Interview mit Prof. Dr. Jürgen Klöckler
"War schon immer stark mit dem Landkreis verbunden"

Entdeckte bereits zu Schulzeiten seine Passion für Archivarbeit: der Konstanzer Stadtarchivar Prof. Dr. Jürgen Klöckler | Foto: Philipp Findling
  • Entdeckte bereits zu Schulzeiten seine Passion für Archivarbeit: der Konstanzer Stadtarchivar Prof. Dr. Jürgen Klöckler
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Konstanz. Seit 2001 ist der Historiker Prof. Dr. Jürgen Klöckler Leiter des Konstanzer Stadtarchivs. Im Rahmen des offiziellen Jubiläumsfestakts, bei dem er die Festrede hielt, sprach das WOCHENBLATT mit ihm über seine Erinnerungen und Momente aus 50 Jahren Landkreis.

Was ist Ihnen aus 50 Jahren Landkreis Konstanz am meisten in Erinnerung geblieben?

Ich war als Kindergartenkind 1970 in Liggeringen dabei, als der damalige Landrat Heinz Göbel das Dorf besucht hat. Für mich mit meinen damals fünf Jahren war es etwas Besonderes, als dann auf einmal der Landrat ins Dorf kam. Vom Bürgermeister bis zu den Gemeinderäten waren alle da, unter anderem hat ihm der Ortsgeistliche die Kirche gezeigt. Das war damals ein großes Ereignis. Auch die damalige Gemeindereform, als unter anderem die anliegenden Dörfer in Konstanz eingemeindet und die Gemeinde Allensbach mit Kaltbrunn und Freudental geschaffen wurde, habe ich mit der Zusammenführung der heutigen Radolfzeller Stadtteile zu einer großen Kreisstadt selbst am eigenen Leib sozusagen miterlebt. So habe ich die ersten beiden Grundschulklassen in Liggeringen und die dritte und vierte Klasse in Möggingen besucht, ehe es dann ans Gymnasium nach Radolfzell ging. Zudem war ich mit 15 Jahren jede Sommerferien vier bis fünf Wochen im Kreisarchiv beim damaligen Kreisarchivar Franz Götz, der für meinen heutigen Beruf ein großes Vorbild war. Dort habe ich erste Einblicke in die Archivarbeit erhalten und meine Passion für die Archivarbeit erweckt. Nach meiner Arbeit im Auswärtigen Amt bin ich an den Lehrstuhl von Lothar Burchardt gekommen, der damals den fünften und sechsten Band der großen Konstanzer Stadtgeschichte erarbeitet hat. Genau im Hauptstudium bin ich durch ein Seminar ganz nah an ihn herangekommen, woraus meine Magisterarbeit sowie meine Doktorarbeit hervorging. Durch diese Ereignisse war ich Kreis und der Region somit schon immer stark verbunden.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit den bisherigen Landräten des Landkreis Konstanz?
Landrat Maus war für mich die Institution hier im Landkreis Konstanz. Er war unter anderem durch seine Tätigkeit im Innenausschuss des Stuttgarter Landtages eine wichtige Persönlichkeit für die Region. Er war vom Auftreten her ein gestandener Mann, daher verbinde ich für ihn in seiner Rolle als damaliger Landrat nur größten Respekt. Bei Frank Hämmerle war es anders. Dessen erste Amtshandlung war die Verleihung eines wissenschaftlichen Förderpreises an zwei junge promovierte Wissenschaftler, unter anderem an mich. Diese Erinnerung bleibt für mich ein Leben lang. Damals hatte ich schon in politischen Archiven des auswärtigen Amts gearbeitet, daher war es für meine weitere berufliche Karriere eine wichtige Auszeichnung. Auch mit Landrat Danner verbinde ich insofern etwas, als dass ich mit dessen Vater, der damals Geschichtslehrer war, eng befreundet war.

Was schätzen Sie an Landrat Danner?
Wofür ich ihn am meisten bewundere ist, in Situationen wie der aktuellen Diskussion um das Krankenhaus, die Standhaftigkeit und Ruhe zu bewahren sowie kluge Entscheidungen im Kreistag herbeizuführen und am Ende umzusetzen. Das ist nicht zu unterschätzen. Hier macht er auf mich einen ruhigen und überlegten Eindruck. Diese Ruhe und das überlegte Handeln ist für mich ein wichtiges Merkmal für Politiker heutzutage. Daher können wir stolz sein, solche drei Männer als Landräte gehabt zu haben oder noch zu haben.

Welches Ereignis aus 50 Jahren Landkreis hat den Landkreis für Sie am meisten geprägt?

Wenn man unsere jetzige Zeit betrachtet, kann man die Gründung des Gesundheitsverbundes im Landkreis Konstanz als solch ein Ereignis betrachten, da es in das Leben der meisten Menschen eingreift. Es war damals schon abzusehen, dass die kleineren Krankenhäuser keine längerfristige Zukunft mehr haben würden, wir stecken ja jetzt gerade mittendrin. Wenn man es also von der gesundheitspolitischen Seite her betrachtet und die aktuelle Entwicklung sieht, glaube ich, dass es auf ein zentrales Krankenhaus hinausläuft, so wie es in vielen anderen Landkreisen auch gehandhabt wird.

Was können junge, angehende Politiker oder auch die Bürgermeister des Landkreises vom Landrat a.D. Robert Maus und Frank Hämmerle sich zu Herzen nehmen?

