Ein Blick über die Grenze ins Land der Lockerungen
»Es ist Balsam für die Psyche«

Interview Schaffhauser Bock, Oliver Fiedler | Foto: Oliver Fiedler, Chefredakteur Singener Wochenblatt: »Viele blicken aus der deutschen Nachbarschaft derzeit staunend zu den Eidgenossen.«
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  • Interview Schaffhauser Bock, Oliver Fiedler
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Landkreis Konstanz/Schaffhausen/ Schweiz. Die Schweiz hat angefangen aufzumachen, Schritt für Schritt soll das Land nach mehreren Lockdowns wieder zum Leben erwachen.
Läden, Außengastronomie, Theater, Kinos haben wieder geöffnet, freilich noch unter den wachen Augen der Gesundheitsbehörden. Deshalb blicken viele aus der deutschen Nachbarschaft derzeit staunend über die Grenze zu den Eidgenossen, während hierzulande noch gegen einen Kindernotstand gekämpft wird. Wochenblatt-Chefredakteur Oliver Fiedler sprach darüber mit der Chefredaktorin des Schaffhauser Bock, Nathalie Homberger.

Wochenblatt:
Die Schweiz hat vieles wieder geöffnet und was gut daran ist – die Infektionszahlen mit Covid-19 gehen derzeit nicht hoch und sind seit den Lockerungen beeindruckend stabil. Wie geht es Ihnen mit der neugewonnenen Freiheit?
Nathalie Homberger: »Sehr gut, aber so gut, wie es in solch einer Situation halt sein kann. Wir sind alle froh, dass wir wieder ein wenig mehr Freiheiten erhalten haben. Es macht ja auch Sinn, dass es Lockerungen gegeben hat, gerade wenn die Zahlen stabil bleiben. Ich würde sagen, es ist ein Balsam für die Psyche nach einem Jahr des Auf und Ab.«

Wochenblatt: Wahrscheinlich ist auch der Umgang der Menschen untereinander wieder viel entspannter?
Nathalie Homberger: »Ja, der Umgang ist sicherlich sehr viel entspannter und es hat wieder mehr Leben auf den Straßen. Mancherorts vielleicht auch zu entspannt. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Virus immer noch da ist. Ich persönlich habe auch die Erfahrung gemacht, dass viele auch dank der fortschreitenden Impfkampagne entspannter mit der Situation umgehen. Die Risikopatienten und gefährdeten Personen wurden bereits zwei Mal geimpft und man traut sich wieder mehr, diese zu treffen. Ich kann mir vorstellen, dass viele Personen, die in den letzten Monaten einsam und isoliert waren – wie beispielsweise alte Menschen – jetzt wieder vermehrt aufatmen. Man merkt, wie wichtig soziale Kontakte sind.«

Wochenblatt:
Beim Blick über die Grenzen sieht man viele Kleinigkeiten nicht. Auch Sie werden noch eine Weile die Schutzmasken im Alltag benötigen. Was schätzen Sie, wie lange noch?
Nathalie Homberger: »Das ist eine sehr schwierige Frage: Das liegt wohl in den Händen der Politik. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es mit der Impfung zusammenhängt. Vielleicht, sobald eine Herdenimmunität besteht. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass die Übertragung des Coronavirus auf andere Menschen nach vollständiger Impfung reduziert ist. Dennoch ersetzt die Impfung die Hygiene- und Verhaltensregeln noch nicht. Vielleicht und hoffentlich ändert sich das.«
Wochenblatt: Im Gegensatz zu uns in Deutschland, setzt die Schweiz nicht nur auf Inzidenzzahlen als Indikator, sondern auch auf den R-Wert (Ansteckungsquote), die Zahl der belegten Intensivbetten wie die Spitaleinlieferungen der Covid- 19-Patienten. War das vielleicht etwas schlauer?
Nathalie Homberger: »Ob das schlauer ist oder nicht, würde ich mir nie anmaßen zu sagen. Aber ich denke, dass es Sinn macht, die Zahl der belegten Intensivbetten sowie die Anzahl an Spitaleinlieferungen zu berücksichtigen. Das zeigt doch, dass sich die schlimmen Verläufe reduziert haben und das Gesundheitssystem nicht mehr überlastet ist. Zudem gehen auch die Todesfälle zurück. Also das Virus ist – wenn man das ganz spitz sagen möchte – einigermaßen unter Kontrolle. Sobald die Zahlen wieder steigen, kann der Bundesrat ja ziemlich schnell reagieren.«

Wochenblatt: Sicher waren Sie schon mal in einem Café oder Restaurant, wenn es auch erst im Freien möglich ist. Oder gar im Kino oder Theater. Ist so was ein anderes Gefühl, wenn man an die >Zeit davor< denkt?
Nathalie Homberger:
»Ja natürlich. Corona und die Pandemie waren ja einscheidende Erlebnisse für die ganze Welt. Wir alle mussten und müssen uns an die Regeln halten, um diejenigen zu schützen, die gefährdeter sind. Aber jetzt, wo wir wenigstens wieder auf die Terrassen, ins Kino oder Theater können und sich wieder mehr Personen treffen dürfen: Da haben wir schon ein kleines Stück Freiheit, das Hoffnung aufkommen lässt, die vielleicht viele Personen in den letzten Monaten verloren haben.
Das ist ein bisschen wie ein doppelter Frühling. Und es ist spürbar, dass die Menschen das ganz besonders so wahrnehmen, weil sie eben auch merkten, was gefehlt hat. Freiheit ist ja ein großes Wort, es ging ja um Kultur, um Nähe und noch viel mehr. Es wird noch ein bischen gehen, bis man sich wieder umarmen kann, ohne dass man sich vorher mit einem Selbsttest absichert, der bei uns in der Schweiz gratis ausgegeben wird.«

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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