Robinsons Einsamkeit im Theater für Kinder
Weshalb die Menschen Mauern bauen um sich vor der Welt zu schützen

Die Mauer ist Symbol aus Licht. Sie besteht aus den Ängsten vor der Welt von "Robinson" und "Freitag" auf der Bühne der Konstanzer Spiegelhalle. Auf den Bildern Leonard Meschter, Jana Alexia Rödiger in den Szenen des Stücks. | Foto: Zühre Gümüs / Theater Konstanz
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  • Die Mauer ist Symbol aus Licht. Sie besteht aus den Ängsten vor der Welt von "Robinson" und "Freitag" auf der Bühne der Konstanzer Spiegelhalle. Auf den Bildern Leonard Meschter, Jana Alexia Rödiger in den Szenen des Stücks.
  • Foto: Zühre Gümüs / Theater Konstanz
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Konstanz. Inmitten der unsichtbaren Gitter aus Vorurteilen und der schroffen Andersartigkeit gegenüber dem Fremden gefangen, bildet der Mensch sich zuweilen ein Labyrinth aus eigenen Ängsten und engstirniger Ignoranz, indem der Architekt des ganzen selbst droht, verloren zu gehen. Laufend wollen die Mauern der Vorbehalte ihn von der Freiheit des offenen Dialogs über die gemeinsame Menschlichkeit abzuschirmen. Folglich entspringt aus der eigens erstellen Frustration dann ein Hass gegenüber dem neuen, der weitreichende Einsamkeit nach sich ziehen kann.

Um vom Anbeginn des Bauprozesses präventiv gegen die Erhärtung dieser Mauern vorzubeugen, entschloss sich das junge Theater Konstanz dazu, den zeitlosen Klassiker «Robinson. Meine Insel gehört mir.» von Raoul Biltgen in einer Inszenierung von Simon Windisch (Dramaturgie Sabrina Toyen), mit der Musik von Robert Lepenik in die Reihen ihres Theaterprogramms aufzunehmen, welches in der Neuinterpretation seinen Platz in der Konstanzer Spiegelhalle fand. Der Anspruch des Stücks, die Brücke zwischen der bekannten Geschichte des gestandenen Matrosen und der aktuellen Flüchtlingsdebatte in Deutschland zu schlagen, wurde durchaus spürbar – wenngleich fraglich ist, ob das junge Publikum den Appell verstand, Fremdenfeindlichkeit und Angst zu hinterfragen.

Im nüchternen Saal der Spiegelhalle Konstanz beleuchteten die Scheinwerfer eine Insel, auf der Matrosin Robinson (Jana Alexia Rödiger) nicht nur um das eigene Überleben, sondern auch gegen die Schatten ihrer eigenen Unsicherheit ankämpft. Bei Tageslicht erfreut sie sich an der Freiheit ihrer Gedanken, die im Alleinsein frei fließen können, ohne von den Fesseln des Selbstzweifels und peinlicher Berührungen durch die Gesellschaft eingeholt zu werden.

Doch mit dem Einbruch der Dunkelheit, bricht auch der Schein der Selbstsicherheit, während die Angst vor dem Fremden hervortritt. Das Publikum, das beim Betreten des Saals mit einem Zweig ausgestattet wurde, zeigte sich hierbei einfühlsam und verbarg sich vor den Lichtern Robinsons, um ihr weiterhin das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Eine kluge didaktische Entscheidung, welche das junge Publikum auf die eigene Reise in die Selbstreflexion mitnehmen sollte.

So lebt Robinson Tagein Tagaus auf der Insel, baut sich ein eigenes Haus und zähmt ihre Ziegen, welche sich als wunderbare Zuhörer erweisen, die seiner tragischen Geschichte lauschen, die bildhaft mit einer Kombination aus Animation und Schattenspiel begleitet wird. Doch wie jede Insel, so bleibt auch diese Aufführung nicht von Stürmen verschont.

Die Einführung der Geschichte erstreckte sich etwas zu weit und verlor sich in den Wellen der Einleitung, während der Hauptteil, der die gewichtige Botschaft tragen sollte, zu kurz geriet - denn das eigentliche Herzstück der Geschichte, das Auftauchen und der Verbleib von Freitag (Leonard Meschter), nahm in der Gesamtbetrachtung nur wenig Platz in Anspruch, obgleich sein Auftritt intensiv gestaltet wurde.

Während Freitag, der gleich zu Beginn von Robinson unbenannt wird, sich alle Mühe zur Integration gibt, wird er von Robinson vorerst nur geduldet. Erst als Freitag sich nach langem Schweigen dazu entschließt, seinen Fluchtgrund zu erläutern, scheint sich eine Art gemeinsamer Feind und damit auch eine tiefere Bindung zwischen den beiden Protagonisten zu entwickeln.

Denn auch wenn Freitag nicht vor Fremden, sondern seinem ehemaligen kannibalistischen Volk flüchtete, die im Begriff waren ihn zu verspeisen, einigte sie die Angst vor dem Menschen. So entschlossen sie sich, gemeinsam einen Zaun zu bauen, der sie vor der Aussenwelt schützen sollte.

Paradoxerweise markierte die Fertigstellung des Zauns den Beginn der Spannung, die ebenfalls schon den Beginn des Endes einläutete. Als Freitag den letzten Pfahl in den Boden der Insel schlug, verschloss er ihn von innen und zeigte damit seine anhaltende Barriere des Fremdenhasses auf, die zwar physisch von Freitag durchbrochen wurde, jedoch weiterhin zwischen ihnen steht und die es ebenfalls einem Abriss bedarf – wie das abrupte Ende des Stücks vermuten lässt.

In einer Zeit, in der die Ängste vor dem Fremden die Schlagzeilen und Debatten dominieren, hat das Junge Theater Konstanz mit «Robinson. Meine Insel gehört mir.» ein wichtiges und aktuelles Thema aufgegriffen, über welches es sich mit den jüngsten unserer Gesellschaft zu diskutieren gilt.
Das Ende des Stücks, offen und ungewiss wie die echten Leben, räumt auch freilich einen Raum für Reflexion ein. Doch fraglich bleibt, ob das Publikum die Darstellung der Parabel mit all seinen Metaphern verstehen konnte in seinen doch sehr "erwachsenen" Bildern oder ob es nicht doch nötig gewesen wäre, Robinson und Freitag einen tieferen Dialog und ein breiteres Abbild ihres Zusammenlebens zu verschaffen.

Von Tara Koselka

Autor:

Redaktion aus Singen

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