Bundeskunstpreis im Milchwerk verliehen
Radolfzell als die Kulturhauptstadt

Wilma Keulertz aus Düsseldorf-Ratingen ist die erste Preisträgerin des Bundeskunstpreises für Menschen mit Behinderung in diesem Jahr. Die 92-jährige Seniorin war eigens für die Preisverleihung angereist. Schirmherrin Dr. Lina Seitzl gratulierte als erste. | Foto: Fiedler
  • Wilma Keulertz aus Düsseldorf-Ratingen ist die erste Preisträgerin des Bundeskunstpreises für Menschen mit Behinderung in diesem Jahr. Die 92-jährige Seniorin war eigens für die Preisverleihung angereist. Schirmherrin Dr. Lina Seitzl gratulierte als erste.
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Radolfzell. "Radolfzell ist heute die Kulturhauptstadt in Deutschland" unterstrich Moderator Matthias Berg bei der inzwischen schon 23. Verleihung des Bundeskunstpreises für Menschen mit Behinderung am Sonntag im Radolfzeller Milchwerk, die im Rahmen einer festlichen Gala durchgeführt wurde. Und Berg unterstrich auch immer wieder, dass Kunst immer etwas mit Förderung zu tun habe, was hier freilich durch das Kulturverständnis der Radolfzeller vorbildlich geschehe.
Schirmherrin des diesjährigen Kunstpreises war die Bundestagsabgeordnete Dr. Lina Seitzl. Es sei als junge Bundestagsabgeordnete auch die erste Schirmherrschaft, die sie übernommen habe. „Ob in der Arbeitswelt, beim Sport oder im kulturellen Leben, Menschen mit Behinderung bereichern unsere Gesellschaft. Sie stellen sich Herausforderungen, freuen sich über Erfolge und sind kreativ. Kunst verleiht dieser Kreativität Ausdruck und transportiert Emotionen. Doch allzu oft bleiben die Empfindungen von Menschen mit Behinderung unsichtbar. Doch in der Kunst kann sich jeder ausdrücken und Menschen werden nicht anhand ihrer Behinderung beurteilt, sondern anhand ihrer Persönlichkeit und Begabungen, die sich in ihren Werken widerspiegeln“, sagte sie in ihrem Grußwort.

"Mein Ziel ist es: Radolfzell soll für ein tolerantes Miteinander stehen, in dem alle Menschen die gleichen Chancen haben, sich gegenseitig achten und respektieren und zusammen nach vorne blicken. Und dabei leistet Kunst einen wichtigen Beitrag zur echten Teilhabe. Denn Kunst kennt keine Grenzen – und das ist auch richtig so! Kunst gibt Menschen die Möglichkeit, sich auf vielfältige Art und Weise auszudrücken. In der Kunst ist jeder Mensch gleich. Es zählt nur die Fantasie und Kreativität", formulierte OB Simon Gröger in seiner Rede zur Begrüßung der Preisträger. 

Verleihung des Bundeskunstpreises für Menschen mit Behinderung

Oßwald Ammon, der Behindertenbeauftragte des Landkreises, ließ es sich natürlich nicht nehmen, persönlich an dieser Gala teilzunehmen. Inklusion sei ein Marathon, hier im Landkreis habe man freilich noch nicht allzu viele Kilometer auf dem Weg geschafft, meinte er. „Jeder Mensch hat das Recht darauf, dabei zu sein, denn es ist normal verschieden zu sein.
Wenn alle Menschen dabei sein können, haben alle etwas davon! Wenn es zum Beispiel weniger Treppen gibt, können Menschen mit Kinderwagen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung viel besser dabei sein. In einer inklusiven Welt sind alle Menschen offen für andere Ideen. Wenn du etwas nicht kennst, ist das nicht besser oder schlechter. Es ist normal!“

Siegerin aus Düsseldorf kam an den See

Der erste Preis des Bundeskunstpreises 2022 ging an Wilma Keulertz und ihr Gemälde „Weihnachtsschrecken“. Die 92-jährige Dame, die in Düsseldorf-Ratingen lebt, schuf das Werk während der Corona-Pandemie. Sie sagt selbst über diese Zeit: „Zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 musste ich in meinem Appartement 14 Tage in Isolationsquarantäne verbringen. In dieser Phase fing ich wieder an, trotz Unbeweglichkeit meiner beiden Hände, zu malen und zu zeichnen. Ich war fasziniert von einer Abbildung der Heiligen Corona, die mir meine Pflegerin Michaela Schmidt mitbrachte. Seitdem habe ich meine Freude am Zeichnen und Malen wiedergefunden. Ein Jahr später grassierte noch immer die Corona-Pandemie; mit diesem Bezug entstand das Bild „Weihnachtsschrecken“.“

Milena Kirtschig aus Tübingen wurde für das Kunstwerk „Blume“ der zweite Preis verliehen. Die Werke der 24-Jährigen waren bereits in mehreren Ausstellungen in ganz Deutschland zu sehen, auch beim 21. Bundeskunstpreis in 2018. Am liebsten arbeitet sie mit Acryl oder mit Filzstift in der abstrakten Technik der Farbfeldmalerei. Seit einiger Zeit hat sie zudem die Technik der Kaltnadelradierung für sich entdeckt. Neben der einfachen, zeichenhaften Formensprache bestechen ihre Kunstwerke durch eine lebhafte Farbigkeit.

Mit dem dritten Preis wurde Marc Türksch (28 Jahre), der seit 2017 in der Malwerkstatt in Wilhelmsdorf kreativ tätig ist, ausgezeichnet. An seinem Bild „Geheime Botschaften“ erkennt man seine Neugier und Begeisterung für Neues. Zahlreiche losgelöste Formumschreibungen, Rhythmen werden sichtbar, Brücken von einer Form zur anderen gebaut. Er sucht freudvoll einen Weg, wie es gehen könnte und in welchem Zusammenhang es steht.

Die weiteren Preise gingen an Christel Steinert („Blue mountains“), Nora („Barfuß“), Claudia Fuchs („Eidechse“), Benjamin Kölbel („Pippi Langstrumpf“), Andreas Fink („Elefantenfamilie“), Simon Weigt („Nacht“), Athina Efthimiadou („Coral’s love“), Daniel Odenthal („Hundertwasser“), Cemile Öztürk („Glück“), Johanna Schmelzer („Von Oben“), Ella Kaune („Karla Kolumna“) und Rita Borchert genannt RIBO („Am See“).

Ausstellung in der Villa Bosch

Die begleitende Ausstellung zum Bundeskunstpreis ist vom 18. September bis einschließlich 13. November in der Villa Bosch in Radolfzell zu sehen. Einhundert Werke, darunter die fünfzehn ausgezeichneten Objekte, sind zu bewundern und käuflich zu erwerben. Der Erlös kommt dabei den Künstlerinnen und Künstlern zugute.
Die Villa Bosch ist geöffnet von Mittwoch bis Sonntag, jeweils von 14.00-17.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Unterstützt wird der Bundeskunstpreis von der Erika-und-Werner-Messmer-Stiftung, der Sparkasse Hegau-Bodensee, der Staatl. Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, der Stadtwerke Radolfzell GmbH, dem Sozialverband VdK – Ortsverband Radolfzell, der Volksbank Konstanz, der RIZ GmbH & Co. KG sowie dem Deutschen Roten Kreuz.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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