Neujahrsempfang der Grünen mit Ricarda Lang
Suche nach Antworten auf die multiple Krise

Ricarda Lang, die Mit-Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Grüne bei ihrer Neujahrsansprache im Konstanzer Konzil. | Foto: Fiedler
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  • Ricarda Lang, die Mit-Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Grüne bei ihrer Neujahrsansprache im Konstanzer Konzil.
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Konstanz. „Multiple Krisen“ – das war ein Stichwort für den Neujahrsempfang der Grünen vom Kreisverband zusammen mit der Grünen Liste Konstanz im Speichersaal des Konzils. Beim Talk auf der Bühne meinte Moderator Marius Busenmeyer zu den fünf Vertreterinnen Ricarda Lang, Nese Erikli, Karin Becker (Theater Konstanz) Dr. Christiane Kreitmeier und Dorothee Jacobs-Kranen, sie könnten gerade mal auch fünf aktuelle Krisen aussuchen, zu denen sie Position beziehen wollten. Dass auch eine Reihe der Besucher mit dem „Gelben Kreuz“ als Zeichen der Klimaaktivisten im rheinischen Kohlerevier und damit als Symbol der Solidarität gegen den dort fortgesetzten Braunkohletagebau erschienen waren und Jugendliche eine Stoffbahn mit ihrem Protest enthüllten, machte klar, wie kontrovers die aktuellen Zeiten sind.

Pfleger schneller anerkennen

Die Themen der Fünfer-Runde zeigten schon die Vielfalt an Herausforderungen, die freilich erst mal hier in den Raum gestellt werden. Karin Becker staunte, wie „männlich“ Politik in der Stadt gesteuert werde, denn einen OB und zwei Bürgermeister habe man, aber keine Frauen in Führungspositionen. Dr. Christiane Kreitmeier sucht klare Perspektiven für die Kliniken im Landkreis. Die aktuell vorliegenden Finanzierungsmodelle reichten nie aus. Es müsse der Weg in eine Gesundheitspolitik gefunden werden, die sich am Bedarf orientiere, nicht an den Finanzen. Und: Es sei nicht nur nötig, Windkraftwerke schneller zu genehmigen, um genug Strom regional zu produzieren, sondern auch die Abschlüsse ausländischer Pflegekräfte – zum Beispiel aus der Ukraine – schneller anzuerkennen. Nese Erikli ging auf „ihr“ Radofine – das Hebammenhaus in Radolfzell – ein: Der Gesundheitsverbund habe in Sachen Geburten zu viel versprochen und auch nicht gehalten. Denn nach der Schließung der Geburtsklinik in Radolfzell habe die Alternative in Konstanz nicht funktioniert, sei nun sogar wochenweise geschlossen im dortigen Klinikum wegen Personalmangel.
Ausgesprochen wurde auch eine simple Forderung, die aber viel bringen würde: Warum nicht die Gelder aus dem Emissionshandel denen zur Verfügung stellen, die Maßnahmen zur Bremsung des Klimawandels umsetzen, zum Beispiel den Kommunen. Dann könnte das Geld direkt investiert werden.

Ja zum Tempolimit

Ricarda Lang als Festrednerin, die freilich durch ihren engen Terminkalender diesem Neujahrsempfang eine enge Taktung gab und die gleich nach ihrer Rede in Richtung Flughafen abgeholt wurde, um am Abend noch im TV bei Anne Will in deren Talkrunde aufzutreten, sagte, dass jeder Tag, den man schneller aus der Kohle aussteige, von den Grünen erkämpft worden sei, gegen den Willen der anderen Parteien. Die Demonstrationen in Lützerath hätten ihr auch gezeigt, wie viele Menschen für den Klimaschutz auf die Straße gehen. Und: Sie wäre endlich für ein Tempolimit auf den deutschen Autobahnen.
Ihre Bilanz nach einem Jahr als Co-Vorsitzende der Grünen ist zweigeteilt: Man habe viel geschafft seit dem Start der Ampel, wenn man nur an den Ausbau erneuerbarer Energien oder den Paragrafen 219 denke. Man habe aber auch Entscheidungen treffen müssen, die zuvor unvorstellbar erschienen, wie Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg oder die Verlängerungen der Laufzeiten der Atomkraftwerke um drei Monate.

Politik um Realität zu ändern

„Hätte ich mich entschieden zu kandidieren, wenn ich das alles gewusst hätte?“, stellte sie in den Raum und gab sich die Antwort gleich selbst: „Regieren und Politik machen tut man nicht für eine Realität, die man sich ausgesucht hat.“ Aber das hieße dann auch, aus dieser Realität Konsequenzen zu ziehen und sie für die Zukunft zu verändern. Putin habe die Schuld am Krieg in der Ukraine, aber die Situation, die uns hier getroffen habe, sei eben nicht vom Himmel gefallen. Man habe einfach in den letzten 16 Jahren den Ausbau erneuerbarer Energien immer wieder blockiert, dadurch Abhängigkeiten manifestiert. Man erlebe nun das fundamentale Scheitern der fossilen Politik der letzten Jahre. Die Frage „Wohlstand oder Klimaschutz“ ist für sie aus der Vergangenheit. Längst gehe es beim Klimaschutz wirtschaftlich um „Raise to the Top“ – die Industrie überlege das sehr genau in ihren Strategien und für 2023 müsse klargemacht werden, dass es Wohlstand nur durch Klimaschutz gebe.
Soziale Gerechtigkeit ist eigentlich ihr Hauptanliegen. Und auch in der Energiekrise plädiert sie für den direkten Weg: also die Übergewinnsteuer ohne Umwege in die Unterstützung für die Verbraucher umzuleiten, die nun durch die Preise in Bedrängnis gekommen sind oder noch kommen. Dann würde aus dem „Winter der Wut“ ein „Winter der Solidarität“.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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