Durch jeden Tag mit Carolin Engels
Das i-Tüpfelchen der Persönlichkeit

Carolin Engels Geschäft in der Kaufhausstraße 7 in Radolfzell ist ein Paradies für Hut- und Mützenliebhaber. | Foto: Carolin Engels Geschäft in der Kaufhausstraße 7 in Radolfzell ist ein Paradies für Hut- und Mützenliebhaber. swb-Bild: rab
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  • Carolin Engels Geschäft in der Kaufhausstraße 7 in Radolfzell ist ein Paradies für Hut- und Mützenliebhaber.
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Radolfzell (rab). Glück? Ist das die richtige Bezeichnung dafür? Irgendwie schon – aber doch nicht ganz! Beschreiben lässt es sich in etwa so: Es ist dieses herrliche Gefühl, das sich einstellt, wenn man etwas Kostbares entdeckt oder geschenkt bekommt. Etwas, das eine pure, unverstellte Freude in einem hervorkitzelt und das innere Kind Pirouetten drehen lässt. Etwas, das einen vielleicht schlagartig in eine Zeit zurückversetzt, als der Kleiderschrank der Oma oder der Mutter das Tor zu einem Märchenland war, in dem man sich flugs in eine wunderschöne Prinzessin oder einen anmutigen Ritter verwandelte. Ja, so in etwa lässt sich das Gefühl beschreiben, das denjenigen überkommt, der das Geschäft für Hüte, Mützen und Accessoires von Carolin Engel in der Radolfzeller Kaufhausstraße 7 betritt. Kaum hat der Besucher das kleine, aber feine Ladengeschäft betreten, würde er sich am liebsten sofort wie ein Kind ganz viele der wunderschön gearbeiteten Kleinode auf den Kopf setzen. Und das Beste: Es muss nicht beim »würde« bleiben – bei Carolin Engel darf man, nein, soll man sogar! Munteres Ausprobieren ist ausdrücklich erwünscht. Die Hut- und Mützengestalterin fungiert quasi als »Kupplerin« auf dem Weg zum perfekt passenden Stück.

Ihr künstlerisch geschulter Blick für Farben, Proportionen und Formen sowie eine gehörige Portion Menschenkenntnis, Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen sind die Asse, die Carolin Engel im Ärmel hat. Und sie spielt sie so gekonnt aus, dass der Satz »Ich habe ja gar kein Hutgesicht» bei jedem, der in den Genuss ihrer Beratung kommt, fortan aus dem eigenen Wortschatz gestrichen wird. Wie in der Liebe der passende Deckel auf den Topf gefunden werden muss, ist es nach dem Verständnis der Gestalterin auch beim Hut, den die Künstlerin nicht als aufgesetztes Accessoire, sondern als das i-Tüpfelchen der eigenen Persönlichkeit versteht – und diesem »Ausrufezeichen« gilt es, auf die Spur zu kommen. Besonderen Wert legt sie dabei auf das Wort »authentisch«. »Ich möchte die Kunden glücklich machen – und das sind sie nur, wenn sie etwas haben, das sie tragen können«, erzählt die Geschäftsinhaberin.

So ist ein ausladender Hut mit extravagantem Federschmuck zwar zweifelsfrei ein fantastischer Hingucker – aber für jemanden, der eine alltagstaugliche Kopfbedeckung braucht, nicht ganz so geeignet. Und so tastet sich die Gestalterin zusammen mit dem Hutsuchenden langsam an dessen eigentliche Wünsche und Bedürfnisse heran – wobei sie gleichzeitig eine eingehende Typ-Analyse durchführt. Dabei spielen natürlich auch die gestalterischen Details eine große Rolle. »Das ist wie beim Malen, als ob ich mir die Farben anrühre. Ich greife in meinen Fundus an Accessoires und es entstehen Klänge, Akkorde.« Zusammen mit dem Kunden komponiert sie so quasi ein Bild, das dessen Persönlichkeit wiederspiegelt.

Eine einmalige Liaison

Die nach diesem Prozess beginnende Liaison ist dadurch auch buchstäblich einmalig – denn jede Mütze und jeder Hut, die Carolin Engel anfertigt, sind Unikate. Die Nadel ihrer Nähmaschine übernimmt sozusagen die Rolle von Amors Pfeil: Mit ganz viel Leidenschaft und Liebe zum Detail erschafft die Hutmacherin den auf dem Kopf sitzenden »Traumpartner«, bei dem sich der Träger im wahrsten Sinne des Wortes gut behütet fühlt. Dabei sind die Kreationen, die Engel erschafft, nicht nur einzigartig, sondern gewissermaßen auch Hüter von Geheimnissen. Denn die Künstlerin gestaltet die Innenseite ihrer Mützen in der Regel in einem anderen Stoff oder einer anderen Farbe als die Außenseite – so wie jeder Mensch auch zwei Seiten hat. Eine, die er nach außen zeigt und offenbart, und eine, die er für sich behält und bewahrt, und die nur er oder wenige Vertraute kennen.

