Protesttag der Apotheker
„Wir streiken für eine verlässliche Arzneimittelversorgung“

Stéphanie Haas-Komp, Inhaberin der Viola-Apotheke in Volkertshausen, unterstützt den Protesttag der Apotheken und lässt die Türen verschlossen. | Foto: Tobias Lange
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Landkreis Konstanz. Streiks sind in unserer Gesellschaft nicht außergewöhnlich. Immer wieder bleiben Fließbänder stehen, Züge fallen aus oder Flüge werden gestrichen, weil für bessere Arbeitsbedingungen protestiert wird. Nun hat aber eine Berufsgruppe einen Streiktag angekündigt, von der sowas bislang eher unbekannt war: die Apotheker.

Mehr Geld und Sicherheit gefordert

Für Mittwoch, 14. Juni, hat der Bundesverband Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zu einem bundesweiten Protesttag aufgerufen, bei dem die Apotheken geschlossen bleiben sollen. Eine der Kernforderungen an die Politik ist eine höhere finanzielle Unterstützung. So soll das zuletzt um 25 Cent 2013 erhöhte Fixum, das für jede ausgegeben Medikamentenpackung gezahlt wird und mit dem die fixen Betriebskosten einer Apotheke ausgeglichen werden sollen, von derzeit 8,35 Euro auf zwölf Euro erhöht und zukünftig jährlich den Kostenentwicklungen angepasst werden. Zudem müssen laut Forderungskatalog Apotheker einen „Engpass-Ausgleich“ für den zusätzlichen Aufwand bei Lieferengpässen erhalten, die für die Apotheken demnach im Jahr Kosten von 425 Millionen Euro verursachen.

Gefordert wird zudem eine höhere Rechtssicherheit gegenüber Krankenkassen. So müsse die sogenannte Retaxation „auf das sachlich gebotene Maß“ reduziert werden. Bei einer Retaxation verweigert die Krankenkasse die Erstattung eines abgegebenen Arzneimittels. Die Apotheke bleibt also auf den Kosten sitzen, auch wenn der Krankenkasse kein finanzieller Schaden entstanden ist oder die Apotheke nicht Schuld hat. Gründe dafür sind beispielsweise falsch ausgestellte Rezepte.

Unterstützung in der Region

Während des Apothekerstreiks wird die Notversorgung von den Notdienstapotheken aufrecht erhalten. Eine von zwei dieser Apotheken im Landkreis Konstanz befindet sich in Singen. „Die Apotheke Sauter wird am Tag des Protests zwar über die Notdienstklappe bedient, aber nur, weil die Apotheke an diesem Tag Notdienst hat“, erklärt Inhaber Andreas Pfleger. Das bedeute aber ausdrücklich nicht, dass er nicht hinter dem Ansinnen der Apotheker steht. „Ich unterstütze den Protest auf ganzer Linie und hätte mich bei einer anderen Konstellation auch mit den Kollegen solidarisiert und ganz geschlossen.“

Es gehe darum, dass die Arbeit angemessen entlohnt wird. „Schon vor Corona hätte jede niedergelassene Apotheke, wenn sie nur verschreibungspflichtige Medikamente abgegeben hätte, ein Minus erwirtschaftet.“ Nun kommen höhere Kosten durch beispielsweise Lieferengpässe, steigende Energiekosten und Mitarbeiterlöhne hinzu. „Das alles lässt sich nicht mehr mit der Kostenstruktur von vor über 20 Jahren stemmen. Hier müssen die Strukturen ganz schnell den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.“ Der Streik sei nach vielen Gesprächen mit Politikern auf Regional- und Bundesebene notwendig, um „noch eindringlicher auf die Misere aufmerksam zu machen, da man diese Thematik als nicht wichtig erachtet“.