Bei Robert Maus ist es tatsächlich dieser Wille, sich zu behaupten und den eigenen Standpunkt in allen Gremien und Positionen, in denen er aktiv war, zu vertreten und durchzusetzen, den ihn so besonders macht. Wen man das betrachtet, was in 50 Jahren Landkreis gestaltet worden ist, ist das schon enorm. Den meisten Menschen ist es gar nicht so bewusst, was alles hinter den Aufgaben eines Landratsamtes steckt. Daher sind solche Jubiläen wie diese wichtig, um den Menschen diese vielschichtige Arbeit und die geschaffenen Strukturen bewusst zu machen, für die damals Herr Maus den Startschuss setzte. Was man auch von ihm mitnehmen kann, ist die Heimatverbundenheit, Bodenständigkeit und Standhaftigkeit, was dem modernen Menschen ein wenig fehlt. Ich kenne es aus meinem Kollegenkreis, wo man mal zwei Jahre für eine Assistentenstelle in Berlin oder in den USA ist. Da ist auch von Seiten der Universität kein Interesse vorhanden, die Lehrenden mit der Region und der Stadt besser vertraut zu machen. Diese fehlende Heimatverbundenheit hat Auswirkungen auf das Geschichtsbewusstsein sowie das Engagement in der Region, so haben für die anstehende Kommunalwahl 2024 viele Parteien Schwierigkeiten, ihre Listen voll zu bekommen, da niemand sich beteiligen will. Hier frage ich mich dann, wer dann überhaupt noch im Gemeinderat Verantwortung übernehmen und unpopuläre Entscheidungen treffen will, was für das Große und Ganze in einer Kommune von wichtiger Bedeutung ist. Der Rückgang der einheimischen Bevölkerung, welche diese Konstanz bringen sollte, sowie die daraus resultierende fehlende Identifikation sind vor allem Folgen der Globalisierung. An Frank Hämmerle schätze ich sehr seine Willensstärke und Durchsetzungsfähigkeit, die man für ein solches Amt auch mitbringen muss.

Künstliche Intelligenz nimmt nicht nur in unserem Alltag, sondern auch in der Verwaltung immer größeren Einfluss. Wie stehen Sie zum Thema KI in der Verwaltung bzw. könnte eine solche Technologie irgendwann einmal Aufgaben eines Landrats übernehmen?
Ich kann Ich kann mir nicht vorstellen, dass KI irgendwann Aufgaben eines Landrats vollständig übernimmt. Es ist schon faszinierend, was künstliche Intelligenz alles kann und sie wird auch weiterhin mehr dazulernen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass Verwaltungsarbeiten kleinster Art hierdurch unterstützt werden, um Arbeitsabläufe schneller und effizienter zu gestalten. Schlussendlich werden aber die Menschen und Köpfe, die vorne stehen und Verantwortung tragen, nicht durch künstliche Intelligenz abgelöst werden können. Wir als Menschen dürfen auch Fehler machen. Es kann dann aber nicht sein, dass KI vorgibt, wie der Hase zu laufen hat. In manchen Bereichen hat sie schon tolle Erfolge getätigt, schlussendlich jedoch muss der Mensch die Leistung erbringen. Ein Beispiel hierfür sind die Anfertigungen von Bachelor- oder Masterarbeiten an Universitäten, wo man die illegale Unterstützung von KI nachweisen kann. Für diese bedeutet es ganz klar, dass die mündlichen Prüfungen in der Zukunft wieder mehr an Gewicht gewinnen müssen. Nur so, ohne die KI merken die Lehrenden, wer was kann. Wir hoffen daher sehr, dass die Studierenden schlau genug sind, um ihre eigenen Gedanken in die Arbeiten reinstecken.

Wie gut sehen Sie den Landkreis Konstanz für die Zukunft aufgestellt?
Es ist offensichtlich, dass der Landkreis Konstanz, je näher man an den See herankommt, weiterhin Zuzugsgebiet bleiben wird. Trotz der anhaltenden Demographie wird der Landkreis in den nächsten Jahren in diesem Bereich weiterhin zu den Gewinnern zählen. Hieraus folgt, dass wir gar nicht drum herum kommen, mehr Wohnungen zu bauen und den Menschen mehr Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Zudem hoffe ich auf eine zentrale Krankenhausversorgung, hier ist ein klares Defizit zu erkennen. Hier braucht es Spezialisten, die auch mal mehrere Operationen am Tag machen können. Durch die Grenzlage wird es für Zugezogene nicht einfacher werden, da das Kaufkraftgefälle zwischen der Schweiz und dem Landkreis und den daraus resultierenden Preisen einfach viel zu hoch ist. Das wird sich so schnell nicht mehr ändern. Mit dem Landratsamt und seiner modernen und flexiblen Verwaltung sowie den Kommunalverwaltungen in den Gemeinden ist der Landkreis gut aufgestellt. Krisen wie die Flüchtlingsproblematik oder die Corona-Pandemie wurden von ihnen gut gemeistert.

WOCHENBLATT: Was möchten Sie dem aktuellen Landrat für die Zukunft mit auf den Weg geben?
Klöckler: Ich empfinde es so, dass er eine integre Persönlichkeit und einem guten Weg ist. Ich wünsche ihm viel Standfestigkeit in den Diskussionen, die noch kommen. Darüber hinaus genießt er mein vollstes Vertrauen.

Das Interview führte Philipp Findling

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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