Positionen bilden sich vor Kreistagsentscheidung
Radolfzell spricht mit einer Stimme - Stockach kontert kritisch

Das Radolfzeller Krankhaus auf der Mettnau aus der Luft gesehen. | Foto: swb-Bld: GLKN
  • Das Radolfzeller Krankhaus auf der Mettnau aus der Luft gesehen.
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Kreis Konstanz. Schon der Auftritt war ein historisches Bild. Gemeinsam gaben die Vertreter der vier größten Fraktionen im Radolfzeller Gemeinderat am letzten Mittwoch zusammen mit OB Simon Gröger und Bürgermeisterin Monika Laule eine Erklärung zur Zukunftsfrage des Radolfzeller Krankenhauses ab. Und in den Positionen wurde Einigkeit signalisiert, wie den Vorgaben für weitere Schritte im Sanierungsprozess des hochverschuldeten Klinikverbunds. Beschlossen hat das Gremium in der Sitzung, dass man die Grundzüge des kürzlich vorgestellten Gutachtens (es ist in substanziellen Teilen auf der Homepage des GLKN zugänglich) anerkenne.

Das ist mit der Forderung verbunden, dass das Radolfzeller Krankenhaus bis zum Einzug in einen geplanten Klinikneubau in seiner aktuellen Struktur der stationären Grundversorgung mit seinem medizinischen Angebot in Betrieb bleibt. Auch will Radolfzell aktiv in die Findung eines geeigneten und verkehrsgünstig gelegenen Grundstücks einbezogen sein, das aus Sicht der Radolfzeller Räte und Verwaltungsspitze gut an die B33/34 wie an Bus und den Seehas angebunden sein müsse. Ein Austritt aus dem GLKN, der in der aktuellen Leserbriefdebatte immer wieder gefordert wurde um das Haus für die Stadt zu erhalten, sei keine Option, machten die Fraktionsvertreter klar. Ein solches Haus in dieser Größe hätte keinerlei Chancen auf die Zulassung durch das Sozialministerium, stellte Bürgermeisterin Monika Laule dazu klar. Schon die Fusion mit dem Hegau-Bodensee-Klinkum habe damals in die Richtung gezielt, das kleine Krankenhaus halten zu können. Und bereits die Gutachten zur Bildung des GLKN hätten ausgesagt, dass Radolfzell als Standort für die Gesundheitsversorgung im Landkreis nicht notwendig sei.

Einigkeit der Fraktionssprecher

Gemeinderat Norbert Lumbe (SPD) unterstrich dazu, dass es eine eindeutige Positionsbestimmung gewesen sei, die der Gemeinderat hier bezogen habe. Es habe in den letzten Wochen viele Leserbriefe gegeben, die doch für Verwirrung gesorgt hätten, denn man müsse klar sehen, dass ein Austritt von Radolfzell aus dem Gesundheitsverbund des Landkreises, über den es nur über einen Anteil von 12,5 Prozent am Hegau-Bodensee-Klinikum Singen beteiligt ist, das wiederum einer der Partner im Gesundheitsverbund ist neben dem Konstanzer Spital und dem Landkreis, nicht in Frage komme.

Siegfried Lehmann (FGL) sieht das Gutachten zum Klinikverbund als viel zu spät in Angriff genommen und der Kreistag, in dem er selbst vertreten ist, habe das Thema immer wieder hängen lassen. Dabei würden sich die Zahlen auch weiter verschlechtern: Für dieses Jahr gebe es sogar eine Prognose über ein Defizit von 26 Millionen Euro. Da dränge die Zeit für eine Lösung schon deshalb, weil man die Gefahr sehen müssen, dass der Gesundheitsverbund sonst vielleicht auch Insolvenz anmelden müsste. Die öffentliche Diskussion gehe gerade in Radolfzell davon aus, dass man doch auch aus dem Gesundheitsverbund aussteigen könne, so auch Siegried Lehmann. „Wir haben aufgrund des Konsortialvertrags aber keine Möglichkeiten weiter ein Krankenhaus zu betreiben“ stelle er klar. Die Bettenzahl im Landkreis wäre wohl auch ohne die 150 Betten in Radolfzell ausreichend aus Sicht des Sozialministeriums. Für Lehmann müsse eine Planung langfristig schon in die Richtung eines zentralen Klinikums für den Landkreis gehen. Das Klinikum Konstanz habe auch viel zu viele kleine Abteilungen, die nicht wirtschaftlich seien, und die auch im Strukturgutachten angemerkt worden seien, wenn auch der Neubau wegen der Zuschüsse weiter betrieben werden müsse, um nicht auch noch zu Zuschüsse dafür zurückzahlen zu müssen. Und: „Wir erwarten natürlich, dass Radolfzell mit seiner starken Geriatrie und den weiteren Strukturen weiter geführt werden soll, bis ein neues Klinikum in Betrieb genommen wird!“

Dietmar Baumgartner (Freie Wähler) mahnte in der Medienkonferenz am letzten Mittwoch, dass der Geschäftsführer des GLKN Entscheidungen nun dringend brauche, um bald handeln zu können. Die Beschäftigten am Radolfzeller Krankenhaus brauchen eine Sicherheit, wie es jetzt für sie weitergehe.