Gesundheitsministerium reagiert auf Ankündigung

Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) hält sich das Verständnis für den Protesttag eher in Grenzen, wie aus einem im Vorfeld veröffentlichten Dokument ersichtlich wird. In dem Blatt mit dem Titel „Situation der Apotheken 2023 – Auf einen Blick“ heißt es auf der einen Seite: „Der Stellenwert der Apothekerinnen und Apotheker und der öffentlichen Apotheken sowie Krankenhausapotheken für die Gesundheitsversorgung wird im Bundesministerium für Gesundheit sehr hoch eingeschätzt.“

Auf der anderen Seite hätten Apotheker in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich verdient. „Allein 2021 verzeichneten sie einen Mehrumsatz von circa 2,5 Milliarden Euro des Gesamtumsatzes.“ Gründe dafür seien beispielsweise die Abgabe von Schutzmasken und die Ausstellung Covid-Zertifikaten. Eine Anhebung des Fixums – eine der Kernforderungen der Apotheker – liege zwar längere Zeit zurück. Doch habe es eine Reihe von Maßnahmen gegeben, die das Apothekerhonorar angehoben haben. Darunter die Einführung der Nacht- und Notdienstpauschale.

Verdienste im Sinkflug

Für Stéphanie Haas-Komp, Inhaberin der Viola-Apotheke in Volkertshausen, sind diese Argumente nicht überzeugend. Durch das Fixum sollten Apotheken sämtliche Kosten, darunter Energiekosten und Mitarbeiterlöhne, abdecken können, erklärt sie. Doch sind diese in den letzten Jahren stark gestiegen. Das Fixum auf der anderen Seite wurde Anfang 2023 gekürzt.

Die vom Gesundheitsministerium vorgebrachte Umsatzsteigerung sei auch nicht gleichzusetzen mit einem gesteigerten Verdienst. „Der Verdienst der Apothekerinnen und Apotheker ist in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen.“ Aus dem Umsatz wird zunächst die Umsatzsteuer abgeführt. Und dann alle Kosten bezahlt. Die abgegebenen Schutzmasken mussten von den Apotheken eingekauft werden und die Zusatzaufgaben während der Pandemie benötigte Einarbeitung, kostete also auch Zeit und Geld.

Die vom BMG aufgeführte Notdienstpauschale stieg im vergangenen Jahr und erreichte erstmalig einen Jahresdurchschnitt von rund 400 Euro pro geleisteten Notdienst. Das ergebe laut Rechnung von Haas-Komp aber auch nur einen Stundenlohn von 16,67 Euro. „Dafür arbeitet eine approbierte Kraft mit drei Staatsexamen nicht.“ Deshalb übernehmen Notdienste viele Apothekeninhaber selbst, was zur „Selbstausbeutung“ beitrage und zu Schließungen führe, wenn die Apotheker nicht mehr bereit sind, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Die Folge wiederum sei, dass Notdienstkreise immer größer werden und Patienten 40 bis 50 Kilometer fahren müssen, so Stéphanie Haas-Komp. Dies sei nicht für alle Menschen machbar. „Wir streiken für eine verlässliche Arzneimittelversorgung.“

Die Reaktion ihrer Kunden sei positiv, sagt sie. Sie werde mit Aussagen wie „Zieht das durch“ und „Da muss was passieren“ ermuntert. „Ich bekomme von den Menschen Rückhalt.“

Die Probleme sind nicht neu. Bislang blieben die Apotheker aber eher zurückhaltend, räumt auch Apothekerin Haas-Komp ein. „Wir waren zu still.“ Nun müssten aber Veränderungen unternommen werden, „damit nicht mehr alle 16 Stunden eine Apotheke in Deutschland für immer schließen muss“. Und an die Entscheidungsträger hat sie eine Botschaft: „Ich lade jeden Politiker ein, einen Tag in der Apotheke zu verbringen.“

Stéphanie Haas-Komp, Inhaberin der Viola-Apotheke in Volkertshausen, unterstützt den Protesttag der Apotheken und lässt die Türen verschlossen. | Foto: Tobias Lange
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Autor:

Tobias Lange aus Singen

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