Das Mützenfutter steht so symbolisch für die Innenwelt des Trägers, für eine Schattierung seiner Persönlichkeit, die nur manchmal durch ein kurzes Aufblitzen oder Schimmern an der Kante der Mütze zum Vorschein kommt. Das macht das Tragen der Mütze auch ein Stück weit spannender. »Es ist etwas, das man nicht sieht, aber was der Träger selbst spürt«, verdeutlicht Engel – wie etwa kostbare Unterwäsche, die unter der Alltagskleidung verborgen ist. Ihr ausgeprägtes Gefühl für das Zusammenspiel von Formen, Farben und Gegebenheiten habe sie ihrer Ausbildung zu verdanken, betont Carolin Engel. »Da habe ich das genaue Hingucken gelernt.«

Die gebürtige Bremerin hat an der Kunstakademie in Braunschweig freie Kunst und Bildhauerei studiert, war Meisterschülerin der Professoren Hinnerk Schrader und Ben Willikens. In der Folgezeit wohnte und arbeitete sie zeitgleich in Paris und Karlsruhe als freie Bildhauerin. Doch der Wunsch, endlich wieder etwas unkompliziert und kreativ mit den eigenen Händen zu erschaffen und sich abends über das handwerkliche Werk des Tages zu freuen, wurde mit der Zeit übermächtig. So wie sie es bei ihrer Stiefmutter, einer Schneidermeisterin, an deren Nähmaschine schon in jungen Jahren immer gemacht hatte. »Altes Handwerk ist attraktiv, weil das Leben immer abstrakter wird«, meint Engel. Und da war sie auf einmal geboren, die Idee, fortan auf die Nähmaschine umzusatteln und auf Hüte und Mützen zu setzen. Und so kehrte Carolin Engel Mitte der 90er Jahre der Kunst den Rücken, um künftig kunsthandwerklich zu arbeiten. In der Folgezeit arbeitete sie unter anderem mit vielen namhaften Modedesignern zusammen und kreierte Hüte und Mützen für deren Kollektionen.

2001 zog es sie dann der Liebe wegen an den Bodensee, wo sie seit 2011 ihren Laden nur ein paar Schritte vom Marktplatz entfernt betreibt, in dem sie auch Panama-Hüte und andere qualitativ hochwertige Kopfbedeckungen namhafter Hersteller – etwa von Mayser, Seeberger oder Bedacht – anbietet. Von der Stadt am See kann die Hutmacherin übrigens nur schwärmen: »Die große Chance von Radolfzell ist es, dass es hier noch viele individuelle, inhabergeführte Geschäfte gibt, in denen man ganz viel entdecken kann«, erzählt sie. Das Besondere werde hier noch groß geschrieben – genau wie in ihrem Laden.

Ein Hut für Udo

Und Engels handwerkliches Geschick, ihre kompetente Beratung und ihre kreative Gestaltung sprechen sich herum – sogar bis in allerhöchste Hut-Kreise. Unlängst rief einer der passioniertesten Hutträger überhaupt Carolin Engel zu Hilfe: Udo Lindenberg. Zwar nicht in Panik, aber dringlich war es dennoch. Udos neuer Hut – er hatte sein langjähriges, tatsächlich einziges und »altersschwach« gewordenes Wahrzeichen kürzlich wegen Abnutzung gegen ein jungfräuliches Modell eingetauscht – war noch nicht richtig »eingerockt« und wollte nicht so, wie der Meister es gerne hätte. So stülpte sich die Hutkrempe ständig nach oben – und das passte vor allem auf der Bühne gar nicht zu Udos Choreographie. Und so rief er während eines spontanen Kurzurlaubes in Konstanz im Sommer dieses Jahres Carolin Engel zu sich, um die Makel des Hutes beheben zu lassen. Zwar nicht mit dem Sonderzug, aber mit einer ordentlichen Ladung Hüte im Gepäck fuhr die Hutmacherin prompt nach Konstanz – und machte dort nicht nur Udo wieder glücklich, sondern auch die Mitglieder von Lindenbergs »Panikfamilie«, die munter die mitgebrachten Accessoires ausprobierten.

Anschließend gab es eine Tasse Tee mit Udo – und ein anregendes Gespräch über Musik, denn Engel wurde nicht nur ein handwerkliches und künstlerisches, sondern auch musikalisches Talent in die Wiege gelegt. So spielen sie und ihr Mann in mehreren Jazz-Formationen. Doch apropos Kunst: Ihr fühlt sich Carolin Engel nach wie vor sehr verbunden. So stellt sie in ihrem Geschäft immer wieder Werke befreundeter Künstler aus. Momentan etwa Arbeiten der Kölner Künstlerin Petra Weifenbach, die aus Keramikscherben kleine, poetische und sehr humorvolle Kunstwerke auf eine gerade einmal 14 mal 14 Zentimeter große Leinwand zaubert. Ihrem eigenen künstlerischen Schaffen trauere sie jedoch nicht nach, wie Engel erzählt – viel zu sehr fülle sie das tägliche Arbeiten mit und für ihre Kunden in ihrem Ladengeschäft nun aus. »Ich freue mich jeden Morgen auf die Arbeit«, erzählt die Gestalterin freudestrahlend – und das spüren auch ihre Kunden. Und wahrscheinlich trägt auch diese Freude im Herzen der Geschäftsinhaberin enorm dazu bei, dass man sofort verzaubert ist, wenn man ihren Laden betritt.

Von Nicole Rabanser

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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