konstanzer Soziologin Prof. Dr. Claudia Diehl auf die Frage: »Was steckt hinter der Maske?«
Schutz oder Maulkorb?

Schutzmaske, Corona, Umfrage, Uni KN | Foto: Die Konstanzer Soziologin Prof. Dr. Claudia Diehl auf die Frage: »Was steckt hinter der Maske?« 
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Landkreis Konstanz. Nach Monaten der Einschränkungen droht die Corona-Krise die Gesellschaft zu spalten. Auf der einen Seite stehen die Befürworter der Schutzmaßnahmen und auf der anderen Seite die Verweigerer und Querdenker, die ihre Grundrechte durch die Vorgaben bedroht sehen und Schlimmeres befürchten. Die Maske dient dabei sowohl als Symbol des Schutzes wie als Maulkorb der freien Meinungsäußerung.
Das WOCHENBLATT fragte hierzu die Konstanzer Soziologin Prof. Dr. Claudia Diehl (Fachbereich Geschichte, Soziologie, Sportwissenschaft und empirische Bildungsforschung und Co-Sprecherin Exzellenzcluster »The Politics of Inequality«, Universität Konstanz), die gemeinsam mit ihrem Fachkollegen Dr. Felix Wolter eine Studie veröffentlichte zum Thema »Corona-Regeln: Wer will sie aufheben und warum?«.

Die Umfrage mit insgesamt 4.800 Teilnehmenden, die vom Exzellenzcluster «The Politics of Inequality« der Universität Konstanz durchgeführt wurde, zeigte auch, »wer durch die Corona-Maßnahmen Folgen für die gesamte Gesellschaft befürchtet und Grundrechte bedroht sieht, neigt dazu, sofortige Lockerungen zu fordern«.

WOCHENBLATT: Prof. Dr. Claudia Diehl, was steckt wirklich hinter der Maske?

Prof. Dr. Claudia Diehl: »Die meisten Menschen sehen in dem Mund-Nasenschutz was er ist: einen einfachen und effektiven Schutz vor einem ansteckenden Virus. Für manche Bürgerinnen und Bürger ist er allerdings zu einem sichtbaren Symbol für staatliche Empfehlungen oder Vorschriften geworden, die von denjenigen abgelehnt werden, die dem Staat grundsätzlich misstrauen. Aber natürlich haben nicht alle, die keine Maske tragen, politische Motive. Viele glauben, dass sie keine Maske tragen müssen, wenn sie sich selbst nicht vor Ansteckung fürchten. Sie vergessen dabei, dass die Maske vor allem die anderen schützt und insofern das Tragen einer Maske »prosoziales« Verhalten darstellt.«

WOCHENBLATT: Wer spricht sich besonders für, wer gegen Lockerungen der Corona-Maßnahmen aus?

Prof. Dr. Claudia Diehl: »Interessanterweise hängt die Einstellung zu Lockerungsmaßnahmen kaum davon ab, ob jemand persönlich durch die Eindämmungsmaßnahmen betroffen ist – etwa finanziell. Dies zeigen die Ergebnisse unserer Befragung in Deutschland, aber auch Befunde aus den USA. Zwar ist, wer gesundheitlich zu einer Risikogruppe gehört, eher gegen schnelle Lockerungen. Aber inwieweit man selbst unter den ökonomischen Folgen der Maßnahmen leidet, spielt keine Rolle. Auch nicht, für wie dramatisch man die wirtschaftlichen Folgen für die Gesellschaft insgesamt hält. Interessant ist vor allem, dass die gleichen Maßnahmen von unterschiedlichen Personen als so unterschiedlich einschränkend erlebt werden. Die einen denken: nicht schön so eine Maskenpflicht oder Abstandsregeln, aber angesichts der drängenden Gefahr eigentlich hinnehmbar. Die anderen sind empört und empfinden dies als Zumutung. Wer hier welche Position einnimmt, hat viel damit zu tun, wer den staatlichen Institutionen und Repräsentanten vertraut oder nicht. Gerade in Ostdeutschland werden Eindämmungsmaßnahmen mit größerer Skepsis betrachtet und dies hat unseren Analysen zufolge nichts mit den geringeren Infektionszahlen zu tun.«

WOCHENBLATT: Droht der Gesellschaft angesichts dieser verhärteten Fronten eine Spaltung?

Prof. Dr. Claudia Diehl: »Nein, die Reaktionen auf die Eindämmungsmaßnahmen spiegeln allenfalls verhärtete Fronten in manchen Bereichen der Gesellschaft wider. In Deutschland war deren Akzeptanz insgesamt hoch, gleiches gilt für die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Regierung. Aber natürlich hört man die lauten Protestierer eher als die schweigende Mehrheit derer, die hier kein Problem sehen. Oder wichtiger: die vielleicht die Maßnahmen nicht gutheißen, sie aber hinnehmen, weil sie die Entscheidungsprozesse akzeptieren, durch die sie zustande gekommen sind. Problematisch wird es erst, wenn dies nicht mehr funktioniert – etwa, weil hinter dem Staat eine riesige Verschwörungsmaschinerie gesehen wird.«

WOCHENBLATT: Was kann aus der Erkenntnis der Umfrage für die Zukunft gelernt werden?

Prof. Dr. Claudia Diehl: »Dass die Umsetzung von politischen Maßnahmen zur Abwendung einer geteilten Bedrohung – man denke an den Klimawandel – nicht leicht wird. Und dass es dabei eben nur zum Teil um die persönlichen Kosten von Maßnahmen wie einer CO2-Steuer oder einem Verbot von Verbrennungsmotoren geht. Dieses Problem ließe sich durch Ausgleichszahlungen oder Ähnliches lösen. Aber wenn es um eine politisch motivierte grundsätzliche Ablehnung staatlich verordneter Maßnahmen geht, wird es schwierig. Insofern verringert eine politische Polarisierung immer auch die Problemlösungsfähigkeit einer Gesellschaft.«

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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