Jürgen Keck (FDP) erinnerte daran, dass man schon seit über zehn Jahren vom Abbau von Doppelstrukturen spreche. Aber geschehen sei unter dem Strich nichts. Das Defizit des Gesundheitsverbunds komme aber sicher nicht alleine vom Radolfzeller Krankenhaus. Das Land wolle große Häuser mit sektorenübergreifenden Strukturen erhalten.

Die Standortdiskussion ist aus Radolfzeller Sicht eröffnet. Der Radolfzeller Gemeinderat will nach vorne blicken. Für einen solchen neuen Standort eines Klinikums, das zunächst Singen und Radolfzell ersetzen muss, aber auch so geplant werden müsse, dass es einmal zentrales Klinikum für den Landkreis inklusive des Konstanzer Hauses werden könne, müsse über eine gute Seehas-Anbindung verfügen, aber auch über Anschlüsse an die Bundesstraße 33/34 und zentral im Landkreis liegen, weshalb hier Flächen bei Böhringen, in Richtung Steißlingen vor Singen angeführt werden. Siegfried Lehmann sagte, dass Singen diese Standortfrage nicht allein entscheide, das müsste die Bevölkerung des Landkreises über ihre Repräsentanten.

Engen bleibt nur das MVZ

Vor sieben Jahren ereilte das Krankenhaus Engen ein ähnliches Schicksal wie es nun dem Radolfzeller bevorsteht. Damals war der Aufschrei groß, erinnert sich Engens Bürgermeister Johannes Moser. Nachdem die Geburtsabteilung in Engen unter »großen Schmerzen geschlossen« wurde, folgten die Verlagerung der Chirurgischen und Inneren Abteilungen nach Singen und schließlich wurde die Geriatrie vom Hegau nach Radolfzell verlegt. In Engen blieb das Medizinische Versorgungszentrum, das 2012 dort eingerichtet worden war. Dieses MVZ ist heute auch ein Ambulantes OP-Zentrum, beherbergt Arztpraxen und eine Physiotherapie sowie eine Tagespflege und gehört zum Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz. »Das MVZ läuft sehr gut und sichert Engen und seinen BürgerInnen eine dezentrale und wohnortnahe medizinische Versorgung«, fasst Moser zusammen. Für ihn ist klar: Für das ehemalige Engener Krankenhaus wäre damals ein Stockacher Weg der Eigenständigkeit nicht in Frage gekommen. »Wir hatten neben der Grundversorgung nie diese Spezialisten wie Stockach ihre Gelenkchirurgie«, weiß Moser. Zudem wäre die finanzielle Belastung mit hoher Bezuschussung groß und eine ärztliche Versorgung in einem so kleinen Haus unsicher gewesen. Den Radolfzellern rät er angesichts einer ähnlichen Situation wie damals in Engen: »Der Maßstab für Entscheidungen muss eine gute medizinische Versorgung sein. Dafür sollte man emotionale Befindlichkeiten aus der Diskussion nehmen und sachlich beraten, was für Patienten, Ärzte und Personal am besten und was finanzierbar ist«.

Stockach kann bestehen

Wie ein kleines Krankenhaus erfolgreich bestehen kann, führt Stockach vor. Für 2020 wurde erstmals wieder seit vielen Jahren ein ordentlicher Gewinn erwirtschaftet und auch für das abgelaufene Jahr habe man mindestens eine schwarze Null im Visier, sagt Geschäftsführer Michael Handke auf Anfrage des Wochenblatts. Das Haus mit seinen 55 Betten ist Teil des Bedarfsplans im Land. An Kritik zum Strukturgutachten des Landkreises spart er nicht und warnt fast vor der Zentralklinik. Wenn man die demografische Entwicklung verfolge, sehe man schnell, dass es wohnortnahe und dezentrale Grundversorgung brauche. »Um zu belastbaren und brauchbaren Strukturempfehlungen zu kommen, hätten sich die Gutachter schon die Mühe machen müssen, zwischen den Leistungen der Grundversorgung und Leistungen der Schwerpunktversorgung zu differenzieren«, so Hanke in seinem Kommentar zum Gutachten, das ja Grundlage für weitere Entscheidungen sein soll. In Stockach habe man die Grundversorgung erfolgreich mit der Spezialisierung auf Gelenk-OPs umgesetzt und die liege nach seiner Rechnung bei den Fallzahlen mit knapp 1.700 im Jahr sogar über dem »Vincenzius« in Konstanz. Auch über den Standort Radolfzell hat er sich Gedanken gemacht: Man könnte dort in zentraler Lage die Geburtshilfe zusammen mit der Pädiatrie inklusive Neonatologie konzentrieren und mit einem »Kinderkrankenhaus« Platz in den anderen Kliniken zum Umbau schaffen. "Das Krankenhausplanerische Kriterium Ergebnisqualität wird im Strukturgutachten komplett ignoriert,« so Hankes harter Kommentar.

Denn vollständigen Text gibt es unter wochenblatt.link/glkn-info

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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